Ernährungslügen und Esskultur

Mit dem Maßband ins Fischgeschäft

09:20 Minuten
Das Bild zeigt ein Fischgeschäft in Bologna, Italien. In der Auslage liegt der Frischfisch, ein Verkäufer reicht einer Kundin eine Tüte.
Fisch, heißt es, ist gesund. Wer hier einkauft, macht also alles richtig. © picture alliance / StockPix / Andrew Wilson
Manfred Kriener im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Mit Ernährungslügen und dem Wandel der Esskultur beschäftigt sich das Buch "Lecker-Land ist abgebrannt" von Manfred Kriener. Darin geht es um die Tücken des Einkaufens und Kochens. Man müsse wieder "Herr über den eigenen Teller werden", fordert der Journalist.
"Lecker war mal bestimmt ein sehr schönes Wort, das auch passend war, um zu beschreiben, was gut schmeckt", sagt der Journalist und Buchautor Manfred Kriener. "Aber inzwischen ist es zu einer Allerweltsvokabel geworden."
Dass schon beim ersten Bissen ein "lecker", "total lecker" oder sogar "mega lecker" folge, sei wie eine Epidemie. "Ich habe manchmal das Gefühl, die Leute haben nichts anderes mehr zu sagen außer diese eine Vokabel, deshalb hat mich das immer schon etwas geärgert."
Beim Nachdenken über den Titel für sein neues Buch ("Lecker-Land ist abgebrannt") sei dann gerade ein Lastwagen der Firma "Lekkerland" um die Ecke gefahren.

Industrielle Tierhaltung unter Druck

Wenn man über Ernährung schreibe, könne man den Lesern auch einiges zumuten, findet Kriener. Wobei er Positives ebenso erwähnt – so wertet der Autor den Rückgang beim Verzehr von Fleisch als gute Entwicklung. Der Druck auf die industrielle Tierhaltung habe zugenommen.
Auch wenn manches bizarr und schrill erscheine, verändere sich die Ernährung derzeit inzwischen bis in das letzte Dorfgasthaus in Bayern. "Das über den Tellerrand wabernde Schnitzel ist nicht mehr alleinseligmachende Speise."
Leider kochten nur noch rund 40 Prozent der Leute selbst. Die anderen verpflegten sich anderweitig und häufig außer Haus oder kauften Fertiggerichte.

Herr über den eigenen Teller

Diese Lebensmittel, die mit Zusatzstoffen, Kunstaromen, Geschmacksverstärkern und sehr viel Zucker angereichert seien, seien alles andere als gesund. Sein Buch wolle zwar kein Ratgeber sein, aber er empfehle allen, selbst zu kochen und jeden "Industriefraß" zu vermeiden, so Kriener. "Das ist eine ganz wichtige Strategie, dass man wieder Herr wird über den eigenen Teller."
Es sei aber inzwischen schwierig, das Richtige einzukaufen, bestätigt Kriener. Wenn, dann wollten die Leute natürlich auch alles richtig machen. Er habe schon Kunden beobachtet, die im Fischgeschäft mit einem Maßband aufgetaucht seien.
Bei manchen Menschen habe das Essen schon fast religiöse Züge, findet der Autor. "Man isst nicht vegan, sondern man lebt vegan", sagt Kriener. Das sei bereits ein Identitätsmerkmal. Die Leute redeten ständig über das Essen, das eine riesige Bedeutung bekommen habe.

Moralkeule in der Tasche

"Wenn man mit der Moralkeule in der Tasche einkaufen geht, ist das auch nicht immer gut." Deshalb plädiere er für mehr Gelassenheit – beim Einkaufen könnten nicht alle moralischen und ethischen Gesichtspunkte ständig mitgedacht werden.
(gem)

Manfred Kriener: "Lecker-Land ist abgebrannt. Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur"
Hirzel Verlag, Stuttgart 2020
238 Seiten, 18 Euro

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