Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution
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Im Herbst wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Dort wirbt die AfD mit dem Slogan "Wir sind das Volk". Das sei ein Versuch, die Revolution von 1989 zu instrumentalisieren, ärgert sich die DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler.
Im Herbst stehen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen Landtagswahlen an. Besonderes Interesse gilt dem Abschneiden der AfD und der politischen Stimmungslage in Deutschland. In einer offenen Erklärung haben nun ostdeutsche Prominente und frühere DDR-Bürgerrechtler der AfD vorgeworfen, die friedliche Revolution von 1989 für Wahlkampfzwecke zu vereinnahmen.
Initiiert von der Robert-Havemann-Gesellschaft, haben unter anderem Freya Klier, Wolfgang Thierse, Rainer Eppelmann und Marianne Birthler unterschrieben. Die AfD wirbt unter anderem mit dem Spruch "Hol dir dein Land zurück – Vollende die Wende".
Welches Land soll zurückgeholt werden?
Die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, erklärt im Deutschlandfunk Kultur, dass sie nicht wisse, welches Land zurückgeholt werden solle, sie lebe gerne in diesem Land, was nicht heiße, dass sie mit allem zufrieden sei.
"Aber wir haben die Möglichkeit, etwas zu verändern, die verschiedenen Interessen gegeneinander zu halten, Lösungen auszuhandeln. Das ist manchmal ein bisschen unbequem, aber das ist ja gerade das Gute an einer Demokratie, dass nichts so bleiben muss, wie es ist, wenn die Menschen sich dafür einsetzen."
Birthler zeigt sich verärgert über den Versuch, die Revolution von 1989 zu instrumentalisieren. Die AfD wirbt unter anderem mit der Parole "Damals wie heute: Wir sind das Volk":
"Ich meine, es gibt kein Copyright auf den Satz 'Wir sind das Volk', aber wenn die AfD das wirklich ernst meinte, dann müsste sie sich auch die Forderungen zu eigen machen, die wir damals erhoben haben - für ein offenes Land mit freien Menschen, gegen die Diskriminierung von Minderheiten, gegen Abgrenzung und gegen Mauern. Also wenn die AfD sich das alles zu eigen machte, dann hätte ich auch gar nichts dagegen, wenn sie sich auf 89 bezieht."
"Wende war Lieblingswort von Egon Krenz"
Außerdem ruft Birthler in Erinnerung, dass das Wort "Wende" ja nun ausgerechnet das Lieblingswort von Egon Krenz gewesen sei. "Na ja, da haben sie sich ja selber ein bisschen ins Knie geschossen. Wenn sie das wollen, was Egon Krenz mal wollte, dann kann ich nur sagen: Na herzlichen Glückwunsch! Weil das ja nicht das ist, was die Revolution wirklich erreicht hat und was wir 1989 durchgesetzt haben."
Dass die AfD im Osten besser abschneidet als im Westen, habe damit zu tun, so Birthler, dass im Westen die Menschen konstruktiver mit Problemen umgingen. Sie hätten schlicht mehr Zeit gehabt, einen solchen Umgang zu erlernen.
Im Osten seien die Nachwirkungen von zwei Diktaturen zu spüren. Den Menschen sei Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Leben wie für das Gemeinwesen systematisch abtrainiert worden, erklärt Birthler.
"Dann kam 1990 für viele noch etwas Enttäuschung hinzu, das heißt: Sie haben sich unglaublich viele Hoffnungen gemacht, die nicht in Erfüllung gegangen sind, zum Teil, weil sie unmöglich in Erfüllung gehen konnten, zum Teil weil man die Vereinigungspolitik nicht immer optimal, manchmal sogar etwas fahrlässig betrieben hat."