Erkenntnis trifft dich wie das helle Licht
Islamische Philosophie zählt nicht zum Allgemeinwissen in Europa. Schade eigentlich, denn auf Fragen, die uns seit der europäischen Antike beschäftigen, finden sich hier andere und originelle Antworten. Zum Beispiel bei dem persisch-arabischen Philosophen al-Suhrawardi, der im 12. Jahrhundert eine Philosophie der Erleuchtung entwickelte.
Gleich zu Beginn schlägt der Philosoph einen prägnanten Akkord an. Erfrischend sind diese Zeilen des persisch-arabischen Denkers Schihabaddin Yahya al-Suhrawardi auch für uns, 800 Jahre später, für unser doch ziemlich fest gefügtes Bild des Islams, den wir als irrational und finster wahrnehmen.
Buchauszug: "Dieses Buch ist für Schüler bestimmt, die zugleich nach der göttlichen Weisheit und nach diskursiver Erkenntnis streben; für den diskursiven Denker, der sich nicht mit der göttlichen Weisheit beschäftigt oder sie erstrebt, enthält es nichts. (...) So wie wir wahrnehmbare Dinge schauen, über einige ihrer Zustände Gewissheit erlangen und hierauf wahre Wissenschaften wie die Astronomie gründen, so schauen wir auch spirituelle Dinge und gründen etwas darauf."
Al-Suhrawardi jongliert: Er will mystischen Glauben und Ratio in Einklang bringen. Die islamischen Denker seiner Zeit befassten sich auf hohem Niveau mit antiker griechischer Philosophie. Die Logik hatte Einzug gehalten in die Theologie. Von den Auffassungen des Aristoteles, die zu al-Suhrawardis Zeit sehr prominent waren, distanziert er sich allerdings. In den Mittelpunkt rückt er stattdessen eine eigene Erkenntnislehre. Menschliche Gedanken und Erkenntnisse, beobachtet er, scheinen oft wie aus dem Nichts zu kommen.
Buchauszug: "Licht ist dasjenige, was in seinem eigenen Wesen offenbar ist und durch sich selbst anderes offenbar macht."
Wie Lichtstrahlen ereilen uns Gedanken und Erkenntnisse, sagt al-Suhrawardi, und widerspricht damit Aristoteles. Der glaubte, menschliche Erkenntnisse geschehen mehrstufig, wobei ein logischer Schritt auf den nächsten aufbaut. al-Suhrawardi setzt dagegen: Erkenntnisse erreichen uns sprunghaft, als Intuitionen. Diese müsse man als "Licht" verstehen. Die gesamte Welt sei ihrem Wesen nach Licht, das ausgehe von Gott, dem "Licht der Lichter". Dieser Licht-Begriff lehnt offenbar an das Konzept des Verstandes an, hat aber unübersehbar auch eine mystische Note. Ganz sicher keine Mainstream-Position, soviel war auch al-Suhrawardi klar. Geduldig erklärt er:
Buchauszug: "Wer dies nicht glaubt und sich nicht von den Begründungen überzeugen läßt, der soll sich spirituellen Übungen widmen und dem Schauenden dienen. Vielleicht wird ihm dann eine blitzartige Eingebung zuteil, so daß er das in der Welt der Majestät erstrahlende Licht erblickt sowie die himmlischen Wesenheiten, die von Hermes und Platon geschauten Lichter und himmlischen Leuchten, welche die Quellen des königlichen Glanzes und der Weisheit sind, von denen Zoroaster berichtet."
Zoroaster, auch Zarathustra genannt, ein iranischer Religionsstifter, habe die Griechen zu einigen ihrer Erkenntnissen inspiriert. Al-Suhrawardi verknüpft griechische Antike, orientalische Philosophie und Islam zu einem eigenständigen Ansatz. Über Jahrhunderte beziehen sich Philosophen in der islamischen Welt auf ihn und seine sogenannte Illuminationslehre, bis in unsere Zeit, etwa der iranische Denker Mehdi Ha'iri Yazdi.
Al-Suhrawardi steht für eine Philosophie, die eine orientalische Tradition in die Waagschale wirft, statt bloß der europäischen Ideengeschichte zu folgen. Er hinterließ ein umfangreiches Werk, als er mit nur 38 Jahren hingerichtet wurde. Über die Gründe seines gewaltsamen Endes muss spekuliert werden. Den Befehl erteilte der berühmte Saladin; bei dessen Sohn hatte al-Suhrawardi im syrischen Aleppo eine Stellung am Hofe. Womöglich, ist später spekuliert worden, sind dem Philosophen die politischen Akzente, die er in seinem Werk gesetzt hat, zum Verhängnis geworden.
Buchauszug: "Auf keinen Fall (...) gebührt die Herrschaft in Gottes Welt einem diskursiven Denker, der nicht auch mit der göttlichen Weisheit vertraut ist. Denn die Welt ermangelt niemals einer Person, welche mit der göttlichen Weisheit vertraut ist; diese Person ist würdiger als ein rein diskursiver Denker, denn die Stellvertreterschaft Gottes setzt von Gott empfangene Eingebungen voraus."
Nur mystisch-erleuchtete Weise sollen herrschen – eine in der Tat radikale Forderung – ist sie als Aufruf zu politischem Umsturz ausgelegt worden? Nicolai Sinai, der al-Suhrawardis Buch neu aus dem Arabischen übertragen und mit einem umfangreichen Kommentar versehen hat, verwirft diese Deutung. Für Unmut habe eher gesorgt, dass al-Suhrawardi sein Werk in die Nähe des Korans rückte, womit er Tumult unter lokalen Religionsgelehrten auslöste. Ein Werk also, das zu seiner Zeit für Aufsehen sorgte, und uns heute neuen Aufschluss über mystische Philosophie im Islam gibt.
Das Buch "Philosophie der Erleuchtung" des persisch-arabischen Denkers Schihabaddin Yahya al-Suhrawardi ist im Verlag der Weltreligionen erschienen. Es umfasst 469 Seiten und kostet 34,90 Euro.
Buchauszug: "Dieses Buch ist für Schüler bestimmt, die zugleich nach der göttlichen Weisheit und nach diskursiver Erkenntnis streben; für den diskursiven Denker, der sich nicht mit der göttlichen Weisheit beschäftigt oder sie erstrebt, enthält es nichts. (...) So wie wir wahrnehmbare Dinge schauen, über einige ihrer Zustände Gewissheit erlangen und hierauf wahre Wissenschaften wie die Astronomie gründen, so schauen wir auch spirituelle Dinge und gründen etwas darauf."
Al-Suhrawardi jongliert: Er will mystischen Glauben und Ratio in Einklang bringen. Die islamischen Denker seiner Zeit befassten sich auf hohem Niveau mit antiker griechischer Philosophie. Die Logik hatte Einzug gehalten in die Theologie. Von den Auffassungen des Aristoteles, die zu al-Suhrawardis Zeit sehr prominent waren, distanziert er sich allerdings. In den Mittelpunkt rückt er stattdessen eine eigene Erkenntnislehre. Menschliche Gedanken und Erkenntnisse, beobachtet er, scheinen oft wie aus dem Nichts zu kommen.
Buchauszug: "Licht ist dasjenige, was in seinem eigenen Wesen offenbar ist und durch sich selbst anderes offenbar macht."
Wie Lichtstrahlen ereilen uns Gedanken und Erkenntnisse, sagt al-Suhrawardi, und widerspricht damit Aristoteles. Der glaubte, menschliche Erkenntnisse geschehen mehrstufig, wobei ein logischer Schritt auf den nächsten aufbaut. al-Suhrawardi setzt dagegen: Erkenntnisse erreichen uns sprunghaft, als Intuitionen. Diese müsse man als "Licht" verstehen. Die gesamte Welt sei ihrem Wesen nach Licht, das ausgehe von Gott, dem "Licht der Lichter". Dieser Licht-Begriff lehnt offenbar an das Konzept des Verstandes an, hat aber unübersehbar auch eine mystische Note. Ganz sicher keine Mainstream-Position, soviel war auch al-Suhrawardi klar. Geduldig erklärt er:
Buchauszug: "Wer dies nicht glaubt und sich nicht von den Begründungen überzeugen läßt, der soll sich spirituellen Übungen widmen und dem Schauenden dienen. Vielleicht wird ihm dann eine blitzartige Eingebung zuteil, so daß er das in der Welt der Majestät erstrahlende Licht erblickt sowie die himmlischen Wesenheiten, die von Hermes und Platon geschauten Lichter und himmlischen Leuchten, welche die Quellen des königlichen Glanzes und der Weisheit sind, von denen Zoroaster berichtet."
Zoroaster, auch Zarathustra genannt, ein iranischer Religionsstifter, habe die Griechen zu einigen ihrer Erkenntnissen inspiriert. Al-Suhrawardi verknüpft griechische Antike, orientalische Philosophie und Islam zu einem eigenständigen Ansatz. Über Jahrhunderte beziehen sich Philosophen in der islamischen Welt auf ihn und seine sogenannte Illuminationslehre, bis in unsere Zeit, etwa der iranische Denker Mehdi Ha'iri Yazdi.
Al-Suhrawardi steht für eine Philosophie, die eine orientalische Tradition in die Waagschale wirft, statt bloß der europäischen Ideengeschichte zu folgen. Er hinterließ ein umfangreiches Werk, als er mit nur 38 Jahren hingerichtet wurde. Über die Gründe seines gewaltsamen Endes muss spekuliert werden. Den Befehl erteilte der berühmte Saladin; bei dessen Sohn hatte al-Suhrawardi im syrischen Aleppo eine Stellung am Hofe. Womöglich, ist später spekuliert worden, sind dem Philosophen die politischen Akzente, die er in seinem Werk gesetzt hat, zum Verhängnis geworden.
Buchauszug: "Auf keinen Fall (...) gebührt die Herrschaft in Gottes Welt einem diskursiven Denker, der nicht auch mit der göttlichen Weisheit vertraut ist. Denn die Welt ermangelt niemals einer Person, welche mit der göttlichen Weisheit vertraut ist; diese Person ist würdiger als ein rein diskursiver Denker, denn die Stellvertreterschaft Gottes setzt von Gott empfangene Eingebungen voraus."
Nur mystisch-erleuchtete Weise sollen herrschen – eine in der Tat radikale Forderung – ist sie als Aufruf zu politischem Umsturz ausgelegt worden? Nicolai Sinai, der al-Suhrawardis Buch neu aus dem Arabischen übertragen und mit einem umfangreichen Kommentar versehen hat, verwirft diese Deutung. Für Unmut habe eher gesorgt, dass al-Suhrawardi sein Werk in die Nähe des Korans rückte, womit er Tumult unter lokalen Religionsgelehrten auslöste. Ein Werk also, das zu seiner Zeit für Aufsehen sorgte, und uns heute neuen Aufschluss über mystische Philosophie im Islam gibt.
Das Buch "Philosophie der Erleuchtung" des persisch-arabischen Denkers Schihabaddin Yahya al-Suhrawardi ist im Verlag der Weltreligionen erschienen. Es umfasst 469 Seiten und kostet 34,90 Euro.