Erstürmung des Kapitols

Ein passender Abschluss für Trumps Präsidentschaft

07:10 Minuten
Ein Mob von Trump-Anhängern läuft durch eine Halle im Kapitol. Ein Mann in der Mitte hebt triumphierend die Arme.
Der Mob im Kapitol: Ende des Trumpismus oder der Auftakt zu etwas Neuem? © picture alliance / Pacific Press / Michael Nigro
Jan-Werner Müller im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Trump-Anhänger stürmen das Kapitol: Eine merkwürdige Mischung aus politischem Aufstand und Selfie-Tourismus sei das gewesen, sagt der Politologe Jan-Werner Müller. Was nun aus der trumpistischen Bewegung werde, hänge von den Republikanern ab.
Als der US-Kongress zusammenkam, um den Wahlsieg von Joe Biden zu bestätigen, stürmten Anhänger von Präsident Donald Trump das Kapitol. Was am Mittwoch in Washington geschehen ist, sei "ein präzedenzloser Angriff auf die Demokratie", sagt der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller von der Princeton University.
Dabei sei auch mit einer wichtigen amerikanischen Tradition gebrochen worden, betont Müller: Die Mall, also das Gebiet vor dem Kongress, sei sehr bewusst ein Ort des Protests in der amerikanischen politischen Kultur. "Und plötzlich wird das in gewisser Weise missbraucht", so der Politikwissenschaftler.
Müller sieht in der Erstürmung des Kapitols "eine merkwürdige Mischung aus politischem Aufstand und Selfie-Tourismus und Leuten, die dann sagen: Naja, jetzt müssen wir erst mal ein Bier trinken". Wie auch bei Trump selbst kämen hier Grausamkeit, Gewaltbereitschaft, Inkompetenz und eine gewisse Faulheit zusammen.
In gewisser Weise sei das ein Abschluss, der zu dieser Präsidentschaft passe, meint der Politologe. Lange im Vorfeld schon habe es Signale gegeben, dass Gewalt in Ordnung sei, solange sie nur für die vermeintlich gerechte Sache ausgeübt werde. Und: "Ob das wirklich das Ende ist, das kann man mit guten Gründen bezweifeln. Denn diese Bewegung ist ja in der Welt."

Das doppelte Spiel der Republikaner

Man höre am Tag nach der Erstürmung des Kapitols sehr wenig von den republikanischen Führern, die wochenlang eine Art doppeltes Spiel getrieben hätten, stellt Müller fest.
"Einerseits haben sie Signale gesendet: Wir glauben auch ein bisschen an diese Verschwörungstheorien. Andererseits wollte man aber auch pragmatisch sein und im Grunde hat man gewusst: Biden wird Präsident."
Es gebe - nicht nur in den USA, auch in europäischen Ländern - "eine Art Mainstreaming" von rechtsextremistischen Inhalten, sagt Müller. Er verweist auf Schnittstellen zwischen Republikanern und der trumpistischen Bewegung sowie den rechten Medien.
Bisher sehe man keine deutlichen Anzeichen dafür, dass republikanische Senatoren, die bis zuletzt zu Trump standen, ausgeschlossen werden könnten. Oder dass Politiker, die so frontal die Demokratie angriffen, ihren Sitz im Parlament nicht einnehmen dürften.
"Das hat man beispielsweise im 19. Jahrhundert nach dem Bürgerkrieg gemacht", berichtet Müller. "Man hat gesagt: So lange die Südstaatler nicht akzeptieren, dass es mit der Sklaverei und White Supremacy vorbei ist, dürfen die auch ihren Platz im Kongress nicht einnehmen."

Ende oder Anfang

Wenn das Mainstreaming des Rechtsextremismus so weitergehe, dann sei es nicht ausgeschlossen, dass man eines Tages auf den 6. Januar zurückblicke und ihn nicht als Ende, sondern als Vorläufer von etwas sehe, meint der Politikwissenschaftler.
Dennoch sei in Washington nun auch etwas geendet: Trump sei es nicht gelungen, Mehrheiten mit einem inhaltlichen Programm zu überzeugen. Anders etwa als Ronald Reagan, der es geschafft habe, viele Leute, die sich zuvor als Demokraten betrachtet hätten, auf die Seite der Republikaner zu ziehen.
Reagan habe eine kulturelle politische Hegemonie errungen, innerhalb derer sich auch demokratische Politiker wie Bill Clinton und Barack Obama anschließend hätten bewegen müssen, etwa bei wirtschaftspolitischen Themen.
(jfr)
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