Die Gottesfürchtigen
Lange Schläfenlocken, schwarze Mäntel, dicke Bärte – es kann sich nur um einen Juden handeln! Dass das Judentum jedoch mehr als nur eine Ansicht zu bieten hat, besagt schon das Sprichwort: "Zwei Juden, drei Meinungen." In unserer Reihe stellen wir die Strömungen im Judentum vor.
Die jüdische Orthodoxie kennt ein breites Spektrum an Observanz. Die Charedeim, also die Ultraorthodoxen, sind die am strengsten Gläubigen. Der Begriff Charedim kommt von "charada" – Furcht bzw. Gottesfurcht. Und wie die überwiegende Mehrzahl der religiösen Strömungen des Judentums entstand auch die Ultraorthodoxie im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die jüdische Emanzipation und Aufklärung.
Charedische Männer arbeiten nicht
Im Unterschied zu den Orthodoxen und modern Orthodoxen lehnen die Ultraorthodoxen jegliche weltliche Bildung ab. Das Leben ist streng reguliert und auf den rabbinischen Führer ausgerichtet. Die säkulare jüdische und nicht-jüdische Gesellschaft interessiert sie nicht, ja sie wird sogar als Angst einflößend oder feindlich wahrgenommen.
In Israel und den USA leben die meisten Ultraorthodoxen, wobei auch London, Antwerpen und andere europäischen Städte charedische Hochburgen sind. Die Ablehnung der säkularen Gesellschaft zeigt sich auch im Wirtschaftsleben der Charedim: In Israel gehen rund 60 bis 70 Prozent der charedischen Männer keiner Arbeit nach, sondern verbringen ihre Zeit ausschließlich in Jeshiwot, also Lernhäusern, mit dem Studium religiöser Schriften.
Vom Militärdienst befreit
Sie sind vom Militärdienst freigestellt und werden vom Staat finanziell unterstützt. Oft sind die Frauen berufstätig, die in der Regel eine bessere Berufsausbildung haben als die lernenden Männer. Geheiratet wird mit spätestens zwanzig und eine Frau bringt im Laufe ihrer Ehe durchschnittlich sieben Kinder zur Welt. Wer sich für ein freies, selbstbestimmtes Leben entscheidet, wird von der Familie verstoßen. Er ist fortan auf sich selbst gestellt. In Israel gibt es daher mehrere Organisationen, die charedischen Aussteigern Schutz und Hilfe bieten.
Den Ultraorthodoxen verdanken Juden weltweit ihr optisches Klischee: Langer schwarzer Mantel, großer Hut und mindestens schulterlange Schläfenlocken.