Geschichte mal anders
"Tagebuch 14/18 – Vier Geschichten aus Deutschland und Frankreich" ist ein Comic, der Jugendlichen die ferne Welt des großen Krieges vor hundert Jahren vergegenwärtigt. Andrea Marggraf hat zusammen mit ihrer Tochter und einer französischen Austauschschülerin darin geblättert.
Marie: "Lieber Gott, ich weiß, ich sollte öfter beten, aber heute muss ich dich um etwas bitten. Vater glaubt, dass Krieg werden kann. Er sagt, wir müssen den Österreichern helfen, weil die Rus-sen den Serben geholfen haben. Aber du willst doch auch keinen Krieg! Bitte mach, dass Frieden bleibt."
Anna: "Herr Soldat wollen Sie Sardinen und Camembert?"
Marie: "Herr Soldat wollen Sie Sardinen und Camembert?"
Anna: "Als er die Augen schloss, um sich die Tränen wegzuwischen, nutzte ich den Augenblick und verschwand. August 1914."
Marie: "Ergib dich Preuße!"
Aus Tagebuchnotizen einen Comic gemacht
Marie und Anna, zwei 17-jährige Mädchen, die eine Französin, die andere Deutsche, blättern in dem Buch mit Tagebuchnotizen von vier jungen Menschen, die 1914 zwischen sechs und 22 Jahre alt waren. Notizen des sechsjährigen Franzosen René, des deutschen Gymnasiasten Walter, des französischen Studenten Lucien und der deutschen damals 14-jährigen Nessi. Zusammen mit dem deutsch-französischen Zeichner Jörg Mailliet entwarf der Journalist und Historiker Alexander Hugh einen Comic. Die Tagebuchnotizen der vier Protagonisten sind gewissermaßen die Stichwortgeber für die Dialoge der jeweiligen Bilderfolge.
Marie: "Morgen müsst ihr nicht zur Schule gehen. Ihr habt siegesfrei."
In diesem Comic, Tagebuch 14/18, kann man auf eindrückliche Weise verfolgen, wie Kinder und Jugendliche in den Wahnsinn des Krieges hineingezogen werden, wie sie entsprechend ihrem Umfeld vom Opfer zum Täter und vom Täter zum Opfer werden. Sie müssen den Krieg erleiden, aber sie gehen ihn auch mit.
Anna: "Ich freue mich jetzt auch sehr, dass ich den Krieg miterleben kann. August 1914."
Meint die 14-jährige Nessi, der ein Schultag erspart geblieben ist, da die belgische Stadt Lüttich von deutschen Truppen eingenommen wurde.
Auch der kleine Franzose René bekommt schulfrei. Seine Schule wurde von einer Bombe getroffen. René beobachtet anfangs noch neugierig das Treiben der Soldaten. Besorgt ihnen etwas zu essen, Sardinen, Camembert. Glaubt, dass er seine eigene Mannwerdung vorantreiben kann, indem er beim Trinken mit den Soldaten mithält, was er mit einer überbordenden Übelkeit bezahlen wird. Aber dann stirbt seine Mutter, weil die Ärzte Zivilisten nicht behandeln dürfen, und er hadert mit Gott.
Der deutsche Gymnasiast Walter zieht als Freiwilliger freudig in den Krieg und kehrt schwer verwundet nach Hause zurück. Auf der anderen Seite ist der Franzose Lucien. Sein sehnlichster Wunsch ist es, einen Preußen zu erschießen.
Anna: "Die Deutschen laufen wie die Hasen."
Historische Bildung mit Hilfe eines Comics
Er wird schießen, ob er trifft, bleibt offen. Historische Bildung mit Hilfe eines Comics – ausdrucksstarke Zeichnungen, kurze Dialoge ohne das übliche Comic-Kreisch-Stöhn. Herausgeberin ist Julie Cazier.
"Es geht darum, jungen Menschen zu helfen, die nationale Perspektive zu überwinden. Es wird auch immer gesagt, wie die Franzosen das Heldenhafte so in den Vordergrund stellen. Das ist in Frankreich verständlich aus der Geschichte. Und das Deutsch/ Französische gegenüber zu stellen in dem Comic, ermöglicht dem Leser ein bisschen zurück zu gehen aus der eigenen Geschichte, aus der nationalen Perspektive, die man aus der Schule, oder der Gesellschaft allgemein mitbekommt. Ein zwei Schritte zurück zu gehen und Verständnis dafür zu entwi-ckeln, dass jedes Land eine andere Erinnerungskultur an das gleiche Erlebnis hat."
Anna: "Vive la France!"
Marie: "Auf nach Berlin!"
Anna: "Halte durch, Junge, bald wird's besser."
Die Quelle, die realen Tagebuchnotizen, sind in dem Comic mit abgedruckt - am Rand, was etwas verwirrt, weil man diese Randnotizen zunächst nicht einordnen kann. Letztlich ist so ein Comic, wenn er historische Bildung vermitteln will, dann doch etwas mehr als nur leichte Unterhaltung.
"Ich finde es auch schwierig, das nur als Comic zu veröffentlichen."
Meint Marie. Und Anna:
"Ich finde es auch komisch, den Ersten Weltkrieg in einem Comic zu thematisieren, aber ich finde es ist eine gute Idee, das vielleicht Leuten nahe zu bringen, die sonst keine Bücher lesen, sondern nur Comics."
Tagebücher 14/18. Eindrücke, die hängen bleiben: Wie leicht und mit welcher Euphorie Menschen in den Krieg ziehen und wie schwer es ist, den zerstörerischen Wahnsinn wieder zu beenden: Und dass das Leiden, egal auf welcher Seite, unerträglich hoch ist.