Ernährung

Das Fleisch der Zukunft hat sechs Beine

Ein Mann schiebt sich einen Dominowürfel mit Grille
Mehlwürmer könnten als Alternative zu Fischmehl in der Tiermast eingesetzt werden - oder für den Menschen. © picture alliance / dpa
Von Volkart Wildermuth |
Statt Kunstfleisch entdecken Ernährungsforscher in Europa jetzt Insekten. In Afrika, Südamerika und Asien stehen Krabbeltierchen längst auf den Speisekarten - und auch hierzulande werden sie sich durchsetzen, meinen Experten.
"Heute mache ich Ihnen ein bisschen Pasta mit den Grashüpfern. In die Sauce gehen die Mehlwürmer rein und man kann den Mehlwurm richtig sehen.Das sind trockene Grashüpfer. Ich muss mal die Flügel abnehmen und ein bisschen die harten Teile."
Bei diesem Anblick muss ich dann doch schlucken. Dabei bin ich extra nach Wageningen gefahren, um Insekten zu kosten. Im "Restaurants der Zukunft" wirft Chefkoch Johan Verbon die Grashüpfer in die Pfanne, ohne Beine und Flügel, aber samt dem Kopf mit den großen Augen.
"Und jetzt gehen wir an die Sauce machen. Ich hab hier ein bisschen Knoblauch, eine Zwiebel, ein bisschen frische Kräuter. Man braucht so viele Mehlwürmer wie man normalerweise Hackfleisch braucht."
Würmer im Großhandel
Die Mehlwürmer und Grashüpfer sind getrocknet. In den Niederlanden werden sie in kleinen Plastikdosen im Großhandel verkauft. Wie jedes andere Lebensmittel auch hygienisch verpackt und mit kompletter Nährwerttabelle. Johan Verbon gibt Sahne an die Sauce, die Mehlwürmer saugen sie auf, sind jetzt doppelt so groß. Sicher zwei Zentimeter lang gucken sie zwischen den Tagliatelle heraus.
"Fertig, ich tu mal ein bisschen Sahne dazu. So fertig, wollen Sie mal probieren?"
Natürlich, die Würmer zwischen den Nudeln sind ungewohnt hart im Biss, ansonsten ist die Sauce ausgesprochen lecker. Ihr Geschmack wird von den Kräutern dominiert, das besondere Aroma der Insekten lässt sich von Laien nur erahnen.
"Ein bisschen mehr süß wie Hackfleisch. Es ist ein guter Beigeschmack wie frische Nüsse oder frische Karotten oder so etwas."
Insekten auf dem Teller? Für Europäer gewöhnungsbedürftig. Fast überall sonst auf der Welt stehen sie auf der Speisekarte. In Afrika zum Beispiel gilt der Mopane-Wurm als besondere Delikatesse. Auffällig rot-schwarz-weiß gemustert, ähnelt er in Größe und Gewicht Nürnberger Würstchen, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Nomusa Dalamini vom Rat für Grundlagen- und Industrieforschung in Südafrika.
Viel Eiweiß und viel Energie
"Wir haben den Proteingehalt gemessen und der ist höher als bei Rindfleisch oder Hühnchen. Mopane-Würmer liefern auch Energie. 100 Gramm enthalten 440 Kilokalorien."
Die Würmer sind so beliebt, dass sie gesammelt und in die Städte geliefert werden. Auch in Europa werden Insekten bald regulär auf der Speisekarte stehen, davon ist Arnold van Huis überzeugt. Der Entomologe hat an der Universität Wageningen ein Zentrum zur Forschung an essbaren Insekten gegründet.
"Wenn man darüber nachdenkt, gibt es viele Gründe Insekten zu essen. Sie sind nahrhaft, enthalten viel Eiweiß, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe und Vitamine. Da sind sie so gut wie Fisch oder Fleisch. Sie sind auch effektiv, für das gleiche Futter erhält man viel mehr Fleisch als bei den gewöhnlichen Nutztieren. Außerdem kann man sie auf organischem Abfall züchten. Es wäre dumm, diesen Weg nicht zu gehen."
"Van de Ven" im niederländischen Deurne hat diesen Weg schon beschritten. Bei meinem Besuch rütteln Mehlwürmer über eine Siebanlage, um sie von den Nährflocken zu befreien. Der Betrieb produziert jede Woche anderthalb Tonnen Mehlwürmer. Die meisten gehen an Reptilienzüchter und an Zoos, aber immer öfter werden auch Restaurants beliefert. Mariam Peters führt durch den Betrieb. Sie nimmt einen Plastikkasten und zeigt mir den beweglichen Teppich aus Mehlwürmern.
"Wenn Sie hineinfassen, fühlen Sie an der Hand die Bewegung der vielen kleinen Larven. Das ist wie eine Mikromassage."
Würmer ernähren sich von billigem Futter
Als ich meine Hand in die Würmer stecke, spüre ich ein trockenes Kribbeln - durchaus angenehm. Die Würmer ernähren sich von billigem Futter, den Hüllen von Weizenkörnern, die bei der Mehlproduktion als Abfall anfallen. Dazu kommen noch ein paar Karotten, über die die Insekten ihren Flüssigkeitsbedarf decken. Seit "Van de Ven" auch Restaurants beliefert, gelten die strengen Auflagen des Lebensmittelrechts. Aber der Einsatz lohnt sich.
"Wir bekommen für zehn Kilo Futter fast acht Kilo Mehlwurm. Bei einem Schwein erhält man für die gleiche Menge Futter nur drei Kilo. Wie gesagt, sehr effizient, das lohnt sich für Unternehmer."
Mariam Peters vermutet, dass ihre Mehlwürmer den Verbraucher vorerst vor allem indirekt erreichen werden, als hochwertiges Eiweißfutter für Hühnchen oder Fische. Aber Arnold van Huis ist überzeugt - eher früher als später - werden die Kunden auch ganz gezielt zu Insekten greifen.
"Rindfleisch wird immer teurer werden. Wenn ein BigMac erst einmal 100 Dollar kostet, und ein Käfer-Burger nur fünf, dann werden die Leute die Insekten lieben."