Erntehelfer für die Tiefsee

Von Christoph Kersting |
Manganknollen enthalten kostbare Buntmetalle - und sie liegen in mehreren Tausend Metern auf dem Grund des Pazifiks. Wie sich die Klumpen am besten abbauen lassen, untersuchen nun Wissenschaftler aus Bremen.
Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, kurz DFKI, in Bremen, Abteilung Unterwasserrobotik. In einem zwei Meter hohen Wasserbassin mit gläserner Außenhaut dreht "Dagon" seine Runden. Der schwarze Tiefseeroboter sieht aus wie ein Mini-U-Boot und ist in der Lage den Meeresgrund zu vermessen und so Kartenmaterial zu erstellen.

Damit leistet "Dagon" quasi die grobe Vorarbeit für "Orion", der im Nachbarbassin seinen Dienst tut. Denn der Greifarm interessiert sich nicht für das Große und Ganze, sondern für ein knallgelbes Plastikobjekt auf dem Kiesel-Boden des Versuchsbeckens. Zielsicher nähert sich der dreigliedrige Arm dem Teil, nimmt es mit seiner Metallkralle auf und bringt es an die Wasseroberfläche, wo DFKI-Leiter Frank Kirchner mit seinem Team den Versuch überwacht. Der Clou an der Sache: "Orion" arbeitet autonom, muss also nicht per Joystick gesteuert werden – laut Frank Kirchner eine Grundvoraussetzung, um später einmal in der Tiefsee Rohstoffe abzubauen:

"Für die Thematik Manganknollen ist sicherlich so ein Greifsystem erstmal ein ganz entscheidender Faktor, dass man hier einen Manipulator-Arm hat, der 6000 Meter Tiefe vertragen kann. Und den haben wir jetzt so umgebaut, dass wir Kamerasysteme und weitere Sensoren angebracht haben, mit denen also zum Beispiel solche Knollen erstmal identifiziert werden können und dann autonom, also ohne Zutun des Menschen, aufgenommen werden können."

Dabei basiere Orion zunächst einmal auf industriell gefertigten Greifsystemen, erklärt Frank Kirchners Kollege Jan Albiez:

"Das ist ein Hydraulikmanipulator, der auf diesen ferngesteuerten Arbeitsgefährten der Offshore-Industrie eingesetzt wird. Wir haben bewusst etwas genommen, was die Offshore-Industrie kennt und haben quasi unsere KI-Technologie, die diesen Arm autonom bewegt, die gerade Bewegungen machen kann, die sehr präzise das Ding steuern kann, sozusagen zwischen den Arm und den Operator gehängt."

Manganknollen finden und aufsammeln – das alleine ist nicht das Problem. Die widrigen Bedingungen der Tiefsee machen "Orion" und Co. das Leben schwer. Immerhin herrscht in 6000 Metern Tiefe ein Druck von rund 600 bar – das entspricht dem Gewicht eines Kleinwagens, das auf jedem Quadratzentimeter von Greifsystemen oder Unterwasserfahrzeugen lastet, Jan Albiez:

"Unterwasserautonomie ist, sage ich mal, die Krone der autonomen Systeme, weil man fast gar nicht damit kommunizieren kann, also das ist vergleichbar mit irgendwelchen Deep-Space-Sonden, schon gar nicht mehr vergleichbar mit dem Mars, also zum Mars haben sie eine viel bessere Kommunikationsstrecke, das kann auch anhalten."

Versuche, Manganknollen in der Tiefsee zu fördern, hat es schon in den 1970er-Jahren im Nordpazifik gegeben, dort also, wo die größten Lagerstätten der schwarzen Klumpen zu finden sind - und wo sich auch Deutschland bereits ein Fördergebiet von der Größe Österreichs gesichert hat, einen sogenannten Claim. Damals durchpflügte man mit einer Art Raupe den gesamten Meeresgrund auf Breite einer Autobahn. Die Ausbeute an Manganknollen war erstaunlich, dies allerdings auf Kosten der Unterwasserflora und -fauna. Die Furche, die die Raupe hinterließ, sei noch heute zu sehen, sagt Frank Kirchner:

"Also seit den 70er-Jahren hat sich da nichts mehr getan, sind keine Pflanzen nachgewachsen, also tote Fläche im Moment."

Die Arbeitsmethode mit dem Greifsystem "Orion" hingegen bezeichnet Frank Kirchner als minimalinvasiv, weil hier eben sehr gezielt und ausschließlich die wertvollen Manganknollen aufgesammelt würden.

"Orion" funktioniert einwandfrei als Prototyp im Versuchslabor der Bremer Forscher. Damit der Rohstoffabbau aber auch unter wirtschaftlichen Aspekten reizvoll wird, muss die Technik im großen Maßstab arbeiten:

"Man könnte sich das vielleicht so vorstellen, dass man nicht so komplexe Greifarme hat wie hier, die haben ja sieben Freiheitsgrade, also fast wie der menschliche Arm. Dann reichen wahrscheinlich zwei oder drei Freiheitsgrade. Man hätte dann sicher eine ganze Reihe von solchen Mechanismen, die angebracht werden an einer Art Schild, das dann mit einem fahrenden System über den Meeresboden hinweg gleitet, und dann diese Greifsysteme fast wie bei einer Erntemaschine auf dem Feld quasi aufgreift und diese Knollen in einen Behälter verbringt, der dann weiter nach hinten durchgereicht wird, wo dann andere Systeme so einen Behälter aufnehmen und dann zu einer Sammelstation führen, von wo aus er dann nach oben gebracht wird."

Mit Rohstoffen aus der Tiefsee befasst sich auch Sven Petersen, und auch der Forscher vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften kennt das Potenzial von Manganknollen als Rohstofflieferant der Zukunft. Er sieht die Sache realistisch.

"Ich bin Geologe, und ich bin sogar auch noch Rohstoffgeologe. Mir ist also bewusst, dass wir als Menschen Metalle für unseren Lebensstil brauchen. Und wir werden nicht drum herum kommen mehr und mehr dieser Metalle zu verbrauchen und müssen zusehen, dass wir uns Metallvorkommen sichern. Ich selbst bin nicht unbedingt begeistert von einem Bergbau in der Tiefsee, aber wenn die Wirtschaftsleistungen weltweit so steigen, insbesondere in China, Indien, aber auch Brasilien und Indonesien, wird man auf lange Sicht nicht darum herumkommen sich die Tiefsee als eine mögliche Rohstoffquelle anzusehen."

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