Eröffnung des Liszt-Jahres

Von Blanka Weber · 16.02.2011
In Weimar wurde Franz Liszt als musikalisches Vorbild für die heutige Zeit gewürdigt – von einem seiner brillantesten Urenkel, dem österreichischen Pianisten Alfred Brendel. Zum Auftakt des Liszt-Jahres hat Brendel den Franz-Liszt-Ehrenpreis erhalten.
"Er ist ein Feind aller Konventionen, Gewohnheit und Routine – er ist frei von jeder Voreingenommenheit, von allen Vorurteilen und Traditionen, mögen es nationale, konservative oder sonstige sein. Im Gedenken an seinen Geburtstag vor 200 Jahren sei dieser Liszt unser Vorbild."

Eine tiefe Verbeugung Alfred Brendels vor dem Komponisten Franz Liszt. Behutsam und poetisch begab er sich in die Musikgeschichte, dem Charakter eines Franz Liszt auf der Spur zwischen Licht und Schatten eines Lebens.

"Esprit und Vielseitigkeit, männliche Schönheit, der gesellschaftliche Glanz eines Emporkömmlings und ein Liebesleben am Rande des Skandals erwiesen sich in dieser Konstellation als schwer verzeihlich zumal jene mildernden Umstände fehlen, die den Nachruhm der Genies zu garantieren pflegen. Mozarts und Schuberts früher Tod, etwa. Die Legende von Mozarts Verarmung und Vergiftung, Beethovens Taubheit, Chopins Schwindsucht oder Schuhmanns Wahnsinn."

Nichts von alledem treffe auf Liszt zu. Er und Haydn gehören für Alfred Brendel zu den am häufigsten missverstandenen unter den Musikern.

"Da ist zunächst das Problem von Neid und Nachruhm. Vielleicht war Liszt der größte Neiderreger der Musikgeschichte. Sein früher europäischer Erfolg als Virtuose und Improvisator ließ an jenen Mozarts denken. Liszts Fähigkeiten und Genie des Ausdrucks wiesen selbst einen Chopin, einen Mendelssohn und eine Clara Schuhmann in ihre Schranken."

Mit Charme und Esprit saß der 80-Jährige am Rednerpult. Dunkler Anzug und Pullover, unkonventionell und respektvoll – die Brille mit schwarz-markantem Rand, das Haar weiß und schütter. Liszt sei für jeden Pianisten ein Prüfstein.

"Seine Musik erweckt nicht nur alle Möglichkeiten die in seinem Instrument schlummern, sondern demonstriert drastisch wozu es da ist, nämlich in allem Technischen und Klavieristischen der Musik untergeordnet zu sein. Anders als Chopin, der das Instrument solistisch feierte drängt es Liszt darüber hinaus in das Sakrale, in die Elemente, in die Sphären."

Hinreißend beschreib den einzigarteigen Liszt, so Alfred Brendel, eine 29-jährige Amerikanerin die in Weimar zu Gast war und verhofft dem großen Musiker im Theater begegnete.

"Seine Hände sind schmal mit langen schlanken Fingern, die aussehen als hätten sie doppelt so viele Gelenke als jene anderer Leute. Sie sind so biegsam und geschmeidig dass es einen nervös macht hinzuschauen. Nie habe ich solch einen Schliff der Manieren gesehen, als er von den Damen aufstand um die Loge zu verlassen legte er seine Hand aufs Herz und verneigte sich ein letztes Mal, nicht geziert oder aus reiner Galanterie, sondern aus einer Vornehmheit die einem das Gefühl gab, es sei dies die einzig richtige und angemessene Art Damen Adieu zu sagen."

‚Franz Liszt - ein Europäer in Thüringen’ ist das Jubiläumsjahr überschrieben. Klavierwettbewerbe, Workshops, Ausstellungen und Tagungen stehen auf dem Programm. Die Rede des renommierten österreichischen Pianisten war nicht nur die Hommage an einen Vergessenen, sondern die Einladung zu neuen musikalischen Begegnungen.

"Kaum ein anderer Komponist hat vom strahlend begabten Wunderkind, über die virtuosen Jahre und die Weimarer Meisterschaft bis hin zur Bitternis des Herzens seines letzten Jahrzehnts einen so weiten musikalischen Weg zurück gelegt."
Mehr zum Thema