Böhmermann zieht blank, aber bleibt ohne Biss

Am lustigsten ist das "Neo Magazin Royale", als Jan Böhmermann knapp eine Minute lang nichts sagt. Und das ging so:

Der "Beef"-Träger bringt paketeweise Ärger ins Fernsehstudio. "Beef" - das bezeichnet eigentlich den Streit zwischen Rappern, bei Böhmermann sind es verärgerte Reaktionen auf seine Show. Und weil sich nach der legendären Erdogan-Sendung und der Sommerpause einiges angestaut hat, genügt ein Bote nicht.

Ein Bagger fährt vor Böhmermanns Schreibtisch und lässt eine Schaufel voll Beschwerdepost fallen. Gerade weil nur das konfirmandenfromme Gesicht des frisch rasierten Satirikers zu sehen und die aufs glänzende Parkett platschende Post zu hören ist, wirkt dieser Show-Moment im besten Sinne komisch. Der Lausejunge bestaunt den Ärger, den ihm seine Streiche beschert haben.

Mehr denn je dreht sich im "Neo Magazin Royale" alles um eine einzige Sache - um Böhmermann selbst. Selbstreferentiell wie ein Gangsta-Rapper zitiert Böhmermann alte Folgen seiner Sendung. Er kokettiert mit der Erdogan-Merkel-Staatsaffäre, der von seinem Team enthüllten würdelosen Produktionsweise der RTL-Show "Schwiegertochter gesucht" und mit dem berüchtigten Ruf, den er im eigenen Sender genießt. Zu Beginn der Sendung steht ein erfundenes Zitat von ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler: "ACH DU SCHEISSE, ES GEHT WIEDER LOS."

Eine Viertelstunde später denkt sich so mancher Zuschauer, dass da was dran ist. Der Stand-Up-Auftritt wirkt unmotiviert. Die Sex-Witzchen sind schlecht, eingespielte Hitler-Bilder dienen allein dem Empörungseffekt, dem ein vorsichtiges Darf-der-das-Lachen folgt. Einer der talentiertesten TV-Komiker hält sich mit ödem Schweinskram auf, spricht über die gerade erschienene Studie zu Syphilis-Infektionen in Deutschland und lässt sich zu Gags wie diesem hinreißen: "Syphilis, oder wie es in Berlin heißt: Vorspiel!"

Böhmermann zotet sich durch einen Haufen Nichtigkeiten. Er lästert über das wegen falscher Verdächtigung verurteilte Model Gina-Lisa Lohfink, veräppelt den vermeintlichen Schlankheitswahn von ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut und macht Witze über Österreich. Dagegen ist die "Sendung mit der Maus" ein Politmagazin. Ach, wie schön wäre jetzt ein Nickerchen.

Zum Glück beendet ein Musikvideo von Böhmermann den ideenlosen Auftakt. Wenn man schon nicht lachen kann, so lässt sich dazu wenigstens vorm Bildschirm zu den Beats mit dem Kopf nicken.

Der Entertainer rappt besser als viele Rapper, im Refrain lässt er sich als "blasser dünner Junge" feiern. In Anspielung an ein Video des US-Superstars Kanye West liegt Böhmermann mit seinen allerliebsten Gegenspielern nackt im Bett unter einer dünnen Decke: Angela Merkel, Dieter Nuhr, Frauke Petry, Peter Altmaier, Günther Jauch.

So weit, so ironisch - allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass Böhmermanns Einbildungskraft die Kraft abhanden kommt. Was bleibt wirkt eingebildet. Von "Gags wie Granaten" ist die Rede, dabei haben seine Witze am Donnerstagabend die Wucht einer Knallerbse.

Ein Hauch von Spannung kommt auf, als Böhmermann auf den gescheiterten Putschversuch in der Türkei zu sprechen kommt. Na, er wird doch wohl nicht wieder, oder? Und dann verwendet er die bösen Worte des aus der ZDF-Mediathek verbannten Schmähgedichts, bezieht sie aber schelmisch auf sich selbst.

"Sie können nicht erwarten, dass ich an dieser Stelle hier 'sackdoof', 'feige' und 'verklemmt' Witze über die Türkei mache", sagt der 35-Jährige, der ohne seinen zuletzt zauselig gewachsenen Bart aussieht wie kurz nach dem Abi.

Wie schwer es Böhmermann fällt, zur gewohnten Lockerheit zurückzukehren, sieht man ausgerechnet im Kontrast zum Studiogast Wolfgang Bosbach. Der CDU-Politiker witzelt sich gekonnt durch seine paar Minuten. Warum Merkel nichts zu seinem gerade angekündigten Karriere-Ende gesagt hat? "Die Kanzlerin muss die Welt retten." Wie es war, auf Mallorca wegen eines ungesicherten Gully-Deckels in einen Schacht zu fallen? "Das war mein persönliches Sommerloch."