Immer noch viel Hass gegen die LGBT-Community
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Über 1000 Polizisten bewachten die erste Pride Parade der LGBT-Community in Bosnien und Herzegowina. Wer sich offen zu seinem Schwul-, Lesbisch- oder Trans-Sein bekannt, lebt in dem Land gefährlich. Diskriminierung gehört zum Alltag.
Die erste Pride Parade in Bosnien und Herzegowina: Sie verlief friedlich und ohne Angriffe auf die LGBT-Gemeinschaft und ihre Unterstützer. Je nach Quelle zogen zwischen ein- und zweitausend Teilnehmer in fröhlicher Stimmung durch die Hauptstadt Sarajewo. Sie schwenkten Regenbogenfahnen und forderten ein Ende von Diskriminierung. Auch Admir Adilovic lief mit:
"Wir haben jeden Tag Angst, getötet zu werden. Ich bin offen schwul. Ich habe mich geoutet und ein Mann hat mich deswegen mit dem Auto angefahren. Wir protestieren, um frei auf die Straßen gehen zu können."
Zuschauer waren nicht zugelassen
Zuschauer gab es keine. Dafür sorgten scharfe Einlasskontrollen in die abgeriegelte Innenstadt sowie Heckenschützen und rund 1100 Polizisten. Auch in- und ausländische Künstler und Politiker liefen mit. Darunter der offen schwule US-Botschafter Eric Nelson oder der grüne Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin. In Bosnien und Herzegowina sei es wichtig, Toleranz zu leben, sagte Sarrazin am Rand der Parade: "In diesem Land, das immer noch so zerbrochen ist vor dem Hintergrund des Krieges. Wo Toleranz gegenüber der LGBTI-Community eine Art Lackmustest ist. Auch für die zukünftige Entwicklung des Landes."
In Sarajewo waren also viele Menschen sichtbar, die nicht heterosexuell leben und auch viele Unterstützer liefen mit. Die LGBT-Gemeinschaft aus Lesben, Schwulen, Transgender und weiteren möchte ansonsten lieber nicht auffallen, sagt Emina Boschnjak, die die erste Pride Parade in Sarajewo mitorganisiert hat: "In der Regel sind LGBT-Menschen unsichtbar, das heißt, sie erzählen ihrer Umgebung bei der Arbeit, in der Schule und so weiter nichts davon oder nur sehr selten."
Noch immer heftige Diskriminierung im Alltag
Die Gesetze seien relativ gut und in den letzten 15 Jahren habe sich viel getan, so Bošnjak. Doch die Menschenrechte der LGBT-Leute würden weiter folgenlos verletzt. Wer seine sexuelle Orientierung offen zeige, bekomme in der Familie Probleme und werde bei Arbeits- und Wohnungssuche diskriminiert und angegriffen Das wahre Motiv für solche Attacken würden die meisten der LGBT-Gemeinschaft bei der Polizei nicht anzeigen. Da sie dieser nicht vertrauen würden:
"Sie zeigen es aber bei Nichtregierungsorganisationen an, denen vertrauen sie. Aber das fließt dann eben nicht in das Rechtssystem und in die offizielle Statistik ein."
Ein weiteres Problem: Schulbücher vernebeln anstatt aufzuklären, und manche Hochschulen lehren Homosexualität sogar noch als Krankheit, sagt Emina Bošnjak entsetzt. Politische Eliten würden Trans- und Homophobie schüren und von den unzähligen Problemen des Landes ablenken. Der Hass gegen Minderheiten wie die LGBT-Gemeinschaft werde bewusst geschürt. Von Nationalisten in der Politik und den Kirchen, um einflussreich und an der Macht zu bleiben – analysiert auch Marion Kraske. In Bosnien und Herzegowina gäbe es ein System der Diskriminierung, so die Leiterin der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajewo.
"Es geht niemals darum, über die eigentlichen Probleme zu sprechen – dass nämlich diese Gruppen hier Schutz benötigen und dass es darum geht, Menschenrechte zu implementieren. Die sind in Bosnien außer Kraft gesetzt."
Zum ersten Mal im öffentlichen Raum
Gegen die erste Pride Parade protestierten außerhalb der abgeriegelten Innenstadt einige Dutzende Menschen. Zu den Klängen der Landeshymne gingen schon am Samstag einige hundert Anhänger der traditionellen Familie und Werte auf die Straße. Auch Azra Cehajic war dabei:
"Ich glaube, gleichgeschlechtliche Ehen sind eine psychische Krankheit und dass man psychisch Kranken manche Rechte verweigern sollte. Das Gleiche wäre, wenn wir Schizophrenie für normal erklären würden. Das ist eine Krankheit. Warum soll man Kranken Rechte geben? Ich bin für ihre Heilung."
Die Rechte nicht-heterosexueller Menschen in Bosnien und Herzegowina, sie werden nach wie vor eklatant verletzt. Für Admir Adilovic war die Parade dennoch ein Schlüsselmoment: "Diese Parade wird vieles ändern, sie hat vieles zum Vorschein gebracht, denn zum ersten Mal gehen wir in den öffentlichen Raum und sagen: Wir sind da! Wie fühlen Sie sich jetzt? Wunderbar. Zum ersten Mal frei."