Mit Kanonen auf Spatzen
Beim Verfassungsschutz herrsche eine Kultur des Raunens und Schweigens, kritisiert Gudula Geuther. Die Anzeige gegen die Blogger von netzpolitik.org sei ein Fehler, doch sie ziele auf alle Medien, Experten und Abgeordneten, die die Arbeit der Geheimdienste hinterfragen.
Öffentlich und wie die Kesselflicker streiten sich Verfassungsschutz und Generalbundesanwalt. Das zeigt: Etwas ist schiefgelaufen. Die Ermittlungen gegen die Blogger wegen Veröffentlichung eingestufter Verfassungsschutz-Dokumente waren ein Fehler, und diese Botschaft ist bei den Beteiligten auch angekommen. Das ist ja immerhin schon was. Dass sie mit dem Finger aufeinander zeigen, ist nicht schön. Aber: Es trifft in jedem Fall nicht die Falschen. Der Generalbundesanwalt ist verantwortlich für die Affäre, weil er die Ermittlungen gegen die Blogger nie hätte einleiten dürfen. Und egal was für Rechtsgutachten ihm präsentiert wurden – rechtskundig hat er selbst zu sein und Herr des Verfahrens ist er allemal. Da kann er sich nicht rausreden.
Gleich zurücktreten muss er deshalb trotzdem nicht. Harald Range hat offenbar versucht, nach der Devise zu handeln: Wasch den Journalisten den Pelz, aber mach sie nicht nass. Er hat Ermittlungen aufgenommen, aber nur um gleich klarzustellen: So recht glaubt er selbst nicht dran. Bis ihm nicht andere – ein externer Gutachter, wo hat es so etwas schon gegeben – grünes Licht geben, soll nicht abgehört, nicht durchsucht und nicht beschlagnahmt werden. Das ist alles nicht besonders gradlinig, mutig und klar. Geradlinig ist auch nicht, dass er angesichts öffentlicher Kritik als erstes erklärt, die Ermittlungen ruhten.
Aber es ist – und da kommen wir zu den anderen Beteiligten – besser, als wenn er weiter ermittelt hätte und es ist nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem liegt in dem konkreten Fall beim Verfassungsschutz. Einiges spricht dafür, dass dessen Strafanzeige letztendlich zumindest auch auf die Journalisten zielte – nicht zuletzt, befand immerhin der Geheimdienst in eigener Sache in einem Gutachten, die veröffentlichten Dokumente seien so wesentlich, dass ihr Verrat der Verrat von Staatsgeheimnissen sei. Das zielt auf Landesverrat, das zielt damit auch gegen die Journalisten. Das zielt mit Kanonen auf Spatzen. Aber wie gesagt – das hätte der Generalbundesanwalt nicht mitmachen müssen. So wie es gelaufen ist, hat das Verfahren aber nur ein allgemeineres Problem deutlich gemacht. Denn mit Kanonen wird nicht nur auf den Spatz in Gestalt der Journalisten geschossen. Seit Monaten trifft es alle, die sich mit den Geheimdiensten auseinandersetzen wollen, auch im parlamentarischen Raum.
Eine offene Diskussion wird verhindert
Bei den Geheimdiensten, auch beim Verfassungsschutz herrscht insgesamt eine Kultur des Raunens und des Schweigens, die die Auseinandersetzung, die die Demokratie bräuchte, verhindert. Das ist nicht neu. Bereits beim BND-Untersuchungsausschuss vor acht Jahren stritt man sich darüber, ob allen Ernstes bereits veröffentlichte Presseartikel der Geheimhaltung unterliegen sollten. Beim NSA-Untersuchungsausschuss vervielfältigt sich das Problem: Hier wird die laufende Praxis der Dienste hinterfragt. Und über eben die darf kein Abgeordneter reden, kein Mitarbeiter, kein Experte. Was die Journalisten von netzpolitik.org veröffentlicht hatten, das war der Plan des Bundesverfassungsschutzes, das Internet umfassender zu beobachten – spezialisierte Stellen und Mittel inklusive. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion muss darüber diskutiert werden. Und zwar gerade im Interesse des Verfassungsschutzes selbst. Immerhin könnte der sich dann einer offenen Diskussion auch stellen.
Das verhindern nicht nur die Dienste, die sich da vielleicht auch selbst zu nah sind. Das verhindert das Innenministerium, das verhindert das Kanzleramt, das seit langem raunend mit Strafanzeigen droht. Wenn hier Schwarzer Peter gespielt wird, dann spielt der Generalbundesanwalt zwar mit. Aber bevor der zurücktritt, sollten noch so einige diese Karte auch ins Blatt bekommen. Auch die Kanzlerin.