Nie wieder Menschenfresserberg
Im Ersten Weltkrieg war der Hartmannsweilerkopf aufgrund seiner strategisch günstigen Lage zwischen Deutschen und Franzosen erbittert umkämpft. Nun soll dort ein französisch-deutsches Museum enstehen, um an die gefallenen Soldaten zu erinnern - ein gemeinsamer Ort des Gedenkens und ein schwieriges Projekt.
"Der Hartmannsweilerkopf ist natürlich ein Denkmal. Ein Friedhof. Aber zuerst ein Schlachtfeld. Wo mehr als 30.000 französische und deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg gefallen sind und besonders im Jahr 1915 an der Vogesenfront."
Jean Klinkert, Vize-Präsident des französischen Komitees des Nationaldenkmals am Hartmannsweilerkopf.
"Für mich ist der Hartmannsweilerkopf die absurdeste Geschichte des Ersten Weltkriegs. Gut, Krieg ist immer irgendwo absurd. Aber gegen Verdun anzurennen und Verdun zu nehmen, an der Somme den Durchbruch zu schaffen, das konnte alles strategische Konsequenzen haben, einzelne Aktionen. Aber am Hartmannsweilerkopf konnte passieren was wollte, das hatte überhaupt keine Konsequenzen."
Gerd Krumeich, Mitglied einer internationalen Wissenschaftlergruppe, die das erste französische-deutsche Museum zum Ersten Weltkrieg plant.
"Wenn man die Touristen anhört, was sie sagen: Sie sagen alle beide dasselbe: Französische Touristen fragen: Warum hat man sich so bekämpft für so ein Stück Boden da. Warum? Und die deutschen Touristen sagen genau dasselbe: Warum hat man sich so bekämpft, warum sind so viele Soldaten gestorben?"
Gilbert Wagner, Präsident eines Bürgervereins, der sich um den Erhalt des Gedenkortes Hartmannsweilerkopf kümmert und Touristengruppen über das ehemalige Schlachtfeld führt.
"Haben sich mausetot gehauen mit solcher Intensität"
Unterstände, Gräben, Bunker – das sind die unheimlichen Hinterlassenschaften auf dem weitläufigen Areal knapp tausend Meter hoch über dem Rheintal. Die Mehrzahl der jetzt schon jährlich rund 250.000 Menschen, die hier vor allem bei Wochenendausflügen in die Vogesen Station machen, sind Deutsche, beobachtet Gilbert Wagner. Das Schlachtfeld am Hartmannsweilerkopf ist erhalten, weil es nach dem Ersten Weltkrieg irgendwie vergessen wurde:
"Weil es im Gebirge liegt, da hat sich niemand mehr drum gekümmert, es wurde sauber gemacht, das war es. Es ist ja keine Landwirtschaft hier und dann ist es einfach so geblieben. Bis 1969, da kam ein Verein, Les Amis de Hartmannsweilerkopf und hat da ganz langsam angefangen, Pfade anzulegen und so weiter. Das Comité National hat sich zwar schon ab 1921 involviert, aber nur in der Gedenkstätte und auf dem Friedhof, aber das Schlachtfeld selber hat da niemanden interessiert."
"Am Hartmannsweilerkopf, der im Grunde überhaupt nicht interessiert hat für den Verlauf des Krieges, da haben sie sich so mausetot gehauen mit einer solchen Intensität. Das kann nicht nur Hass gewesen sein, das war auch Prinzipienreiterei. Das war militärische Prinzipienreiterei."
"Das war Ausprobieren von neuen Methoden für weitere Formen von Gebirgskrieg. Das war die Kombination von 'Schlag tot' und sehr modernen Waffen, die dort zum Einsatz kamen. Am Hartmannsweilerkopf ist zum Beispiel lange vor Ypern und an anderen Orten mit Flammenwerfern experimentiert worden."
"Hier oben sind viele Menschen gestorben, junge Menschen, aber auch ältere. Aber auch in den Dörfern. Am Fuße des Hartmannsweilerkopfes sind viele Zivilisten gestorben. Von der Bombardierung her sind da viele Zivilisten gestorben, auch Kinder."
Gilbert Wagner lebt selbst im Dorf Jungholtz am Fuße des Hartmannsweilerkopfes:
"Die Dörfer am Fuße des Berges, die wurden getroffen von der französischen Artillerie, die war ja oben hinter dem Hartmannsweilerkopf auf diesen Höhen und hat auf den Hartmannsweilerkopf geschossen. Aber viele Granaten sind da drüber gegangen und sind runtergefallen, natürlich auf die Dörfer. (…) Diese kleinen Dörfer wurden natürlich sehr, sehr beschossen."
Ein Experimentierfeld
"Das Dramatischste waren nicht die vielen schrecklichen Erfrierungen, die man gehabt hat, sondern dieser unerbittliche Kampf Mann gegen Mann. Unter den widrigsten Bedingungen. Und wenn man sich fragt, warum? Und Wofür? Da war die schreckliche Hitze im Sommer mit ganz geringen Verpflegungsmöglichkeiten. Mit Maultieren haben sie das Essen hochgebracht. Oder mit Seilwinden. Und ihre Kanonen haben sie mit Seilwinden hochgebracht, wie nachher am Isonzo auch. Das ist alles Experimentierfeld."
"Die Versorgung auf deutscher Seite war natürlich leichter. Weil: Erstens mal war da deutsches Reich und die Soldaten waren ja am Fuße des Berges. Und sie hatten da die Möglichkeit mit dem Zug nach Soultz oder Bolweiler, das ist drei, vier Kilometer vom Berg. Und von dort ging es weiter mit einer Sachmalspurbahn oder mit Pferden oder Maultieren."
Elsass-Lothringen war zu Beginn des Ersten Weltkrieges noch von den Deutschen besetzt. Die meisten Elsässer mussten auf deutscher Seite kämpfen. Gilbert Wagner:
"Ungefähr 380.000 Soldaten wurden da eingezogen, auf deutscher Seite. 50.000 sind da gefallen. Und ungefähr zwischen 17.000 und 20.000 sind da weggegangen und sind auf die französische Seite gegangen und haben da gekämpft gegen die deutschen Soldaten. Es ist auch passiert, das ein Bruder auf französischer Seite war und ein anderer Bruder auf deutscher Seite."
Die meisten Elsässer, die von den Deutschen zum Kampf eingezogen wurden, kämpften jedoch nicht in ihrer Heimat - an der Vogesenfront. Historiker Gerd Krumreich, ehemals Professor in Düsseldorf und Freiburg:
"Die elsässischen Soldaten sind an der Ostfront gefallen. Im Februar 1914 haben die Deutschen nach der Zabern-Affäre, nach der großen Auseinandersetzung in Zabern – heute Saverne – wo die Militaristen geherrscht hatten und die Bevölkerung erschreckt hatten, hat die deutsche Reichsregierung im Februar 1914 beschlossen, dass elsässische Soldaten nicht an der Westfront eingesetzt werden im künftigen Krieg, sondern an der Ostfront und das ist dann auch ziemlich strikt durchgeführt worden."
Aufgestaute Angst auf beiden Seiten
"Mein Großvater war in der kaiserlichen Armee, er war in Berlin, weil er groß war. Und er ist dann 1917 desertiert. Und mein anderer Großvater war in der französischen Armee im Ersten Weltkrieg."
Auch Marc Halter ist ein Elsässer, der sich um den Erhalt von Kriegsanlagen in seiner Heimat kümmert. Nicht am Hartmannsweilerkopf, der im Elsass auch der "Menschenfresserberg" genannt wird, sondern ein paar Kilometer weiter nord-östlich an der Maginotlinie. Diese Verteidigungslinie gegen die Deutschen bauten die Franzosen bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Gilbert Wagner:
"Die Leute hatten Angst, einer vor dem Anderen. Die Franzosen hatten Angst vor den Deutschen und dann haben sie angefangen zu bauen. Und man hat da gespürt, dass der Erste Weltkrieg nicht am Ende ist. Da hat sich eine Angst aufgestaut und man weiß ja, was da kam, gar nicht lange danach. Und man hat gespürt, dass das gar kein Ende nimmt."
"Wir haben den Hass, der aus dem Ersten Weltkrieg vor allem von Deutschland aus weitergegangen ist. Gegen den sich die Franzosen eingebuddelt haben, mit ihrer Maginot-Linie. Mit ihrer Chinesischen Mauer. Weil sie gewusst haben, dass sie so ausgeblutet waren durch den Ersten Weltkrieg, dass sie einen Offensivkrieg nicht weiter würden führen können."
Die Verarbeitung des Ersten Weltkrieges, dieser "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" bestimmte nicht nur die Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs, sondern sie geht in Frankreich im Grunde bis heute weiter. Marc Halter erzählt, dass erst jetzt im Elsass Dokumente bekannt werden, die von der verheerenden Zahl der Selbstmorde an der Front berichten:
"Das hat man sehr lange verschwiegen. Man schätzt zwischen fünf und zehn Prozent der Toten waren Selbstmorde."
Franzosen gedenken ihrer Kriegstoten noch aktiv
Jeder zehnte Frontsoldat zieht den Freitod dem Sterben in der Schlacht vor: Das passte lange nicht in das Bild vom tapferen französischen Soldaten, der den großen Krieg gegen die Deutschen mit schweren Opfern, aber schließlich siegreich gestaltet hat. Gerd Krumeich:
"Der Hartmannsweilerkopf, das war damals Deutschland. Na ja gut, erst ab 1871, aber es war Deutschland. Für die Franzosen hatte dieser Kampf, dieses Anstürmen da, hatte oft eine Bedeutung des Elsass-Lothringen-Zurückbekommens. Aber der Elan, der damals da war bei diesen französischen Soldaten, die sich immer wieder neu darauf stürzten, den zu erobern, das war Demo. Das war ein Demonstrationskrieg."
"Und dann noch um eine Bergkuppe kämpfen, sich dann auf dem Berg oben einrichten müssen. Zwanzig Meter voneinander entfernt. Das hat so bizarre Züge. Und wenn man das Bizarre und Absurde des Ganzen zeigen will und gleichzeitig jetzt Pietätsgefühle nicht verletzen will, denn das muss man einfach bedenken. Denn es ist so, dass die Franzosen ihrer Kriegstoten des Ersten Weltkrieges noch ziemlich aktiv gedenken. Da kann man keine Späße machen."
Deswegen ist für den renommierten Geschichtsprofessor Gerd Krumeich die Arbeit an der ersten gemeinsamen deutsch-französischen Erinnerungsstätte zum 1. Weltkrieg kompliziert.
Geplant ist: Am 3. August, an dem Tag als Deutschland vor 100 Jahren Frankreich den Krieg erklärt hat, werden Bundespräsident Joachim Gauck und der französische Präsident Francois Hollande auf dem Hartmannsweilerkopf den Grundstein zum ersten länderübergreifenden Museum des Ersten Weltkriegs legen.
Ein Diskurs für alle, der niemanden verletzt
Noch gibt es keine gemeinsame Konzeption für die Ausstellung, die dann entstehen soll. Gerd Krumeich hält es für wichtig, die bis heute unterschiedliche Betrachtung des Ersten Weltkrieges in Deutschland und Frankreich nicht zu verkleistern:
"Ich möchte ja nicht, dass das erstickt wie so oft politische Balanceakte in nichtssagenden Formen. Das darf nicht sein. Wir müssen zu einem Diskurs kommen, den alle Menschen heute verstehen, ohne dass man verletzt wird. So wird es beispielsweise so sein, wie wir es an der Somme gemacht haben im Historial, dass man auch einfach mal das internationale Publikum, das da hinkommt darüber informiert, was das für die verschiedenen Seiten heute bedeutet. Das sie erfahren, wie unterschiedlich die Perzeption ist.
Für Frankreich ist der Erste Weltkrieg der "Grande Guerre" – der große Krieg, der zum Sieg über den gefürchteten Erzfeind Deutschland geführt hat. Was aber bedeutet dieser Krieg den Deutschen?
Gerd Krumeich streicht heraus, dass es die erbitterten politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik waren, die in Deutschland ein gemeinsames Gedenken an die Toten des Ersten Weltkrieges verhinderten. Vor allem die sogenannte "Dolchstoßlegende", nach der die deutschen Sozialdemokraten letztlich für den Diktatfrieden von Versailles verantwortlich waren:
"Und dieser ganze Hass der Weimarer Republik, dieser stumpfe, brutale Hass, der kommt nicht zuletzt daher. (…) Und dann waren da die politischen Morde von Eisner bis Rathenau. Und diese ganze Brutalität in diesen politischen Auseinandersetzungen kommt doch aus dieser Frustration nicht nur des verlorenen Krieges, sondern des groben und bösen Verdachtes, da ist jemand dran Schuld. Die Nazis haben das dann ja weitergeführt, der Jude war es. Der Jude hat uns den Krieg gemacht. Abstrusestes Zeug ist nach dem Ersten Weltkrieg behauptet worden und nicht nur von ganz marginalen Gruppen."
Colmar, die schmucke elsässische Stadt in der Rheinebene zu Fuße des Hartmannsweilerkopfes. Eine Altstadt wie gemalt: Fachwerk, malerische Gassen, idyllische Plätze mit Straßencafes. Das "magische Elsass" – so die Touristenwerbung.
Für Tourismus in Colmar und Umgebung ist auch Jean Klinkert zuständig. Er ist Direktor einer Behörde, die sich um die Entwicklung des Fremdenverkehrs in der Region kümmert. Jean Klinkert entwickelte maßgeblich die Idee eines sogenannten Gedenktourismus zum Weltkriegs-Schlachtfeld auf dem Hartmannsweilerkopf. Das hat auch ganz persönliche Gründe:
"Ich kann ihnen von meinem Großvater erzählen. Mein Großvater war 1899 geboren. In Colmar, in einer elsässischen Familie, damals im Reichsland Elsass-Lothringen. Und wurde von den Deutschen eingezogen, Anfang 1918, in ein Kavallerie-Regiment des Prinzen Joachim von Preußen in Straßburg. Als der Prinz ihn einmal angesprochen hat, hat er ihm gesagt: Reih – von Weitem siehst du dämlich aus und von Nahem stimmt's."
Hohn der überheblichen deutschen Besatzer
Diskriminierung der Elsässer durch preußische Offiziere, die sich als Vertreter einer überheblichen Besatzungsmacht aufspielen – das war spätestens seit der Zabern-Affäre Ende 1913 ein öffentliches Thema. Im elsässischen Ort Zabern – heute Saverne – hatte ein preußischer Leutnant bei einer Rekruteneinweisung elsässische Soldaten beschimpft und damit eine Protestbewegung in der Stadt und im gesamten deutschen Reich ausgelöst, die maßgeblich von der SPD getragen wurde.
Im Berliner Reichstag unterstützten auch die katholische Zentrumspartei und die Liberalen einen Missbilligungsantrag gegen das Vorgehen der Militärs im Elsass.
Jean Klinkert erzählt, dass sein Großvater den Krieg als deutscher Soldat überlebte und schon wenig später französischer Soldat werden musste. Denn mit dem Kriegsende 1918 gehörte Elsass-Lothringen wieder zu Frankreich:
"Und dann wurde er Anfang 1920 von den Franzosen eingezogen, um aus ihm einen guten Franzosen zu machen (lacht). Und dann wurde er im Jahr 1943 von der Gestapo verhaftet in Colmar und wurde in das sogenannte 'politische Erziehungslager' von Schirmeck interniert."
Im elsässischen Lager Schirmeck hielten die Nazis vor allem Elsässer und Lothringer gefangen, die sich der geplanten "Germanisierung" Elsass-Lothringens widersetzt hatten. Etwa dadurch, dass sie auf der Straße Französisch gesprochen hatten oder auch nur eine Baskenmütze trugen.
Sein Großvater überlebte den 2. Weltkrieg letztlich in einem Freiburger Gefängnis, berichtet Jean Klinkert weiter:
"Und dann wurde er im Jahr 1947 zum Bürgermeister der Stadt Colmar gewählt und ab 1954/55 hat er die ersten deutsch-französischen Bürgermeistertreffen am Rhein organisiert. Auch in Verbindung mit dem damaligen Regierungspräsidenten Anton Wichtel, der mit ihm im Freiburger Gefängnis gesessen hatte."
Versöhnungsprojekte gegen die bösen Erinnerungen
Schon die Biografie seines Großvaters verpflichte ihn, an dem deutsch-französischen Gedenkprojekt auf dem Hartmannsweilerkopf zu arbeiten, betont Jean Klinkert. Doch auch seine alte Mutter ließen die Erinnerungen an die dunkelste Episode der deutsch-französischen Geschichte nicht los:
"Sie war schon ein bisschen dement und anders und hat gesagt: Hörst Du die Hunde des Gestapo? Die werden meinen Vater ins Gefängnis bringen. Und das sind meine Erinnerungen."
Böse Erinnerungen, die Jean Klinkert mit aktiven Versöhnungsprojekten verarbeitet. Die von Klinkerts Großvater angeregten deutsch- französischen Bürgermeistertreffen finden bis heute statt, freut sich auch der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck. Sein Heimatort Steinfeld liegt direkt an der Grenze zum Elsass:
"Es gibt hier etwas, was es sonst kaum in gleicher Weise irgendwo in Europa gibt: Es gibt eine 'Amical' der Bürgermeister von 'hübbe un drübbe', also der elsässischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und - en chance - den kommunalen Spitzen auf unserer Seite. Man trifft sich. Jetzt ist gerade wieder zu einer Wanderung gemeinsam eingeladen."
Am Hartmannsweilerkopf braucht man allerdings für die Wanderung zu den Gräben und Stollen des Ersten Weltkrieges schon ein wenig Kondition, sagt Gilbert Wagner, der hier Gruppen führt:
"Der Rundgang ist ein Rundgang von ungefähr vier bis viereinhalb Kilometer. Mit 45 Tafeln die man lesen kann. Da sind auch Fotos drauf. Wenn man diese ganzen Tafeln lesen will, entweder auf Deutsch, Französisch oder Englisch, braucht man zwischen vier und fünf Stunden, wenn man das genau machen will."
Eine besondere Tour de France 2014
Nicht nur viele Gedenk-Wanderer werden im August zur 100. Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges auf den Vogesenkamm kommen. Auch die berühmteste Radtour der Welt wird hier aus diesem Anlass Station machen, erzählt Jean Klinkert:
"Im Rahmen des 100-Jährigen des Ersten Weltkrieges wird die Tour de France auf fünf Etappen auf der ehemaligen Westfront fahren. Zwischen Ärmelkanal, Nordsee und der Schweizer Grenze – im Elsass. Und auf französischer Seite ist es ein Beispiel einer interessanten Kooperation zwischen Medien, Sport und Geschichte."
Die deutsche Seite habe gerade auf diese Idee sehr reserviert reagiert, stellt Jean Klinkert fest. Der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge habe ihn auch gemahnt, den Erinnerungstourismus am Hartmannweilerkopf nicht zu sehr zum Rummelplatz werden zu lassen. Wie etwa den nicht weit von Colmar am Rhein gelegenen Europark Rust:
"Es ist ein bisschen schwer auf deutscher Seite, vom Erinnerungstourismus zu sprechen. Und als wir hier im Büro zum ersten Mal die Vertreter der deutschen Seite empfangen haben, haben die, zum Beispiel der Volksbund mir gesagt: Bitte, Herr Klinkert, machen sie aus dem Hartmannsweilerkopf keinen zweiten Europapark. Und diese Botschaft ist angekommen, das möchten wir auch nicht machen. Aber da viel Geld am Hartmannsweilerkopf in Verbindung mit Erinnerung und Geschichte investiert wird, möchten wir auch, dass in den Vogesentälern in Verbindung mit dem Erinnerungstourismus sich auch die touristische Wirtschaft stärker entwickelt."
Schwierigkeiten des gemeinsamen Erinnerns
Der deutsche Historiker Gerd Krumeich hat schon auf den Schlachtfeldern an der Somme erlebt, dass ein von ihm dort mit gestaltetes Historial – also eine Gedenkstätte - zum Ersten Weltkrieg auch wirtschaftliche Belebung gebracht hat. Eine späte, kleine "Wiedergutmachung" für eine gebeutelte Region:
"Ich habe das an der Somme erlebt, den Auftrieb, den die Stadt Perrone erlebt hat, durch das Historial. Durch die Zehntausende von Besuchern vor allem britischer Herkunft. Das schafft richtig Wirtschaft."
Doch auch an der Somme und vor allem in Verdun ist ein gemeinsames deutsch-französisches Gedenken bis heute nicht unproblematisch, weiß Gerd Krumeich aus eigener Erfahrung. Obwohl sich auch dort etwas bewege, so der Historiker:
"Da haben wir schon seit 2009 so eine Art gemeinsame Gedenkstätte, auf dem Fort Douaumont, vor Verdun. Das berühmte, berüchtigte Fort Douaumont. Dort ist im November 2009, von der Öffentlichkeit nicht so bemerkt, die deutsche Fahne zusammen mit der europäischen und der französischen Fahne gehisst worden. Und zwar von Soldatinnen der deutsch-französischen Brigade. Das war sehr bewegend, ich habe damals die Festansprache gehalten. Das ist nach wie vor ungeheuer kontrovers. Alle paar Tage wird die deutsche Fahne da von irgendeinem geklaut oder runtergezogen. Böse Stimmen sagen: Es ist der Bürgermeister von Verdun selbst, der das macht, weil er das hasst. Wird immer brav wieder hoch gezogen, mal sehen wo das endet."
Die Elsässer Gilbert Wagner und Jean Klinkert glauben jedoch nicht, dass es mit dem neuen gemeinsamen Museum am Hartmannsweilerkopf die Probleme geben wird, die es in Verdun noch gibt:
"Jetzt ist es vorbei, die junge Generation hat da keine Probleme mehr".
"Ich denke, was man auch dazu sagen muss: Es ist das erste Mal in der Geschichte Europas, das man mehr als 60 Jahre Frieden zwischen Frankreich und Deutschland hat."