Ermittler Brenner kehrt zurück

15.09.2009
Begonnen hatte es 1996 mit "Auferstehung der Toten", und mit Brenners sechstem Fall, "Das ewige Leben", sollte das Vergnügen 2003 ein Ende haben.
Mit einem famosen Kunstgriff beförderte Haas damals den Erzähler der Brenner-Geschichten ins Jenseits, diese allwissende Figur, die sich stets davor hütete, ins kriminalistische Geschehen involviert zu werden und über Gott und die Welt stammtischtauglich räsonierte.

Die Hoffnung stirbt zuletzt – so mäßig originell diese Einsicht sein mag, so genau beschreibt sie, was Simon-Brenner-Anhänger in den letzten Jahren bewegte. Ihr Sehnen war nicht vergeblich, denn nun gibt es einen neuen Brenner, und Wolf Haas wäre nicht Wolf Haas, wenn er es nicht verstanden hätte, eine verblüffend einfache Lösung zu finden, um Brenners Schöpfer, den Erzähler, aus der Unterwelt zu holen. "Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt, wenn du einmal stirbst, muss man das Maul extra erschlagen", so lautet der Auftaktsatz, und weil sich offenkundig niemand fand, der den großmütterlichen Ratschlag in die Tat umsetzte, verliert der Tote seine Stimme nicht und fährt, als sei nichts geschehen, fort, die Geschichte Brenners zu protokollieren.

Brenner arbeitet inzwischen als Chauffeur. Sein Arbeitgeber ist der Baulöwe Kressdorf, der von seinem Münchner Firmensitz aus das Vorhaben vorantreibt, im Prater einen Vergnügungspark zu realisieren. Da Kressdorfs Frau eine Abtreibungsklinik in Wien betreibt, ist moderne Mobilität zwischen den Partnern erforderlich: Brenners Job. Tagtäglich begibt er sich auf die Autobahn und kutschiert die zweijährige Kressdorf-Tochter Helena hin und her, wobei eine noble Almhütte in Kitzbühel als Zwischenstation dient.

Die Handlung von Kriminalromanen nachzuerzählen gehört sich nicht, und da es besonders unsinnig ist, die Handlung von Haas'schen Kriminalromanen nachzuerzählen, lassen wir das gleich zweimal bleiben. So viel immerhin sei gesagt: Bei einem Tankstellenstopp wird Helena entführt, das Lebenslicht von ungefähr sieben Menschen erlischt im Folgenden, und Brenner taucht in eine Welt mit allerhand merkwürdigem Personal ein – ein Bankdirektor mit irregeleiteten Sexualfantasien, ein Obersenatsrat, der Wortführer der Antiabtreibungsorganisation "Proleben", eine Südtirolerin, die nicht nur hervorragende Mitternachtsspaghetti zuzubereiten weiß, sowie der liebe Gott selbst. Inmitten dieses Tohuwabohus amtiert der altgediente Brenner, dessen "detektivischer Halbschlaf" es ihm ermöglicht, der Sache auf den Grund zu geben.

Bissiger Gesellschaftsroman, sprachliches Feuerwerk mit Satzellipsen und einem umgangssprachlichem Sound, der grammatische Konventionen ad absurdum führt, Erzählstränge voll aberwitziger Einfälle – all das hat "Der Brenner und der liebe Gott" zu bieten. Simon Brenner ist wieder da. Es dürfte in diesem Bücherherbst kaum erfreulichere Nachrichten geben.

Besprochen von Rainer Moritz

Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott
Roman
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009
224 Seiten, 18,99 Euro