Erntedesaster in Brandenburg

Selbst für Spreewaldgurken zu nass

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Gurken - der Klassiker des Spreewalds kommt jetzt wieder vom Feld in die Gläser. © Deutschlandradio / Vanja Budde
Von Vanja Budde |
Frost im Frühjahr und Dauerregen haben den Brandenburger Gurken- und Obstbauern übel mitgespielt. Die Verluste sind groß, für manch einen Betrieb existenziell bedrohlich. Hilfe von der Landesregierung und der EU ist kompliziert zu beantragen - und dauert ewig.
Der Gurkenflieger wendet und rattert in Richtung Horizont davon. 26 Erntehelfer aus Rumänien und Polen liegen bäuchlings auf dem von einem Trecker gezogenen Gestell. Sie pflücken die Gurken im Drüberfahren. Darum wird das Konstrukt "Gurkenflieger" genannt.
In diesem Sommer konnte aber vom Fliegen oft keine Rede sein, berichtet Heinz Peter Frehn, Chef des gleichnamigen Gurkenhofes in Schöneiche im Spreewald.
"Wir sind eben an einer Fläche vorbeigefahren, wo durch diese Starkniederschläge das Wasser in den Senken zusammengelaufen ist. Da mussten die Leute vom Flieger absteigen und dann mit Hand das ernten, deswegen sind die Pflanzen da auch noch eher weg gewesen, weil die dann zertrampelt werden.
Und wir haben auch diese Fahrgassen, diese Fahrspuren teilweise so retten müssen, dass wir da Knüppeldämme eingebaut haben quasi, um da rüberzufahren, diese fünf oder zehn Meter, wo dieses Loch ist, sonst wären die Schlepper und die Hänger dann da abgesoffen jedes Mal."

Ein verhageltes Jahr

Heinz Peter Frehn ist ein besonnener Mann, er neigt nicht zu Wutausbrüchen. Dass vor ein paar Tagen auch noch der Hagel seine Felder heimsuchte, berichtet Frehn mit stoischer Gelassenheit. Dabei war der Hagel so schlimm, dass vorgestern die Versicherung auf dem Hof war, den Schaden abzuschätzen. Ein übles Jahr. Das ganze Gurken-Ernte-Elend fing schon früh an:
"Wir hatten ja zwischen Ostern und dem 4. Mai neunmal Frost hier bei uns, was sie gut überstanden haben, solange die unter der Folie gestanden haben, also wo die Wärme der Erde noch ein bisschen hochzieht. In dem Moment am 4. Mai allerdings, als wir dann abends die Gewitterschauer kriegten und dann dieses Vlies runtergedrückt wurde auf die kleinen Pflänzchen, kam dann nachts noch eine aufklarende Wetterlage, die auch zu Frost geführt hat von vier Grad. Dann saßen diese Pflänzchen genau unter dem Vlies und wurden dann von dem Frost natürlich zerstört."
Und zwar zu 100 Prozent in den Frostlagen. Für etwa 50.000 Euro musste Frehn neue Gurken-Pflänzchen bestellen, um die Lücken nachzupflanzen. Das war mit viel Arbeit seiner mehr als 600 Saisonkräfte verbunden: Das ganze Vlies musste wieder runter. Und den Leuten muss er neuerdings den Mindestlohn bezahlen. Dann kam der Regen. Und mit der Feuchtigkeit der Falsche Mehltau, ein gefürchteter Pilz.
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Der Gurkenbauer Peter Frehn© Deutschlandradio / Vanja Budde
"Und der zerstört einfach sehr schnell die Pflanzen, und dann ist der Ertrag weg, weil die Blattmasse für die Gurkenpflänzchen fehlt und damit auch die Ertragsbildung."
Frehn baut auch Bio-Spreewaldgurken an, die darf er nicht mit Fungiziden spritzen. Das Ergebnis ist hier auf dem Feld zu besichtigen: Die Gurkenblätter sind löchrig, blass, spröde und trocken wie Papier.
Heinz Peter Frehn, Vorstand im Landesverband Gartenbau, bückt sich und klaubt ein, zwei traurige Gürkchen aus den knirschen Blättern. Aus den Gurken hier auf diesem großen Feld kann er nur noch Saft pressen. Dabei braucht er eigentlich 30 Tonnen Bio-Einmachgurken, um seine Verträge mit dem Großhandel zu erfüllen. Keine Chance in diesem Annus horribilis.
Wenn der Gurkenhof Frehn nicht so breit aufgestellt wäre, er auch Johannisbeeren, Sanddorn und Aronia anbaute – dann würde es ihm 2017 wirtschaftlich an den Kragen gehen.

Kälteschock für zarte Blüten

Den Obsthof Lindicke bei Werder, Brandenburgs traditioneller Gartenbau-Region, hat es auch schwer erwischt. Um den 20. April rum gab es hier einige sehr kalte Nächte, bis zu minus sieben, minus acht Grad. Kälteschock für die zarten Blüten an den Obstbäumen. 80 Prozent Schaden allein bei den Süßkirschen, schätzt Stefan Lindicke.
Bei den Sauerkirschen 50 Prozent, bei Pflaumen und Zwetschgen bis zu 70 Prozent, Äpfel und Birnen erfroren je nach Lage unterschiedlich, mindestens die Hälfe des Ertrages ist aber auf jeden Fall verloren. In seinem Hofladen greift Stefan Lindicke ins Regal und nimmt eine dunkelblaue Pflaume in die Hand.
"Da sieht man teilweise eben auch Fruchtverformungen und Fruchtdeformierungen, das sind auch noch Auswirkungen vom Frost, deformierte Früchte, die dann nicht verkäuflich sind. Was dieses Jahr auch ganz häufig vorkommt: ein geborstener, ein gebrochener Stein. Also gerade bei dieser Sorte ist das ganz, ganz häufig, dass innen der Stein kaputt ist und dann auch ausharzt. Das ist natürlich dann für Bäckereien, die damit Kuchen machen wollen, besonders schwierig, weil sie noch mal einen Arbeitsgang haben, um da den Stein besser rauszumachen."
Dem Großhandel muss er mit deformierten Früchten gar nicht erst kommen. Gottseidank geht im Hofladen ein bisschen was weg.
"Wir haben jetzt hier die Williams-Christ-Birne, bei uns ist es die Gelbe Williams und die Rote Williams. Da hat man das dann ähnlich. Da entstehen so Frostringe um die Blüte drum herum, also um den Blütenansatz. Und das ist das, was der Handel im Grunde genommen auch nicht haben möchte."
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Der Obstbauer Lindicke© Deutschlandradio / Vanja Budde
Nach dem Frost im April hat dann der hochsommerliche Dauerregen die wenigen Kirschen an den Bäumen platzen lassen. Stare und andere Vögel taten sich gütlich. Der Obsthof Lindicke muss jetzt den Gürtel enger schnallen, Kosten reduzieren. Die Preise für manche Obstsorten sind wegen der Knappheit zwar um ein Drittel gestiegen, regionale Kirschen auf sieben bis acht Euro pro Kilo, Pflaumen und Zwetschgen auf 2,50 bis drei Euro. Das nützt aber auch nichts, wenn man nichts zu verkaufen hat.
"Es ärgert einen umso mehr, wenn dann die Bäume leer sind oder auch das Lager leer ist und man leider für diesen guten Preis nicht die Tonnagen liefern könnte, die man sonst im Jahr liefern kann. So ist es leider nun einmal, ja."

Schlimmster Sommer seit 20 Jahren

Der Sommer 2017 wird als der Schlimmste seit 20 Jahren in seine Annalen eingehen, seufzt Stefan Lindicke. Er hofft jetzt auf Kredite oder auch Frostbeihilfen des Landes Brandenburg. Das Agrarministerium hat angekündigt, den Landwirten zu helfen, denn bei der Getreideernte und dem Raps sieht es auch schlecht aus. Gurkenbauer Heinz Peter Frehn hat in der Hinsicht aber keine Erwartungen.
"Man muss etwa 1.000 Fragen beantworten, man muss drei Jahre rückwärts die Ergebnisse nachweisen und erst dann, wenn man nachweisen kann, dass man mehr als 30 Prozent des Reinertrages verloren hat in dem Jahr, dann kann man eine Beihilfe beantragen. Das wird in den wenigsten Fällen überhaupt möglich sein. Und bis dann mal die Mittel ausgezahlt werden, ist also auch noch mal ewige Zeit vergangen. Wenn ich das krass sagen soll: Derjenige als Betrieb, der das dann am Ende kriegt, für den ist das gerade mal noch die Beihilfe zur Beerdigung, aber mehr nicht."
Der Klimawandel macht Frehn Sorgen, weil der immer mehr extreme Wetterlagen bringen soll. Seine Kollegen in Holland, Italien oder Polen könnten sich mit einer Mehrgefahrenversicherung dagegen absichern. Doch Deutschland diskutiere das Thema Beihilfen bei Ernteausfällen seit Jahren auf Bundesebene ebenso ausdauernd wie ergebnislos, murrt Frehn.
"Da müssten die Bundesländer sich einigen. Und das klappt ja in der Schulpolitik schon nicht, geschweige denn in so einem Bereich."

Arbeiter bedienen eine Hopfenpflückmaschine bei der Hopfenernte
In diesen Wochen rupfen die Erntemaschinen die Hopfengardinen ab. © dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt

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