Ernst Ulrich von Weizsäcker

"Wir brauchen wieder Balance zwischen Umwelt und Wirtschaft"

Der Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker
Der Wissenschaftler Ernst von Weizsäcker im Gespräch © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Moderation: Susanne Führer |
Egoismus, Individualismus, Marktorientierung: Die ökologischen Probleme des Globus werden sich weiter verschärfen, weil wir ihnen zu wenig Beachtung schenken, fürchtet der Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker. Er sieht die Welt in einer "philosophischen Krise".
Wie lassen sich Ökologie und Ökonomie sinnvoll verbinden? Das beschäftigt Ernst Ulrich von Weizsäcker seit Jahrzehnten. Er gehört zu den Vordenkern der deutschen Umweltpolitik und hat zahlreiche Bücher über seine Kernforderung des nachhaltigen Wirtschaftens geschrieben:
"Meine gegenwärtige Idee ist die, dass man zum Beispiel Energie, Wasser und Mineralien jedes Jahr um gerade so viel Prozent teurer macht, wie im vorhergehenden Jahr die Effizienz zugenommen hat. Also nehmen wir mal an, die deutsche Autoflotte wird im Jahr 2017 genau ein Prozent effizienter im Durchschnitt, also braucht weniger Treibstoff oder Strom. Dann wird die Fahrenergie im Jahr 2018 um genau ein Prozent teurer plus Inflation.
Und das heißt dann, der gefahrene Kilometer wird dann im Durchschnitt nicht teurer. Wer dann noch jammert, gehört einfach zu denjenigen, die zu faul sind, sich einigermaßen mit dem Fortschritt zu bewegen."

"Nichts ist unpopulärer als die Ökosteuer - dabei ist die vernünftig"

Der 77-Jährige ist ein Sohn des berühmten Kernphysikers und Kulturphilosophen Carl Friedrich von Weizsäcker. Wie sein Vater studierte er Physik, promovierte aber in seinem Lieblingsfach Biologie. Als Professor lehrte er an deutschen und amerikanischen Universitäten. Er initiierte und leitete von 1991 bis 2000 das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Und er zog als langjähriges SPD-Mitglied 1998 in den Deutschen Bundestag ein. Sieben Jahre machte er sich dort für den Umweltschutz stark:
"Es gibt in der populistischen Kultur nichts Unpopuläreres als eine Ökosteuer. Dabei ist das das Vernünftigste. Das ist das, was unsere Enkel von uns verlangen würden."
Für sein Lebenswerk bekam er 2008 den Deutschen Umweltpreis. Seit vielen Jahren gehört er zum Club of Rome, einer gemeinnützigen Organisation aus Experten verschiedenster Disziplinen aus mehr als 30 Ländern, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Seit 2012 ist er der Ko-Präsident des Club of Rome und erarbeitet derzeit einen neuen Bericht:
"Und da stellen wir erst mal fest, dass die heutigen Vorstellungen von nachhaltiger Entwicklung für die Ökologie nicht viel übrig haben. Wenn man sich die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen anguckt, dann ist das im Wesentlichen begreiflicherweise die Überwindung von Armut, von Hunger, von Arbeitslosigkeit und so weiter. Aber wenn das für 7,5 oder eines Tages für neun Milliarden Menschen erfüllt wird, dann ist für Klima, Ozeane und ökologische Vielfalt fast kein Spielraum mehr. (...)

"Auf die richtigen Fragen die falschen Antworten"

Und dann sagen wir: Wir haben eine philosophische Krise, indem wir auf die richtigen Fragen die falschen Antworten geben. Und wir brauchen eine Art von neuer Aufklärung. Die bisherige Aufklärung ist verkommen in eine Aufklärungslehre für Egoismus, Individualismus, Märkte – und ich weiß nicht was alles –, die die ökologische Krise immer weiter verstärken. Die neue Aufklärung braucht wieder Balance zwischen Umwelt und Wirtschaft. Sie muss natürlich auch mit dazu führen, dass die Bevölkerung sich endlich stabilisiert. Und sie muss auch philosophisch - bis hin zu religiös - wieder vom Prinzip der Balance ausgehen statt des Dogmatismus."
Seinen Optimismus habe er sich bis heute bewahrt und auch mit 77 Jahren möchte er sich weiter engagieren:
"Also ich meine, wenn ich da Trübsinn blasen würde, würde es ja alles nur noch schlimmer. Insofern finde ich es allein schon methodisch vernünftig, sich erst mal anzugucken, was können wir denn wirklich machen."
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