Werner Bartens: Glückliche Kinder. Was sie stark und gesund macht
Droemer Knaur, München 2013
336 Seiten, 19,99 Euro
Kein Daddeln am Mittagstisch
Der Wissenschaftsjournalist Werner Bartens widmet sich in seinem aktuellen Buch dem Thema: Kinder haben, Eltern sein und allen Unsicherheiten, die damit verbunden sind. Auch das Glück kommt nicht zu kurz.
Vor einigen Jahren feierten die 15 Millionen überwiegend jugendlichen Spieler des Online-Computerspiels "Halo 3" den Erfolg ihrer solidarischen Bemühungen: Sie hatten virtuell zehn Milliarden Aliens der feindlichen Allianz erschossen - mit durchschnittlich 17,5 Millionen Tötungen pro Tag.
Das ist die Welt, in der sich Eltern heute Gedanken über die Erziehung ihrer Kinder machen. Ballerspiele - ja oder nein? Wie viel Fast Food ist noch verträglich? Machen Impfungen krank oder gesund? Braucht ein Grundschulkind zehn Stunden Schlaf? Verklebt Kaugummi den Magen? In seinem neuen Buch "Glückliche Kinder" greift Werner Bartens, bei der Süddeutschen Zeitung Wissenschaftsredakteur, Autor von Erfolgsbüchern und selbst fünffacher Vater, eine Fülle an Erziehungsthemen auf. Um Bindung und Unabhängigkeit geht es, Krankheiten und Gesundheit, Fordern und Fördern, Essen, Trinken und Bewegung - und um die vielen kleinen Mythen der Erziehung, vom klebenden Kaugummi bis zum Schwimmen mit vollem Magen.
Angenehm unaufgeregt schreibt Bartens, kinderfreundlich, auf Basis aktueller Forschung und mit einer Riesenportion gesundem Menschenverstand. Zum Beispiel zum großen Streitthema elektronische Medien: Nach wie vor gebe es keinen Nachweis, dass Jugendliche durch Videospiele zu brutalen Straftätern würden, sonst hätte sich die reale Welt - siehe "Halo 3" - längst in ein Blutbad verwandelt. Junge Menschen verwechseln auch nicht das echte mit dem virtuellen Leben, sondern vertiefen in den sozialen Netzwerken lediglich ihre realen Freundschaften.
Vorstellungen mit Bodenhaftung
Der Autor unterstreicht: Seit Jahren ist die Jugendgewalt rückläufig. Entscheidend für die Gewaltbereitschaft junger Menschen seien die Umgangsformen zu realen Bezugspersonen - also das, was Eltern, Lehrer und Freunde vormachen. Ansonsten empfiehlt der Autor die guten alten Regeln: ein tägliches oder wöchentliches Kontingent an Elektronikzeit mit Anwendungen, in welche die Eltern einen interessierten Blick geworfen haben, und kein Smartphone-Daddeln am Mittagstisch.
Auch medizinischen Themen gewinnt der Werner Bartens, selbst Arzt, aufschlussreiche Seiten ab. Was etwa bedeutet es, wenn junge Menschen heute um Jahre früher in die Pubertät kommen als noch vor hundert Jahren? Eltern seien gut beraten, betont der Autor, sich vom reifen Äußeren ihrer Heranwachsenden nicht verwirren zu lassen - Elfjährige bleiben dem Grad ihrer seelischen Entwicklung nach dennoch Kinder. Etwas altbacken hingegen liest es sich, wenn Bartens gegen die Alternativmedizin wettert. Dass der Placebo-Effekt zu den am meisten unterschätzten Wirkfaktoren in der modernen Medizin zählt, lässt der ansonsten so wohl informierte Autor unerwähnt - ebenso wie die 19.000 Todesfälle pro Jahr durch verkehrte Medikamente und mangelnde Hygiene, die Kollateralschäden des medizinischen Mainstream.
Dennoch bleibt "Glückliche Kinder" eine Empfehlung. Sollte der Nachwuchs in seinem Umfeld auf ähnlich entspannte, interessierte und informierte Erziehungsvorstellungen mit Bodenhaftung treffen - es wäre ihm sehr zu wünschen.