Und der Oscar geht an: Hollywood
Um die Krise von Hollywood zu beenden, gründete Produzent Louis B. Mayer mit anderen in den 20er-Jahren eine Akademie. Sie sollte die Studio-Filme vermarkten. Am 16. Mai 1929 wurde der erste Oscar verliehen - und auch dabei ging es um Werbung.
Es ist dieses typische umwerfende Julia-Roberts-Lachen. Frei und frank und ungekünstelt bekundet sie ihre Freude über den Oscar, den sie im Jahr 2001 entgegennimmt – für die Rolle einer kämpferischen Anwaltsgehilfin in Steven Soderberghs Film "Erin Brockovich".
Es war die 71. Oscarverleihung, und ein Moment, der zeigt, was beim Wirbel um die Goldenen Statuetten idealerweise zusammenkommen kann: Filme, die Anspruch mit Unterhaltung verbinden, Stars, die für einen funkelnden Moment vom Olymp der Leinwand hinabsteigen, menschliche Regungen, die Celebrity-Fassaden durchbrechen. Kurz: Hollywood feiert sich selbst und macht dabei Reklame für sich.
Es ging um den besten Werbeeffekt
Der Werbeeffekt war einer der Gründe für die Erfindung der Oscars durch den einflussreichen Filmproduzenten Louis B. Mayer, Chef des Studios Metro-Goldwyn-Mayer. Ende der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Hollywood in der Krise. Das neu aufkommende Medium Radio machte dem Kino Konkurrenz, die moralische und politische Zensur durch den sogenannten Hays-Code verkomplizierte die Produktionen – zudem kämpften die Angestellten der Studios um bessere Bezahlung.
Gemeinsam mit zwei Mitstreitern beschloss Louis B. Mayer, eine Akademie zu gründen, die zum einen die Interessen der Studios vertreten und zum anderen deren Filme mit Preisen promoten sollte. Von Anfang an ging es bei den Oscars nicht um den besten Film, sondern um den besten Werbeeffekt.
"Ladies and Gentlemen, I want to present to you Mr. Carl Laemmle, who is a real pioneer in the art of motion pictures."
Kein Foto von der ersten Preisverleihung
Dieser Auftritt von Louis B. Mayer stammt bereits aus der dritten Oscarverleihung, der ersten, die mitgefilmt wurde. Zu sehen sind: zwei weiße Säulen mit zwei Blumenvasen und ein Vorhang, hinter dem Präsentatoren und Preisträger hervorkommen. Gerade mal sieben Minuten und 38 Sekunden dauerte die Veranstaltung – fast unvorstellbar, angesichts der stundenlangen, von Werbepausen unterbrochenen Prozedur von heute. Von der allerersten Oscarverleihung am 16. Mai 1929 im Hollywood Roosevelt Hotel hingegen gibt es nicht einmal Fotos.
Als bester Hauptdarsteller wurde Emil Jannings für die Hauptrolle in dem Stummfilm "Der Weg allen Fleisches" ausgezeichnet. Damals hieß die Auszeichnung übrigens noch Academy Award of Merit, erst Mitte der 30er-Jahre kam sie zu ihrem Spitznamen, der zum Markenzeichen werden sollte.
In den kommenden Jahrzehnten sollte die Popularität der Oscarverleihung stetig steigen, zu ihrer wahren Bedeutung als globale Marketingaktion für Hollywood kam sie aber erst 1953 – im Jahr ihrer ersten Fernsehübertragung. Den Preis des besten Films gewann in jenem Jahr der eher mittelmäßige Zirkusfilm "Die größte Schau der Welt" von Cecil B. DeMille – er stach unter anderem Fred Zinnemans gloriosen Western "12 Uhr mittags" aus, was durchaus in der Logik der von Louis B. Mayer erfundenen Veranstaltung lag.
Politisierung einer Werbeshow?
Denn so viel Wirbel auch bis heute um den Oscar gemacht wird: Er bleibt eine Show, in der nicht unbedingt das beeindruckendste Werk, sondern oft das größte Spektakel gewinnt. Man erinnere sich nur an das Jahr 1991, als Kevin Costners Western "Der mit dem Wolf tanzt" sich durchsetzte gegen "Goodfellas" von Martin Scorsese und "Der Pate III." von Francis Ford Coppola.
Immer wieder wurde das Scheinwerferlicht jedoch auch für andere Zwecke genutzt, wurde die Promoshow politisiert. Durch Marlon Brando zum Beispiel. Statt seinen Oscar für die Hauptrolle in "Der Pate" entgegenzunehmen, ließ er sich 1973 vertreten: von der Native American Sacheen Littlefeather. Sie hielt eine Protestrede gegen die stereotype Darstellung der amerikanischen Ureinwohner in Hollywood-Filmen.
Ob Proteste gegen den Irak-Krieg, die Kampagne "Oscars So White" gegen die Benachteiligung schwarzer Filmschaffender oder die auf den Weinstein-Skandal folgende #MeToo-Bewegung – seit jeher schwimmen die Oscars im politischen Zeitgeist. Wobei nicht immer ganz klar ist, ob hier eine Lobbyistenveranstaltung politisiert wird oder ob sich Hollywood – ganz im Sinne des Oscar-Erfinders Louis B. Mayer – mit der Politik genauso schmückt wie mit den extravaganten Roben auf dem roten Teppich.