Vor 70 Jahren

Als der Mount Everest erstmals bestiegen wurde

08:09 Minuten
Blick auf das schneebedeckte Himalaja-Massiv, mit dem Mount Everest in der Mitte.
Blick auf das Himalaya-Massiv, mit dem Mount Everest in der Mitte, der erstmals 1953 bezwungen wurde. © dpa / picture alliance / Martin Athenstaedt
Von Ernst Vogt |
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Lange Zeit galt der Mount Everest als unbezwingbar. Doch dann schafften es der Neuseeländer Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay als Erste am 29. Mai 1953. Heute gilt der Aufstieg als einfacher – aber auch teurer.
„Der Mount Everest ist eine Goldgrube für viele genauso wie das Matterhorn die Goldgrube für die Zermatter ist.“

Das sagt Billi Bierling, die Leiterin der Himalayan Database. Die Bergsteigerin aus Garmisch-Partenkirchen lebt seit mehr als 20 Jahren in Nepal und gilt als Kennerin des Expeditionsgeschehens. Die Rekordmarke der Besteigungsgenehmigungen wurde in der Jubiläumssaison erneut übertroffen.

Wir haben fast 500 Besteigungsgenehmigungen. Am Everest-Basislager ist viel los. 500 Leute gehen hoch mit 500 Sherpas. Und dann hat man noch das ganze Basislager-Personal, das sich da rumtreibt.

Billi Bierling, Leiterin der Himalayan Database

Billi Bierling schätzt, dass mindestens 1200 Menschen das Basislager in diesem Frühjahr bevölkern.

Zuvor waren mehrere Expeditionen nicht geglückt

Vor 70 Jahren war nur die britische Expedition am Fuß des höchsten Gipfels der Erde. Rund zehn Expeditionen waren in den Jahrzehnten zuvor gescheitert. Nachdem Nord- und Südpol erreicht waren, galt der Everest als das letzte große Ziel auf Erden.
Es war eine ganz andere Welt: Die Bergsteiger trugen Wollpullover, schwere Hosen und Jacken, und auch die Kommunikation war höchst einfach: Die Nachricht eines britischen Zeitungsreporters wurde von einem Läufer aus dem Basislager ins Tal hinunter nach Namche Basar überbracht.
Sie lautete: „Schneebedingungen schlecht, seit Expedition vorgeschobenes Basislager am 29. verließ. Warten auf Besserung. Alle gesund.“

Die Meldung war kodiert und konnte nur von der Redaktion der Londoner "Times" richtig gedeutet werden. Vorgeschobenes Basislager verlassen - das war der Code für Edmund Hillary.
Warten auf Besserung stand für Tenzing Norgay.
Die Meldung insgesamt bedeutete: Gipfelerfolg für Edmund Hillary und Tenzing Norgay am 29. Mai.

Erfolgreiche britische Everest-Expedition

Die Sensation war perfekt, die britische Everest-Expedition erfolgreich. Der höchste Gipfel der Erde war bestiegen.

Dabei waren Hillary und Tenzing nicht die erste Wahl als Gipfelteam. Zwei Expeditionskollegen hatten es vor ihnen probiert, kehrten aber um.

Auch Hillary und sein Sherpa Tenzing zögerten auf 8.600 Metern Höhe, weil die Schneeverhältnisse sehr unsicher waren. Sie gingen aber weiter.
Tenzing Norgay (rechts) und Edmund P. Hillary nach der Erstbesteigung des Mount Everest.
Tenzing Norgay (rechts) und Edmund P. Hillary nach der Erstbesteigung des Mount Everest.© dpa / picture alliance
Hillary überkletterte die zwölf Meter hohe Steilstufe und schlug mit seinem Eispickel viele Stufen auf dem Weg zum Gipfel. Dann kam eine Kuppe und er sah: Es ging nur noch hinab nach allen Seiten. Der Scheitelpunkt der Erde war erreicht.

Ich war gar nicht so aufgeregt, wie man sich das hätte vorstellen können. Tenzing und ich waren letztlich schon überrascht, dass gerade wir es geschafft hatten. Ich glaube nicht, dass wir bessere Bergsteiger waren als die Teilnehmer vorhergehender Expeditionen, aber wir waren stark motiviert und körperlich fit. Und hatten auch ein bisschen Glück, das Wetter, das man braucht, zum rechten Zeitpunkt zu haben. Das ist wichtig.

Mount-Everest-Erstbesteiger Edmund Hillary

Hillary streckte Tenzing die Hand zur Gratulation entgegen, aber Tenzing umarmte seinen Seilpartner spontan und klopfte ihm auf den Rücken, bis sie außer Atem gerieten.
Hillary machte drei Gipfelfotos von Tenzing, wie er seinen Eispickel schwenkte. Vom Neuseeländer gibt es kein Bild. Er verriet mir später den Grund dafür: „Es wäre der unpassendste Ort der Erde gewesen, meinem Sherpa das Fotografieren beizubringen.“

Soziales Engagement von Edmund Hillary

Sir Edmund Hillary hat durch sein soziales Engagement für die Sherpas große Verdienste erworben. Er gründete die Hilfsorganisation „Himalayan Trust“ und baute in Nepal, einem der ärmsten Länder der Erde, Schulen und Krankenhäuser, Brunnen und Wasserleitungen.

Nach Ansicht von Reinhold Messner hat Edmund Hillary mit der Gründung von Schulen die Voraussetzung geschaffen, dass sich die Sherpas zu kompetenten Bergführern und Expeditionsveranstaltern weiterentwickelt haben.

Einsamkeit gibt es hier kaum noch

Mag es seinerzeit einsam gewesen sein. Einsamkeit findet man im Mai 2023 am Everest kaum mehr. Häufig brechen die Bergsteiger zur selben Zeit in Richtung Gipfel auf.
Billi Bierling war 2009 am höchsten Punkt der Erde und leitet mittlerweile die Himalayan Database, die alle Besteigungen erfasst. Sie analysiert:

„Viele Menschen verursachen Staus, Staus verursachen Verzögerungen, Verzögerungen brauchen mehr Sauerstoff. Die Expeditionsleiter haben viel Sauerstoff, aber da ist immer die Gefahr, dass der Sauerstoff ausgeht.“

Was hat sich seit der Erstbesteigung verändert?

Dann können Alpinisten, die nicht akklimatisiert sind, in lebensbedrohliche Situationen geraten. Was hat sich geändert in den 70 Jahren seit der Erstbesteigung des Mount Everest?
Höhenbergsteigerin Billie Bierling
Billi Bierling ist Leiterin der Himalayan Database.© Katharina Heudorfer
Sichtbar ist eine Veränderung ganz oben am Berg:

„Den Hillary Step gibt es nicht mehr. Das ist dieser zwölf Meter hohe Felsaufschwung gewesen, aber beim Erdbeben im Jahr 2015 ist der wohl kollabiert. Man kann da eigentlich ganz einfach drüberlaufen.“

Umstrittene Hubschrauberflüge in Nepal

Ein großes Thema, das auch in Nepal diskutiert wird, sind die Hubschrauberflüge.
Reinhold Messner kritisiert:
"Was ich nicht so gut finde, ist, dass der Hubschrauber selbstverständlich geworden ist, also nicht nur Anflug ins Basislager – im Basislager gibt es fünf Heliports – da ist mehr los als in Bozen auf dem Flugplatz, und viele Leute fliegen vom Basislager ins Lager II, überspringen den Eisbruch und gehen dann von Lager II mit Maske gipfelwärts."
In Bergsteigerkreisen sagt man, früher musste man für den Mount Everest viel Kondition und Können mitbringen, heutzutage zählt die Dicke der Brieftasche. Für den Gipfelerfolg wird offensichtlich immer mehr Geld ausgegeben.

Wenn ich höre, welche Zahlen zirkulieren um eine Besteigung des Mount Everest: Da geht es nicht mehr um 100.000 Euro. Es geht inzwischen um Millionen, die Leute bezahlen, wenn sie sicher mit 10, 15 Sherpas als Helfer zum Gipfel und zurückgebracht werden.

Bergsteiger Reinhold Messner

Die alpinistischen Herausforderungen am höchsten Berg der Erde sind um einiges geringer geworden, seit es die Rundumbetreuung durch die Sherpas gibt. Und die Versicherung mit Fixseilen bis ganz oben hin.

Und dazu zählt auch ein Basislager, das nicht nur ein farbenprächtiges Bild in gelb und orange abgibt, sondern auch komfortable Hauszelte bietet.

„Da kann man stehen, da gibt es Saunen, Fernsehen. Das ist fast wie in einem einfachen Hotel.“

"Diese Anziehungskraft wird immer da sein"

Auch die Motivation der Bergsteiger hat sich gewandelt. Zu Hillarys Zeiten galt der Mount Everest als das größte Abenteuer auf Erden, heutzutage reiht man sich in eine Schlange ein, um gut gesichert zum 8.848 Meter hohen Gipfel zu gelangen.

Auch Unglücksfälle haben die Anziehungskraft des höchsten Gipfels der Erde nicht geschmälert, eher im Gegenteil, sagt Billi Bierling.

„Es ist der höchste Punkt der Erde. Er wird es immer bleiben - und diese Anziehungskraft wird immer da sein. Er wird immer ein Magnet bleiben.“  

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