"Es gibt einen Leidensdruck"
An diesem Wochenende treffen sich mehrere hundert Theaterfrauen in Bonn, um über Sexismus und Ungleichbehandlung in ihrer Branche zu diskutieren. Auch die Dramaturgin Sonja Anders wird dabei sein. Sie bemerkt viel Leidensdruck bei den Frauen, spricht sich für eine Quote aus und erzählt, was sie als Intendantin anders machen wird.
Warum stammen 70 Prozent aller Theaterinszenierungen von Männern? Und warum werden nur 20 Prozent aller Theater von Frauen geleitet? An diesem Wochenende treffen sich erstmals Theatermacherinnen, um solche brennenden Themen zu diskutieren. "Burning Issues" haben sie ihre Bestandsaufnahme überschrieben. Sie wollen Fragen wie den Sinn einer Frauenquote diskutieren und über Themen sprechen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die noch immer gravierenden Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.
Auch Sonja Anders wird dabei sein, Chefdramaturgin am Deutschen Theater in Berlin und designierte Intendantin am Schauspiel Hannover. Sie meint, wie groß offenbar das Interesse und der Leidensdruck der Theatermacherinnen sei, zeige sich schon am großen Andrang auf die 350 Plätze in Bonn. Mehr als 500 Frauen hätten sich zum ersten Treffen der Theatermacherinnen anmelden wollen. "Das zeigt, dass das Problem groß ist. Es gibt einen Leidensdruck."
Forderung nach der Quote "erst einmal toll"
Auch wenn das Problem der Geschlechterungleichheit seit über 20 Jahren bekannt sei, habe sich nicht genügend bewegt. Anders ist der Ansicht, dass die Themen Klassismus und Rassismus eng verwoben seien mit der Diskriminierung der Frauen. "Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass man an die Strukturen wirklich ran muss, deshalb finde ich die Forderung nach der Quote erst einmal eine tolle Forderung."
Sie selbst werde als Intendantin in Hannover einiges anders machen, wie gleiche Löhne für Männer und Frauen: "Ich finde diese Ungleichbezahlung ist eins der wichtigsten Zeichen für die Frauen". Auch werde es 50 Prozent Regisseurinnen auf der großen Bühne geben. "Das Tolle ist, dass man dann merkt, man könnte auch 70, 80 und 90 Prozent realisieren". Es gäbe genügend geeignete Frauen. Warum diese dann aber so wenig als Regisseurinnen an Häusern zu finden seien, erklärt Sonja Anders unter anderem mit einem "Denken, das bestimmt wird dadurch, dass Männer immer noch in der Öffentlichkeit als stärkere, als öffentlich wirksamere Wesen erkannt werden."
Die Kulturbranche hat noch einen weiten Weg vor sich
Die seit Herbst 2017 geführte #MeToo-Debatte findet Sonja Anders wichtig. Sie habe zum einen insofern bewirkt, dass der "Fokus sehr stark auf die Belange der Frauen auf diesen Machtmissbrauch gelenkt wird". Andererseits gäbe es natürlich nicht in allen Häusern Machtmissbrauch in der Form – und schon gar nicht sexuellen Missbrauch. "Es gibt viele frauen- und männergeführte Häuser, die sich sehr bemühen, einen 'code of behaviour' zu installieren, die arbeiten an Machismen, an Sexismen. Das finde ich etwas schade, dass alle kulturellen Bereiche so unter Generalverdacht stehen."
Zweifel hat Sonja Anders daran, dass sich durch einen Generationswechsel problematische Strukturen von selbst verändern: "Das wäre ja ein Kulturwandel. Das sind nicht einfach Regeln, die man umstößt, oder Arbeitszeiten, die man bestimmt. Das sind tiefer gehende Rollenverständnisse. Das ist ein weiterer Weg."