Erzählung "Leichter Wind im Paradies"

Griechenland fern der Krise

Die Autorin Carmen-Francesca Banciu
Die Autorin Carmen-Francesca Banciu © Marijuana Gheorghiu
Von Carsten Hueck |
Kaum ein Land ist im Moment mehr im Gespräch als Griechenland, meist geht es jedoch ums schnöde Geld. Die rumänisch-deutsche Autorin Carmen-Francesca Banciu schildert dagegen in "Leichter Wind im Paradies" einen magischen Sehnsuchtsort im Süden der Peloponnes.
Die rumänische, in Berlin lebende, auf Deutsch schreibende Autorin Carmen-Francesca Banciu hat in Griechenland einen magischen Ort gefunden: Seit 15 Jahren fährt sie nach Mani, einem Landstrich im Süden der Peloponnes. Sie liebt die archaische Kraft der dortigen Natur und hat nun zum ersten Mal ein Buch über ihre Verbundenheit mit dieser Gegend geschrieben.
Bancius autobiografische Ich-Erzählerin bezieht Quartier in einem kleinen Haus oberhalb eines Dorfes. Was zuerst aussieht wie ein Ort des Rückzugs, entpuppt sich im Fortgang der Lektüre als ein Ort des Ankommens und die Aufzeichnungen der Erzählerin werden zum Protokoll einer behutsamen Kontaktaufnahme mit der sie umgebenden Landschaft, den Tageszeiten, Geräuschen, Tieren und mit sich selbst. "Augen hinter den Augen der Augen öffnen sich."
Das geschieht langsam, in einem Rhythmus, der Pausen vorgibt. Viele Sätze wirken wie Verse, manche bestehen nur aus einem Wort. Aus der anfänglichen Erschöpfung der Erzählerin wird langsam Konzentration. Bancius Art zu schreiben, das Forcieren des Komprimierten, die Überschaubarkeit der Sätze entschleunigt Zeit- und Lesefluss, intensiviert die Aufmerksamkeit.
Je länger sich die Ich-Erzählerin im Haus und seiner Umgebung aufhält, desto mehr Entdeckungen macht sie: Melonenkerne und Lichtspiegelungen auf dem Teller, den feinen Schriftzug auf einer griechischen Filterzigarette, das vielfarbige Blau des Meeres. Sie nimmt die Polyphonie des Regens wahr, wenn er auf Pflastersteine, Holz oder einen Metalltisch fällt genauso wie das Duftmeer aus Kräutern und Pflanzen. Zwei Heuschrecken werden zu vertrauten Mitbewohnern und bekommen Namen, Orestes und Clytemnestra.
Reichtum der Natur
Doch die Autorin hütet sich davor, die Natur zu idealisieren. Ein Tausendfüßler verursacht Ausschlag, Ameisen werden ermordet und auch das Ende von Clytemnestra ist – ganz in Übereinstimmung mit der gleichnamigen Figur aus der griechischen Tragödie – gewalttätig und grausam.
Dennoch oder gerade deshalb kann sich die Ich-Erzählerin als Teil des großen Ganzen begreifen. Nach einer Phase des Alleinseins, den wiederholten Blicken auf die Weite des Meeres und den Mikrokosmos der Insekten, wendet sich Bancius Erzählerin wieder den Menschen zu: Sie spricht mit ihren Nachbarn, trampt ins Dorf, macht am Strand und Hafen neue Bekanntschaften.
Carmen-Francesca Bancius Schilderungen, sinnlich und poetisch, lassen Raum für Assoziationen. Ebenso wie die selbst aufgenommenen Fotos, mit denen die Autorin ihr Buch versehen hat und die sich wunderbar in den Text einfügen.
"Leichter Wind im Paradies" – der Titel verspricht nicht zu viel. Tatsächlich fühlt man sich als Leser erfrischt durch diese leichten, feinen und tiefgründigen Texte. Ein Sommeridyll schildert Carmen-Francesca Banciu nicht. Doch ihre Naturbeschreibungen erlauben, vom Reichtum der Schöpfung zu sprechen – anstatt von Umweltressourcen und Ferienressorts.

Carmen-Francesca Banciu: Leichter Wind im Paradies
PalmArtPress, Berlin 2015
160Seiten, 16,90 Euro

Mehr zum Thema