Erster Weltkindergipfel

Ein weltweites Grundgesetz für Kinder

Blick in den Sitzungssaal der Vereinten Nationen am 30. September 1990 während des ersten Weltkindergipfels
Blick in den Sitzungssaal der Vereinten Nationen am 30. September 1990 während des ersten Weltkindergipfels © dpa/picture alliance/Wolfgang Kumm
Von Monika Köpcke |
Heute vor 25 Jahren trafen sich zum ersten Mal die Staaten, die im Jahr zuvor der UN-Kinderrechtskonvention beigetreten waren. Sie ist eine Art Grundrechtekatalog für Kinder. Bis heute haben sämtliche Staaten die Konvention unterzeichnet - außer dem Südsudan und den USA.
So viel Einigkeit war selten.
"... so that all children can enjoy a safer and healthier future."
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, die UNICEF, hatte zum ersten Weltkindergipfel geladen. Und 150 Staats- und Regierungschefs waren der Einladung gefolgt. Am 29. und 30. September 1990 kamen sie im UNO-Gebäude in New York zusammen. Es war der bis dahin größte Gipfel überhaupt. Nie zuvor hatten sich so viele Vertreter der unterschiedlichsten Staaten gemeinsam mit einem Thema befasst.
"We have seen children, swollen bellies, we've seen the pleading eyes ..."
In beschwörenden Worten schilderte der amerikanische Präsident George Bush das Elend, das Hunger und Krankheit anrichten. 1990 starben weltweit noch jeden Tag 40.000 Kinder, bevor sie das sechste Lebensjahr erreicht hatten. Ein Großteil von ihnen an vermeidbaren Krankheiten wie Masern, Tuberkulose oder Tetanus. Das sollte sich fortan ändern. Die Delegierten entwickelten Impfprogramme, entwarfen neue Strategien gegen Kinderarmut und für eine bessere Gesundheitsfürsorge. Das feierliche Versprechen, diese Vorhaben auch Realität werden zu lassen, war der Höhepunkt des Gipfels.
"The task before us now is to give reality to the promises by bringing it into laws and applying it worldwide. It is so decided."
"Every child shall enjoy the following rights without any exception whatsoever ..."
"Praktisch ein weltweites Grundgesetz für Kinder"
Nur zehn Monate vor dem Kindergipfel, am 20. November 1989: Die Schauspielerin und UNICEF-Sonderbotschafterin Audrey Hepburn liest vor der UN-Vollversammlung die Präambel der soeben verabschiedeten "Konvention über die Rechte des Kindes".
"... in order to become a useful member of society."
"Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, das ist praktisch ein weltweites Grundgesetz für Kinder."
Rudi Tarneden von UNICEF-Deutschland:
"Ein Grundgesetz, in dem festgelegt ist, dass jedes Kind auf der Welt ein Recht hat auf Überleben, auf Entwicklung, auf Schutz und darauf, ernst genommen und beteiligt zu werden."
"Artikel 19: Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung, Verwahrlosung. - Artikel 28: Recht auf Bildung, Schule, Berufsausbildung. - Artikel 14: Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. - Artikel 24: Recht auf ..."
Außer dem Südsudan und den USA sind bis heute sämtliche Staaten der Kinderrechtskonvention beigetreten. Bis zu ihrer Verabschiedung galt es als reine Wohltätigkeit, Kindern in Notlagen zu helfen. Nun aber definierte die Konvention diese Hilfe als Anspruch, der aus dem Menschenrecht aller Kinder auf Überleben, Schutz und Förderung resultiert. UNICEF-Mitarbeiter Rudi Tarneden:
"Die Kinderrechte sind leider nicht einklagbar, sondern sie sind ein politisches Instrument, die immer so stark sind wie die Organisationen, die hinter ihnen stehen beziehungsweise die Regierungen, die sie aufnehmen. Insofern ist das ein Schwachpunkt."
Auch heute ist die Lage alles ander als rosig
Am 2. September 1990 trat die Kinderrechtskonvention in Kraft. Nur vier Wochen später begann der Weltkindergipfel in New York, und die Staatengemeinschaft war voller Elan und guten Willens, die Artikel der Konvention in praktische Politik umzusetzen. Bis zum Jahr 2000 sollte die Sterblichkeitsrate von Kindern um ein Drittel gesenkt und die Zahl der unterernährten Kinder halbiert werden. Jedes Kind sollte Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und ein Minimum an Bildung erhalten.
Doch nach den veranschlagten zehn Jahren hatte man keines der Vorhaben erreicht. Auf dem Nachfolgegipfel 2002 wollte man die Ziele nun von vornherein weniger hoch schrauben. Zum ersten Mal waren auch Kinder und Jugendliche nach New York eingeladen. Für diesen 17-jährigen Vertreter der deutschen Delegation war die Teilnahme ein ernüchterndes Lehrstück in Realpolitik.
"Ich finde das schon traurig, wie die Kinder es so toll gemacht haben und in drei Tage es geschafft haben, sich zu einigen auf ein Abschlussdokument und auf eine Deklaration, und wie die Erwachsenen hier klein, klein verhandeln und es nur darum geht, politisch am Ende gut dazustehen und das Wohl des Kindes aus den Augen verloren wird."
Auch wenn sich seit 1990 vieles verbessert hat, ist die Lage auch heute noch alles andere als rosig: Über 50 Millionen Kinder besuchen keine Schule, 6,6 Millionen Kinder sterben jedes Jahr an armutsbedingten Krankheiten, 300.000 Kinder müssen als Soldaten kämpfen. Und das sind nur einige Beispiele von vielen.
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