Es ist ja auch wichtig, dass man in der Behandlung von Erkrankungen eine Routine und Standards hat. Und diese wurden in den letzten Monaten, fast Jahren erarbeitet und führen auch zur Beruhigung.
Corona im Erzgebirge
Als erste Region in Sachsen war das Erzgebirge im Oktober 2020 zum Corona-Risikogebiet erklärt worden. © picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Angst vor der nächsten Welle
07:12 Minuten
In Annaberg-Buchholz im Erzgebirge hat die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren schlimm gewütet. Ärzte, Patienten und Pflegekräfte waren verzweifelt. Jetzt fürchten viele die anrollende neue Welle, aber es gibt auch Zeichen der Zuversicht.
Ende November 2021 sitzt der Arzt Mario Stumpfel in einem Aufenthaltsraum im Erzgebirgsklinikum in Annaberg Buchholz. „Wir werden noch in den nächsten Tagen in einen Notfallbetrieb übergehen müssen“, sagt er. „Alle personellen Ressourcen zur Versorgung der absoluten Notfallpatienten und dringlichen Behandlungen mobilisieren.“
Das Klinikum ist für Besucher geschlossen. Die Inzidenz liegt damals im sächsischen Erzgebirgskreis, dem bevölkerungsreichsten Landkreis im Osten Deutschlands, über 1000. Die Intensivbetten sind hier alle belegt. Die Situation in der Klinik und in der Region, erklärt er, sei so angespannt wie nie zuvor.
„Dass wir mehrmals am Tag verstorbene Patienten in die Leichenhalle verlegen oder fahren müssen und entsprechend die Angehörigen informieren müssen über den Tod der Patienten, das wird kommen“, sagt er. „Das ist leider nicht abzuwenden, weil die Infektionen, die jetzt geschehen, die werden ihren Blutzoll fordern, das muss man einfach so sagen.“
Ein Hotspot der Pandemie
Allein im Erzgebirgsklinikum in Annaberg Buchholz starben im vergangenen Winter weit über 100 Patienten an oder mit Corona. Kaum eine andere Gegend war in den Hochphasen der Corona-Wellen so heftig von der Pandemie betroffen wie der Erzgebirgskreis.
Vor wenigen Tagen habe ich Mario Stumpfel erneut getroffen, mit dabei war die Intensivkrankenschwester Jessie Schütze. Ich möchte wissen, wie sie die derzeitige Corona-Situation einschätzen. Wie es ihnen geht mit dem, was sie in den letzten Monaten erlebt haben, und wie sie dem Herbst und Winter entgegensehen.
Wir sitzen im hochsommerlich heißen Park des Krankenhauses, vor historischer Stadtkulisse, mit Blick auf die Berge. Es gebe seit einiger Zeit wieder mehr Corona-Patienten auf den Normalstationen, sagt der Arzt Mario Stumpfel, „auch eine Zunahme an Fällen auf der Intermediate Care Station, also mit erhöhtem Aufwand, Behandlungsaufwand.
Und weiter: „Wir selbst sehen derzeit keine wesentliche Zunahme an intensivpflichtigen Patienten im Sinne von beatmungspflichtigen Patienten. Eben nicht die typische Covid-19-Pneumonie mit ihren eindeutigen Symptomen und auch pathologischen Befunden. Die derzeitigen Omikron-Varianten scheinen doch weniger diese schwere Covid-19-Pneumonie auszulösen.“
Gelassenerer Umgang im Krankenhausalltag
Insgesamt sei der Umgang mit der Pandemie im Krankenhausalltag ein wenig gelassener – und routinierter geworden. Auch, weil das Wissen um Krankheitsverläufe und Behandlungsmöglichkeiten gewachsen sei.
„Dass Strukturen geschaffen wurden, die aktiviert werden können, die erweitert werden können oder eben auch zeitnah zurückgefahren werden können, um den Regelbetrieb in den Krankenhäusern aufrecht zu erhalten“, erklärt er.
Auch wenn es ruhiger geworden ist hier auf den Corona-Stationen im Erzgebirgsklinikum – Erinnerungen bleiben und sind mal mehr, mal weniger gegenwärtig. Das sagt auch die Intensivkrankenschwester Jessie Schütze.
„Ich habe im Traum weiter reanimiert“
„Also ich muss sagen, wir waren dann im Frühjahr sehr froh, als der letzte Corona-Patient zur Reha gegangen ist und danach erst mal keiner mehr kam. Es war schon eine andere Zeit, wenn du in einer Schicht drei Zugänge bekommst, dreimal intubieren, beatmen, reanimieren musst und am Ende hat es trotzdem nichts gebracht. Das habe ich schon zum Teil mit nach Hause gebracht“, erzählt sie.
Ich erinnere mich noch an so eine ganz schlimme Nachtschicht, da haben wir, glaube ich, zwei oder drei Patienten reanimieren müssen. Da bist du früh um acht irgendwann ins Bett und ich habe einfach im Schlaf, im Traum, weiter reanimiert. Davor habe ich doch auch ein bisschen Angst, dass das jetzt vielleicht wieder so weit kommen könnte.
Personalsituation ist aktuell angespannt
Angespannt ist im Erzgebirgsklinikum – wie in so vielen anderen Krankenhäusern auch – nach wie vor die Personalsituation. Im ärztlichen – vor allem aber im pflegerischen Bereich.
„Im pflegerischen Bereich muss man sie als chronisch bezeichnen, sodass jede weitere Eskalation, sei es durch wieder vermehrt Mitarbeiter in Isolation aufgrund einer Infektion – selbst die Urlaubszeit führt doch noch zu Einschränkungen in der Versorgung“, sagt Mario Stumpfel.
„Es müssen halt nach wie vor bestimmte Bereiche geschlossen gehalten werden, aufgrund dessen, dass die Mitarbeitersituation nach wie vor nicht ausreicht, um alle Stationen im Regelbetrieb am Laufen zu halten.“
Mehr Personal, eine Entlastung der Pflegekräfte, das wäre dringend notwendig, sagt auch die Intensiv-Krankenschwester Jessie Schütze.
„Also zum einen glaube ich schon, dass wir mehr an Ansehen gewonnen haben, aber das war auch nur so eine kurze Zeit lang. Ich finde, es müsste sich längerfristig was tun, dass man wirklich sagt: Vielleicht doch noch mal einen Bonus mehr bekommen. Der erste war da, auf den zweiten warten wir immer noch. Vielleicht auch mehr Freizeit“, sagt sie.
Mit gemischten Gefühlen in den Herbst
In den Herbst und den Winter gehen sie hier mit gemischten Gefühlen. Die Infektionszahlen steigen wieder, viele fürchten, dass sich die Situation in den nächsten Monaten erneut zuspitzen könnte.
„Andererseits macht der Sommer mit zwar hohen Infektionszahlen, aber doch weniger schwerstkranken Patienten und damit auch tödlich verlaufenden Fällen auch Hoffnung, dass aufgrund der Verbesserung der Immunitätslage der Bevölkerung, auch aufgrund dieses hohen Infektionsgeschehens, wir durchaus gewappnet sein werden für die Herbstwelle“, sagt Mario Stumpfel.
Und weiter: „Sodass ich hoffe, wenn keine neue Variante, die bedrohlicher ist und krankmachender ist, auftritt, ich davon ausgehe, dass wir nicht in eine ähnliche Situation geraten – zumindest hoffen wir das auch – wie das im vergangenen Jahr zur Jahreswende und Anfang dieses Jahres der Fall war.“
Auch an die neuen Virusvarianten angepasste Impfstoffe könnten helfen – wenn sie rechtzeitig zur Verfügung stehen, und vor allem Risikogruppen auch bereit sind, sich erneut impfen zu lassen.