Erklärreihe

Chassidismus

Studenten der Freien Universität Berlin betrachten am Freitag (22.06.2012) in der Alten Synagoge Erfurt das Faksimile einer Thorarolle aus dem 13. Jahrhundert. Unter Leitung von Annett Martini (M) erforschen sie die mittelalterlichen hebräischen Handschriften der früheren jüdischen Gemeinde Erfurt. Die Schriftensammlung war bis zu einem Pogrom 1349 im Besitz der jüdischen Gemeinde. Die Alte Synagoge ist nach ihrem Wiederaufbau seit 2009 Museum.
Faksimile einer Thorarolle aus dem 13. Jahrhundert in der Alten Synagoge in Erfurt © picture alliance / dpa / Foto: Michael Reichel
Von Yael Kornblum |
Lange Schläfenlocken, schwarze Mäntel, dicke Bärte – es kann sich nur um einen Juden handeln! Dass das Judentum jedoch mehr als nur eine Ansicht zu bieten hat, besagt schon das Sprichwort: "Zwei Juden, drei Meinungen." In unserer Reihe stellen wir die Strömungen im Judentum vor.
Die jüdische Orthodoxie ist keine einheitliche religiöse Strömung, denn zu ihr gehören neben der modernen auch die ultra-orthodoxe sowie die chassidische Bewegung. Darüber hinaus gibt es auch essentielle Unterschiede zwischen aschkenasischen, also osteuropäisch geprägten, und sephardischen, also orientalischen, Orthodoxen. Ihnen allen gemein sind jedoch einige Prinzipien. Der Grad an Observanz ist stets ähnlich, unterschiedlich sind jeweils Fragen zu bestimmten Details. Das wortgetreue Befolgen der Torah sowie aller überlieferten jüdischen Gesetze eint sie, während insbesondere das Verhältnis zur säkularen Umwelt sowie zum Staat Israel große Unterschiede aufweisen.
Die Essenz der Orthodoxie wird in den 13 Glaubensartikeln des Maimonides zusammengefasst und hat sich seitdem nicht verändert. Danach ist die mündliche und schriftliche Torah wörtlich wahr. Sie ist göttlichen Ursprungs und wurde Moses am Berg Sinai überreicht. Der Schöpfer weiß um all unsere Vorhaben und Taten. Die Guten wird er belohnen, die Schlechten wird er strafen. Die Ankunft des Messias wird täglich erwartet.
Ist die Torah wörtlich zu verstehen und zu befolgen?
An diesen Prinzipien scheiden sich die Geister des Judentums: Ist die Torah wörtlich zu verstehen und zu befolgen? Es ist gleichsam die "Abendmahlsfrage" der Juden, deren Antwort festlegt, zu welcher religiösen Strömung man gehört.
Der Begriff der Orthodoxie zur Bezeichnung einer bestimmten Art von Religiosität von Juden ist relativ neu. Historisch gesehen gibt es keine Orthodoxie. In den vergangenen Jahrtausenden konnte man entweder mehr oder weniger observant sein. Aber "orthodox", also auf althergebrachte Art und Weise sein Judentum zu praktizieren, gab es nicht. Es gab schlicht keine Auswahlmöglichkeiten, denn diese entstanden allesamt erst im 18. und 19. Jahrhundert. In diese Zeit fällt der erste Gebrauch des Terminus "orthodox" als Differenzierung von anderen neuen Strömungen. Diejenigen, die sich nun als orthodox bezeichneten, drückten damit aus: Wir machen einfach so weiter wie bisher!
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