Auf Zucker!
Wirkt Zucker wie eine Droge? Einige Wissenschaftler behaupten, dass unsere Körper vom süßen Stoff abhängig sind - ähnlich wie bei Nikotin oder Alkohol.
So ... drei Tafeln Schokolade, drei Fruchtjogurt im XXL-Becher. Milch, abgelaufen. Milch noch drei Tage haltbar. Marmelade, Erdbeeren, Schokoriegel, Orangenlimonade, Bananennektar. Heute ist Montag, es ist neun Uhr morgens und ich bin auf der Suche nach meinem Frühstück.
Der morgendliche Blick in den Kühlschrank. Die Entscheidung fällt auf die Schokoflocken. Dazu ein Glas Himbeerjogurt. Und immer schwingt der Gedanke mit, dass der Reporter sich vielleicht falsch ernährt.
Ich hab mir Bücher gekauft, in denen steht, dass ich Gift zu mir nehme. Jeden Tag. Hier ein Zitat aus "Zucker - Der heimliche Killer": "Ähnlich wie Nikotin und Alkohol gilt Zucker unter Experten längst nicht mehr als harmloses Genussmittel, sondern als gesundheitsgefährdender Stoff, der zu Abhängigkeit oder gar Sucht führt. Unsere Studien zeigen allerlei Parallelen zwischen dem Heißhunger auf Schokolade, Eiscreme & Co. und dem Verlangen nach einem Drogenkick. (...) Drei Monate dauert die Zuckerentwöhnung. Dann hat sich der Stoffwechsel wieder normalisiert."
Auf einem anderen Buch steht auf der Rückseite "Achtung: Essen kann tödlich sein!". Der Titel: "Das Salz, Zucker, Fett-Komplott. Wie die Lebensmittelkonzerne uns süchtig machen."
"Wir konsumieren mehr industriell hergestellte Lebensmittel und Fastfood als je zuvor. Die Deutschen sind inzwischen die Dicksten in Europa: Über die Hälfte der Erwachsenen sind übergewichtig; ein Viertel sogar fettleibig. Michael Moss öffnet uns die Augen für die skrupellosen Geschäftsmethoden der Nahrungsmittel-Multis. Und bricht ein Tabu, indem er die Gesundheitsrisiken ihrer Produkte mit den Gefahren von Alkohol und Tabak vergleicht. Alarmierend, spannend, zukunftsweisend."
"Fructose ist Gift"
In einem langen Vortrag des amerikanischen Mediziners Dr. Robert Lustig erzählt dieser von einer, wie er sagt, "bitteren Wahrheit":
"Fructose ist Gift. Fructose schädigt die Leber, in derselben Art und Weise wie Alkohol. Ich stehe heute hier um Euch zu rekrutieren. Für einen Krieg gegen schlechtes Essen."
Ja, wie soll man sich denn jetzt richtig verhalten?
Was soll ich noch essen? Ist Zucker wirklich Gift?
Ist unsere Gesellschaft einem süßen Rausch verfallen? Sind alle "auf Zucker"?
Ich glaube, es geht hier um Industriezucker.
Die Spurensuche beginnt in Berlin-Wilmersdorf. Hier wohnt Professor Hubert Olbrich, Jahrgang 1924. Gründer des Berliner Zuckermuseums. Wie kam der Zucker in unsere Gesellschaft?
"Grüße Sie, Herr Professor Olbrich."
"Seien Sie gegrüßt! Kommen Sie bitte rein."
Bis ins Mittelalter hinein gibt es weitestgehend nur den Honig um konzentrierte Süße auf den Tisch zu bekommen. Ab dem frühen 15. Jahrhundert kommt dann der Zucker. Das Zuckerrohr zieht von Melanesien aus seinen Siegeszug an.
Olbrich: "Wir in Europa wussten ja gar nichts davon. Wir haben es ja erst durch die Kreuzzüge kennengelernt. Dass die plötzlich da auf Zucker gestoßen sind. Und die waren so überrascht von diesem Stoff dann nachher, dass jetzt die Neugier geweckt war."
Der Aufstieg des weißen Goldes
Zucker gilt als Wundermittel. Krankheiten soll er heilen - von der Erkältung bis zur Pest. Zur selben Zeit wird das weiße Gold zum Statussymbol für die Herrschaft. Und verwandelt die Zähne von Prinzessinnen und Prinzen in schwarzes Pech. Zuckermäulchen.
Olbrich: "Was so dann an Festen gefeiert wurde. Mit welchem Aufwand Zucker und auch gestalteter Zucker dann nachher. Dass man daraus Figuren gemacht hat. Wie man die dann nachher so als Zeichen der Macht und des Reichtums dargestellt hat. Das haben nur ganz wenige Menschen gekonnt."
Ab dem 16. Jahrhundert werden Kolonien zur Zuckerproduktion gegründet. Gerade in der Karibik. Die Menschen werden versklavt, unter grausamen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Heißer Zuckersaft wurde auf manchen Plantagen zur Folter benutzt. Er wurde den Menschen auf offene Wunden gegossen.
Eine Frau steht irgendwo in der Karibik an einer alten Zuckerpresse.
Er dreht das Zuckerrohr durch die Maschine und dann läuft der Zuckerrohrsaft in diesen Trichter. So wurde das schon früher gemacht, als es hier noch Sklaven gab.
Olbrich: "Das war ein so unmenschliches System gewesen, das es dann zum Aufstand in Haiti kam. Und dann haben die Leute haben dann die Weißen alle erschlagen."
"Man braucht viel Kraft dafür. Die ganze Kraft eines Mannes."
Der süße Saft läuft aus der Zuckerpresse. Und er hat so viele Versprechen. Bis heute.
Es ist jetzt elf Uhr. Ich stehe im Supermarkt, hab mir einen Einkaufszettel geschrieben. Darauf steht: Tomatensoße, Müsliriegel, Kakao, Käse, Bananen, Weintrauben und Eis.
Es ist jetzt elf Uhr. Ich stehe im Supermarkt, hab mir einen Einkaufszettel geschrieben. Darauf steht: Tomatensoße, Müsliriegel, Kakao, Käse, Bananen, Weintrauben und Eis.
Berlin. Haus der Ernährung.
"Was ist das? Deutschlandradio Kultur?"
"Deutschlandradio Kultur, genau."
Zweite Station: der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.
"Ich werde gleich zurückgerufen, ob Sie nach oben kommen sollen oder ob Herr Minhoff runterkommt."
"Alles klar. Dankeschön."
Ein Lobbyverband der Nahrungsmittelhersteller. Eine Verabredung mit Christoph Minhoff. Er ist der Vorsitzende. Früher war er Journalist und Chef des Fernsehsenders PHOENIX.
"Ist denn Zucker für Sie ein Genussmittel oder ein Nahrungsmittel, ein Grundnahrungsmittel?"
Minhoff: "Ähm ... beides! Es ist sowohl ein Grundnahrungsmittel, als auch ein Genussmittel. Es kommt halt darauf an, in welcher Form Sie es gerade zu sich nehmen."
"Welche Verantwortung haben denn Verbraucher und welche Verantwortung haben Sie im Umgang mit diesem Genuss Schrägstrich Grundnahrungsmittel?"
Minhoff: "Na ja, jeder trägt die Verantwortung für sich selbst zunächst einmal."
Die Verbraucher für sich und die Industrie für sich.
Minhoff: "Viele Leute vergessen immer wieder, dass in einer Marktwirtschaft nicht irgendwo eine Kommission zusammensitzt, in einem Politbüro und entscheidet: diese Volksrepublik bekommt so und so viel Schokolade oder so und so viel Brötchen. Sondern dass in einer Marktwirtschaft der Verbraucher sagt, ich kaufe heute das. Und morgen kaufe ich das. Und das, was er nicht kauft, das gibt es dann nicht mehr. Weil es einfach vom Markt verschwindet. Deshalb ist die Frage oft ein bisschen falsch gestellt. Die Verantwortung liegt immer beim Verbraucher, weil er derjenige ist, der über das Produktangebot entscheidet."
Dennoch wird in den diversen Büchern über Zucker vor den Gefahren und Zivilisationskrankheiten, die Zucker angeblich hervorgebracht hat, gewarnt.
Minhoff: "Wenn ich Angstliteratur lesen möchte, dann lese ich lieber einen Krimi. Obwohl es das gleiche Genre ist. Es geht natürlich um Fiktion und es geht natürlich um Angst machen. Wir haben grundsätzlich das Problem, dass es solche sehr erfolgreichen oder oft erfolgreichen Bücher gibt, die auf einer Grundangst aussitzen und die vor allen Dingen psychologisch folgendes erreichen wollen. Sie wollen das allgemein schlechte Gewissen derjenigen, die es nicht schaffen, einem narzisstischen Ideal eines idealen BMI nachzufolgen, eine Erklärung in die Hand zu geben, warum andere dafür Verantwortlich sind, nur nicht Sie selber."
Die Droge Zucker
Dr. Mosetter: "Also mein Name ist Kurt Mosetter."
Dr. Kurt Mosetter kommt aus Konstanz am Bodensee. Er betreut die Fußballnationalmannschaft der USA in Gesundheits- und Ernährungsfragen. Der 50-jährige Arzt ist Mitautor des Buchs "Zucker - Der heimliche Killer". Auf dessen Cover ist eine Pistole aus Zucker abgebildet, die haptisch erfühlt werden kann. So als wäre echt Zucker auf dem Buch.
Mosetter: "Wir möchten aufmerksam machen. Also das ist kein Feldzug gegen den Zucker, sondern wir möchten die Menschen wachrütteln."
"Gibt es denn so eine Art Zuckersucht, die in der breiten Masse angekommen ist auch?"
Mosetter: "Ganz sicher. Und das sehen Sie an der Entwicklung von den Zivilisationskrankheiten. Das bedeutet, vor 50 Jahren gab's eigentlich so Adipositas oder Fettleibigkeit eigentlich sehr, sehr, sehr selten. Und das ist jetzt eine Erkrankung. Man redet nicht von Übergewicht, sondern von extremer Fettsucht. Die hat dramatisch zugenommen. Das ist in der Bevölkerung angekommen. Und die Menschen, die dann dick sind. Die haben keine Chance. Wenn man zu denen sagt: iss weniger! Die können nicht weniger essen. Wenn die weniger essen, kommen sie sofort in den Unterzucker. Die fangen an zu schwitzen, die werden unruhig. Wenn die laufen, wenn die sich bewegen möchten, tut ihnen alles weh. Weil die Energieversorgung nicht ausreicht. Das hat nichts mit Disziplin zu tun und auch nichts mit Disziplinlosigkeit. Die sitzen in der Falle, die kommen da nicht mehr raus. Auch Patienten mit Diabetes. Vorstufe vom Diabetes, das Metabolische Syndrom, die haben einen normalen Zuckerspiegel und viel zu hohe Fettwerte. Weil Zucker in Fett umgebaut wird. Eine hohe Harnsäure, einen hohen Blutdruck. Und man arrangiert sich mit den Verhältnissen. Man nimmt ein Medikament ein und das geht zwanzig Jahre gut und dann kommt der Absturz. Der Absturz ist dann, wenn wirklich die Bauchspeicheldrüse, die immer überfordert war, irgendwann einbricht. Dann hab ich den Diabetes Typ II. Und da braucht's Aufklärung. Deswegen brauchen wir Prävention. Prävention gibt es nur über Aufklärung."
Rückfrage bei Christoph Minhoff, Vertreter der Ernährungsbranche.
"Was sagen Sie den Leuten, die sagen, Zucker löst solche Dinge aus?"
Minhoff: "Der Weltfrieden fehlt noch und ich überleg gerade noch, wofür der Zucker noch alles verantwortlich sein kann. Wissen Sie, Menschen, die immer monokausale Erklärungen für das Unglück dieser Welt haben, sind meistens diejenigen, die am Ende das Unglück der Welt auslösen. Ich finde bemerkenswert, dass bei dem Thema permanent auf Studien zurückgegriffen wird, für die es selbstverständlich auch immer eine Gegenpositionierung gibt. Die selber behaupten auch in der Regel nicht, dass tatsächlich ihre Belege evident sind. Sondern sie stellen Vermutungen an. Sie bringen Kausalzusammenhänge, die in Wirklichkeit oft nur Scheinkorrelationen sind. Und sie beziehen sich vor allen Dingen in aller erster Linie oft auf Verhältnisse in anderen Ländern und nicht in Deutschland. Denn bei uns sind die Zahlen eindeutig und die entsprechen nicht dem, was dort gerne als Verweis genannt wird."
Zucker - der Dickmacher
Es fliegen viele verschiedene Zahlen durch die Luft. Und jeder kann sich die nehmen, die er gerade braucht: Die "Deutsche Gesellschaft für Ernährung" gibt an, das zwei Drittel der deutschen Männer und mehr als die Hälfte der Frauen zu viel wiegen. In ganz Europa habe sich die Anzahl der Fettleibigen oder Adipösen in den letzten 30 Jahren verdreifacht. In verschiedenen Zeitungen steht: "15 Prozent der Kinder sind übergewichtig. 50 Prozent mehr als noch in den 90ern. 6,3 Prozent der Kinder sind fettleibig". Als Ursache wird vor allem der Konsum von Zucker angeführt. Für die Wirtschaft eine Scheinkorrelation. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen Übergewicht und Zucker. Christoph Minhoff sagt: "Die übergewichtigen Menschen essen gar nicht mehr Zucker als die Menschen mit Normalgewicht".
Eine andere Zahl: "Der Zuckerkonsum hat sich weltweit innerhalb von 50 Jahren verdreifacht. Er liegt derzeit bei 165 Tonnen weltweit. Von der "Wirtschaftsvereinigung Zucker" heißt es: "Der Zuckerabsatz ist seit 40 Jahren auf dem gleichen Niveau."
"Ich als Verbraucher bin völlig verwirrt, weil jede Studie hat ja eine Gegenstudie. D.h. Sie sagen das ist so."
Mosetter: "Eines ist gewiss. Das sind nicht die Gene."
"Dann geh ich zur Zuckerindustrie und die sagt mir:"
Minhoff: "Das Kernproblem ist: Ich habe eine genetische Vorbelastung."
"Und dann stehe ich als Verbraucher so mitten auf der Lichtung und frag mich so: Wem soll ich jetzt glauben?"
Minhoff: "Glauben Sie zunächst einmal ihrem eigenen Instinkt. Natürlich ist man verwirrt. Ja, es gibt ... In bestimmten Bevölkerungsgruppen ist Adipositas ein Problem. Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie sich eine Welt malen, in der Sie hoffen durch die Eliminierung eines Faktors würde jetzt alles gut. Und dann machen sie das, in Anführungsstrichen und am Ende haben Sie das gleiche Ergebnis. Das Kernproblem ist: entweder ich habe eine genetische Vorbelastung. Was übrigens ziemlich zynisch ist, diesen Menschen zu sagen: Hey, nimm mal ab. Oder iss mal weniger Zucker. Weil es aufgrund der genetischen Vorbelastung ein permanentes Rennen gegen sich selber ist, was man nie gewinnen kann. Das ist ziemlich zynisch, finde ich. Zum Zweiten geht es um die simple Tatsache wenn ich mehr Energie zunehme, als ich verbrauche, wird der Körper irgendwann sagen: Hey, ich leg hier mal ein Depot an für schlechte Zeiten."
Der Mediziner spricht dagegen von Zivilisationskrankheiten. Von Muskelschmerz, Diabetes Typ II oder Alzheimer. Ausgelöst vom Zucker.
Mosetter: "Und diese ganzen Erkrankungen haben genauso, wie vorhergesagt, stark zugenommen. Eines ist gewiss, das sind nicht die Gene. Wenn allerdings unser Genom falsch behandelt wird, wenn Sie mit einem Hammer auf dem Auto herumknüppeln, dann schadet das dem Auto und so geht's unserm Genom, wenn zu viel Zucker da ist. Also Frage ans Publikum: Was glauben Sie? Wie viel Ihrer Gene sind es, die sich in den letzten tausend Jahren verändert haben? Oder wie viele Ihrer Gene sich in den letzten hundert Jahren verändert haben? Null Komma Null. Gar nichts. Das bedeutet, die Gene sind noch gleich. Aber die Krankheiten haben zugenommen."
Guter Zucker - schlechter Zucker
Zucker zählt zu den Kohlenhydraten. Sie sind der Treibstoff für unser Gehirn. Hier wird unter anderem zwischen Mono-, Di- und Polysacchariden unterschieden. Die Einfach- und Zweifachzucker gelten als kurzkettige Kohlenhydrate. Unter ihnen ist auch die Saccharose, unser Haushaltszucker. Sie zählen zu den weniger gesunden Zuckern, weil sie zu einem schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels führen. Anders als die Mehrfachzucker. Zu ihnen zählen Stärke und Ballaststoffe. Die komplexen langkettigen Kohlenhydrate müssen vom Körper erst in Monosaccharide umgewandelt werden und werden dann deutlich langsamer vom Körper aufgenommen. Außerdem wird dabei mehr Energie verbraucht.
Mosetter: "Gute Zucker - Heidelbeere, Himbeere, Brombeere, Rhabarber, Avocado - die geben Ihnen Energie, die belasten die Leber viel weniger und die jagen auch das Insulin nicht so in die Höhe. D.h. sie geben über einen längeren Zeitraum gute Energie. Und gute Zucker sind zum Beispiel auch in den Linsen oder Kichererbsen. Diese Hülsenfrüchte, lange genug verkocht, die haben lang-kettige, wertvolle Kohlenhydrate. Morgens, mittags auch Reis. Der gibt langfristig Energie, jagt das Insulin nicht in die Höhe und das sind gute Zucker. Weil sie den Körper weniger belasten."
Der Zucker kommt in unser Blut und gibt das Signal, dass er sofort in die Zellen soll. Insulin heißt der Schlüssel, der dafür die Tür öffnet. Über einen Glucosetransporter kommt der Zucker dann in die Zelle. Dort wird er in Energie umgewandelt. Ist zu viel Zucker da, sagt Kurt Mosetter, dann hängt dieser an den Zellmembranen, an Nervenzellen oder Neurotransmittern. Die Schlüssellöcher an den Zellen sind verklebt. Das Insulin wird in Übermaßen produziert. Die Folge: die Leber baut den Zucker in Fett um.
Mosetter: "Der schlimmste Zucker ist eigentlich der Fruchtzucker, der aus Maissirup gewonnen wird. Das ist der günstigste. Der ist auch in allen Süßgetränken. Und dieser Fruchtzucker, der hochkonzentrierte Fruchtzucker, der schadet der Leber. Der jagt die Harnsäure hoch. Der macht einen hohen Blutdruck. Also ein Löffel Zucker macht dann schon einen hohen Blutdruck. Der belastet die Gefäße. Der macht eine schleichende stille Entzündung. Den Zucker aus Süßgetränken, den lohnt es sich zu vermeiden. Der ist garantiert toxisch. Und da gibt's 'ne schöne Arbeit, auch in den Bibeln der Medizin, 'The toxic truth about sugar'. Also das zu viel Zucker, zu viel Fruchtzucker und zu viel Fruchtzuckerextrakt tatsächlich für die Leber toxisch ist. Insulin in die Höhe jagt und dann kommt man in die Falle."
Es ist jetzt drei, also 15 Uhr. Ich hab vor einer guten Stunde Mittag in der Kantine gegessen. Irgendwas mit Nudeln. Aber jetzt hab ich total Heißhunger auf einen Schokoriegel. Der 1,50 Euro kostet.
Potsdam. Zu Gast bei Professor Heiner Boeing. Leiter der Abteilung Epidemiologie im Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Der Versuch herauszubekommen, ob Zucker wirklich schädlich ist oder nicht.
Boeing: "Natürlich kann man weiterhin Zucker essen, weil Zucker selber macht ja nicht krank. Aber Zucker hat auf der anderen Seite gegenüber anderen Lebensmitteln sagen wir mal doch einige Nachteile, über die man dann als Verbraucher wiederum nachdenken sollte. Zucker hat bspw. eine relativ niedrige Nährstoffdichte. Übergewicht entsteht ja dadurch, dass man eine gestörte Energiebilanz hat. D.h. also das man mehr an Energie aufnimmt, als man als Energie ausgibt. Und die Energieausgabe ist ja die körperliche Aktivität."
Will sagen: Wer zu viel Zucker isst und sich zu wenig bewegt, wird fettleibig. Und diese Fettleibigkeit führt zu Folgeerkrankungen. Forscher der Berliner Charité haben im Herbst 2013 eine Studie veröffentlicht, wonach durch den Entzug von Zucker Tumorzellen vernichtet werden können, die eine Chemotherapie überstanden haben.
Der Grund: Ihr Energiestoffwechsel wird gestört. Eine klinische Studie soll folgen. Könnte das der Beweis dafür sein, das Zucker an Krebserkrankungen eine Mitschuld trägt?
Der Grund: Ihr Energiestoffwechsel wird gestört. Eine klinische Studie soll folgen. Könnte das der Beweis dafür sein, das Zucker an Krebserkrankungen eine Mitschuld trägt?
"Durch Zucker wird man nicht zuckerkrank"
Boeing: "Wir haben ja selber Studien dazu gemacht. Also große bevölkerungsbezogene Studien. Und haben eben keine Beziehung gesehen. Wir haben also auch seitens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung also sämtliche Studiendaten ausgewertet und haben auch keine Beziehung gesehen. Sodass mich der Befund also überrascht. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass Zucker ... also das wir auch keine Hinweise haben, dass Zucker per se oder die Aufnahme von Zucker per se also irgendwie das Risiko von Erkrankungen besonders beeinflusst. Also simpel gesagt, durch Zucker wird man nicht zuckerkrank."
Wenn die meisten Menschen bislang noch an eine Wahrheit geglaubt haben, dann an die, dass Zucker zuckerkrank macht.
Boeing: "Ich denke, wir haben doch ein ganz berühmtes Beispiel. Nämlich eine Klage. Also jemand, der sehr viel Cola zu sich genommen hat, also Diabetes bekommen hat, dann also die Firma verklagt hat und da ist es zu einem Gerichtsprozess gekommen. Und das war relativ klar, dass die Evidenz also nicht da ist, also das es da eine direkte Verbindung gibt."
"Auf der anderen Seite muss man natürlich sehen, dass Zucker insgesamt, dass Zucker natürlich auch Bestandteil des Lebensstils ist. Also auch Zucker... und das man natürlich überlegen sollte, also wie man dann den Lebensstil gestaltet. Und aus meiner Sicht gehört Zucker selber auch zu den Elementen im Lebensstil, über die man nachdenken sollte."
"Also dass wir eine bestimmte Form der Zuckeraufnahme haben, die sagen wir doch eher problematisch ist und bei der wir auch sehen konnten, dass Risiken damit verbunden sind. Das sind nämlich die zuckergesüßten Limonaden."
Was war mit den vielen versteckten Zuckern in Fertigprodukten? Mit dem kleinen Snack zwischendurch? Die Lösung war also wirklich so einfach: Weniger essen oder mehr Bewegung. Nur die Cola und Zitronenbrause sollten wir uns also zukünftig abgewöhnen?
Wir brauchen eine Debatte über Zucker
Boeing: "Das sagt ja auch gerade diese Sendung, dass wir einen gewissen Diskurs in der Gesellschaft brauchen. Also über auch bestimmte Entwicklungen. Also auch darüber, wie können wir das verbessern?"
Minhoff: "Unsere Aufgabe besteht unter anderem darin zu sehen, was wird gesellschaftlich diskutiert."
Christoph Minhoff vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde.
Minhoff: "Also der Alarmismus, den es da gibt, der ist atemberaubend. Also die Behauptung, es gäbe nicht genug Aufklärung, die ist wirklich ein Witz. Das Gegenteil ist der Fall. Und zwar tragen wir dazu auch wesentlich mit bei. Sie können auf unendlich vielen Seiten im Internet, bei kommerziellen Anbietern, mit Apps. Sie kriegen jede Information, die Sie brauchen. Die Leute wissen es. Und ganz nebenbei. Es gibt auch viele Menschen, die wollen es gar nicht wissen. Die sagen einfach: ich esse das, mir schmeckt das. Fertig."
Mosetter: "Wir können niemanden gesund machen. Man kann niemanden zwingen, man kann niemanden verantwortlich machen. Aber man kann einen Appell aussenden. Menschen, überlegt, was Ihr tut! Und tut was für Eure Gesundheit! Ihr seid dafür verantwortlich. Weder der Arzt ist schuld, wenn Sie krank werden und auch nicht die Zuckerindustrie. Sondern ihr eigenes Verhalten. Aber deshalb, Plädoyer: Aufklärung!"
"Zucker in Maßen schadet niemandem"
Es ist jetzt 18 Uhr. Ich bin jetzt in Kiel, hab mich mit Dr. Petra Schulze-Lohmann verabredet. Sie arbeitet für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Mit ihr will ich jetzt über meinen Zuckerkonsum reden.
Frau Schulze-Lohmann sagt, anders als ihr Kollege Heiner Boeing, dass die Krankheit Diabetes auch vom Zucker verursacht wird. Ein Konferenzraum. Hier hält Petra Schulze-Lohmann mit ihren Kolleginnen Schulungen für Kindergärtnerinnen, Köche oder Kantinenchefs ab. Sie gibt Empfehlungen zur Ernährung. Aufklärung, auch zum Thema Zucker.
Schulze-Lohmann: "Mal gelingt es uns gut, mal gelingt es uns schlecht. Wir müssen viele Fortbildungen anbieten und wir müssen immer wieder von vorne anfangen, weil natürlich immer neue Akteure dazukommen, die wir überzeugen müssen. Die Hauptbotschaft ist: Zucker ist zwar nicht gefährlich, aber Zucker ist in so großen Mengen in vielen Lebensmitteln drin, dass er einfach zu verschiedenen Problemen führt. Wie Übergewicht, wie Diabetes. Also grundsätzlich, ich finde, dass muss man auch immer wieder sagen, ja nichts Gemeingefährliches. Der Körper des Menschen ist durchaus in der Lage und braucht ja sogar Zucker, diesen auch nochmal zu verstoffwechseln. Es ist immer nur das gute alte Mengenproblem. Also 'die Dosis macht das Gift' gilt für alles und Zucker in Maßen schadet niemandem."
Ich hab mal versucht in den letzten Wochen so ein Zuckertagebuch zu führen, was ich eigentlich den ganzen Tag so esse.
Der Reporter packt aus: Cola, Eis, Schokoriegel, Fertiggericht, Himbeerjogurt.
Ähm ... wie nah komme ich da Ihren Empfehlungen?
Schulze-Lohmann: "Da sind Sie im Moment relativ weit noch von entfernt würde ich sagen. Da müsste man wirklich mit dem Frühstück schon beginnen und mal konstant den Tagesplan aufrollen. Einhaken würde ich im Grunde genommen beim ersten Latte Macchiato. Wo man den Zucker oft gar nicht merkt. Wo man schon unbewusst schon relativ große Mengen trinkt. Dann hätte ich aber auch beim Jogurt schon eingehakt und gefragt, was Sie für einen Jogurt essen. Denn das sind zum Teil auch wahre Zuckerbomben."
Was bedeutet das für mich?
Schulze-Lohmann: "Wahrscheinlich haben Sie das Doppelte dessen, was gut für Sie wäre. Sie sind jetzt im Moment natürlich noch sehr schlank. Das kann sich dann irgendwann, in 20/ 30 Jahren vielleicht ändern. Zu Ihren Ungunsten. Sodass man da natürlich gucken müsste. Die Zähne sind das, was da auch immer wieder unter Zucker leidet. Und über den Gesamtstoffwechsel, also wenn Sie Übergewicht entwickeln, steigt natürlich auch Ihr Risiko irgendwann an Diabetes zu erkranken."
Oh man, das ist deutlich. Was kann ich denn jetzt machen?
Schulze-Lohmann: "Sie können es lassen. Also wenn wir jetzt anfangen wieder bei dem Jogurt beispielsweise, ist es immer so ein schrittweises Umstellen des Tageskostplans. Dass man schaut, zum Beispiel den Fruchtjogurt gegen Naturjogurt auszutauschen. Also mir geht's immer darum, dass die Leute nicht von jetzt auf gleich alles komplett verändern. Sondern, dass sie sich schrittweise rausschleichen. Damit sie sich mit ihrem eigenen Geschmacksempfinden auch langsam daran gewöhnen. Denn die meisten haben eine Essbiografie, von 20, 30 oder auch 80 Jahren und können nicht von jetzt auf gleich irgendwas komplett verändern."
Manchmal ärgere ich mich auch. Ich scheitere einfach daran, weil ich überhaupt keine Zeit und keine Gelegenheit hab, irgendwie gesund zu essen.
Schulze-Lohmann: "Ich kenne jetzt zwar Ihren Tagesablauf nicht im Detail. Aber das ist so ein typisches Beispiel, was wir auch immer wieder von Eltern hören. Die sagen: Ja, wir können ja gar nicht. Wir sind beide berufstätig. Wir können nicht kochen, es muss alles anders laufen. Da finde ich immer, ich bin auch berufstätig, da muss man Prioritäten setzen. Und da muss man im Zweifelsfall morgens auch eine Stunde früher aufstehen und sich Gedanken darum machen, was man in die Brot-Dose tut vom Kind oder auch in die eigene. Und wie man vielleicht so vorkochen kann, das mittags auch für den freiberuflich tätigen Mann oder wie auch immer schnell was da ist. Was sicherlich auch dazu kommt ist, das viele Leute nicht mehr was wir schön unter 'Koch- und Küchenkompetenz' abfassen. Das sie das nicht mehr haben. Das sie einfach nicht gelernt haben zu kochen und dann ist es natürlich mühsam."
Der Reporter ist mit alledem einverstanden. Aber er wüsste gar nicht, was er einkaufen soll, ohne versteckte Zuckerpakete mit zu kaufen.
Risiko Fertigprodukte
...und weiß überhaupt nicht, was man greifen soll, wenn man nicht die größte Zuckerbombe haben will.
Schulze-Lohmann: "Ja. Da kommen wir wieder auf 'Koch- und Küchenkompetenz'. Dass die Leute da häufig auch nicht wissen, wo der Zucker drin steckt. Also beim Ketchup hat es sich zwar jetzt langsam herumgesprochen. Aber das ist so ein klassisches Beispiel. Wenn ich nie selber mal mit Tomaten irgendwas gemacht hab. Tomatensoße oder so was. Wenn ich das normalerweise selber mache, merke ich schon an den Fingern, das da normalerweise Säure drin ist. Weil es irgendwo immer brennt. Und wenn ich es schmecke, dann ist es erst mal stocksauer. Wenn ich das nie selber gemacht habe, dann erfahre ich auch gar nicht, wo Zuckerquellen drin sind. Ich glaube, um dem zu entgehen, muss man doch deutlich mehr Lebensmittel wieder selber herstellen. Also Fertigprodukte sind dort einfach immer ein Risiko."
Doch wie können wir verhindern, dass es von Anfang an nicht zu einem übermäßigen Zucker-Konsum kommt?
Schulze-Lohmann: "Im Grunde genommen sollte es so sein, dass Kinder ganz früh lernen eine bestimmte Menge an Süßigkeiten selbst zu verwalten. D.h. sie kriegen pro Woche, ich sag jetzt mal eine Tüte Gummibärchen oder was auch immer man als Maß nimmt und die können sie entweder an einem Tag aufessen oder sie lernen eben sich das zu verteilen und da sieben Tage mit hin zu kommen. Und das vielleicht auch Mal mit Freunden zu teilen. Dass man einfach einen sinnvollen Umgang lernt. Es gibt ja auch inzwischen Familien, die sagen, wir leben zuckerfrei. Gerade die Kinder leben zuckerfrei. Das sind aber die Kinder, die beim nächsten Kindergeburtstag die anderen überfallen, weil sie eben nahezu auf Entzug sind. Das ist sicherlich nicht die Lösung. Und das muss natürlich vorgelebt werden. Also das, denke ich, ist auch immer so ein Problem, dass Kindern gesagt wird: für Dich gibt's nichts mehr und wenn die morgens aus dem Bett kommen, sehen sie das Schokoladenpapier, das die Eltern abends hinterlassen haben. Das ist schlecht. Also Kinder leben ja nach ihren Vorbildern und die müssen dann ihrer Rolle auch gerecht werden."
Also das Papier rechtzeitig wegräumen.
Schulze-Lohmann: "Heimlich essen ist dann die Lösung, genau."