"Was in Garzweiler passiert, ist quantitativ irrelevant"
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Während Deutschland über Modalitäten des Kohleausstiegs streitet, werden weltweit 1380 neue Kohlekraftwerke gebaut. Der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker mahnt: "Wir müssen die Entwicklungsländer aufs Boot holen."
Als andere noch voll einem blinden Glauben an Fortschritt durch Technik anhingen, hatte Ernst Ulrich von Weizsäcker bereits Umweltfragen im Blick: etwa als Direktor am UNO-Zentrum für Wissenschaft und Technologie Anfang der 1980er-Jahre. Oder als Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik (1984-1991) und als Co-Präsident des Club of Rome (2012-2018).
Heute wird der Physiker und Umweltwissenschaftler 80 Jahre alt und begrüßt den "großen Ruck", der durch die junge Schwedin Greta Thunberg beim Klimaschutz durch die Welt gegangen ist: "Wir merken, Klima ist nicht eine Sache für die nächsten drei Generationen, sondern von heute."
"Klima ist ein Weltthema"
Entscheidend ist für von Weizsäcker aber, dass Klima als "Weltthema" begriffen wird.
"Da macht Deutschland seinen Beitrag und der Kohleausstieg ist einigermaßen beschlossen, aber das ist quantitativ nicht wahnsinnig relevant." Denn gleichzeitig würden weltweit 1380 neue Kohlekraftwerke gebaut oder geplant. Hier müsse man vor allem die Entwicklungsländer ins Boot holen:
"Denn 90 Prozent von diesen 1300 Kohlekraftwerken finden natürlich in den Entwicklungsländern statt."
Man müsse den Entwicklungsländern helfen, "dass es dort lukrativer wird, das Kohlekraftwerk nicht zu bauen und stattdessen die erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu beschleunigen", fordert von Weizsäcker. Und dann müssen wir eine Art von Treibhausgashandel installieren, sodass die Philippinen oder Paraguay oder so reicher werden, wenn sie das Kohlekraftwerk nicht bauen."
Warnung vor Gene Drive
Von Weizsäcker warnt weiterhin vor einem blinden Glauben an Technik und Technologie. Zum Beispiel in der Biotechnologie. Dort sei es mit der sogenanten "Gene Drive"-Methode inzwischen möglich, ganze Tierarten auszurotten. "Und das nun in den falschen Händen – das stelle ich mir sehr besorgniserregend vor. Theoretisch kann man da auch Menschen ausrotten."
Hier müsse man wahnsinnig aufpassen und auch das Thema Technikfolgenabschätzung wieder ernst nehmen, mahnt der Umweltaktivist.
"Wir müssen daran denken: Was richten wir eigentlich an? Das ist eine moralische Frage und dann eine praktisch-politische."
(uko)