Ein anspruchsvolles Ziel - ein Leben lang
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Mündigkeit kann man nicht lernen, findet der Erziehungswissenschaftler Markus Rieger-Ladich. Vielmehr müsse Verantwortung für das eigene Handeln geübt werden. Dieser Befreiungsprozess endet nicht nach der Schule.
Eines der großen Erziehungsziele in Deutschland ist die Mündigkeit. Doch diese lasse sich nicht einfach lernen, unterstreicht Markus Rieger-Ladich. Er lehrt Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Tübingen und engagiert sich in der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft.
Verantwortung übernehmen
Stattdessen könne man versuchen, "Mündigkeit einzuüben", so Rieger-Ladich. "Das ist eine sehr anspruchsvolle Sache." Denn dabei gehe es um die Frage, "wie können wir einzelne dazu befähigen oder auf dem Weg begleiten, tatsächlich ein selbstbestimmtes Leben zu leben." Das heiße Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen und andere nicht zu gefährden.
Ursprünglich komme der Begriff der Mündigkeit aus der Rechtswissenschaft und bedeute Geschäftsfähigkeit, erläutert der Hochschullehrer. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die deutschsprachige Erziehungswissenschaft "aus gutem Grund" nach neuen Termini gesucht. Mündigkeit sei dafür besonders attraktiv, denn: "Wer von uns wollte unmündig sein?"
Kadavergehorsam hinter sich lassen
Der aktuelle Begriff der Mündigkeit verweise auf die Frage der Lebensführung, so der Erziehungswissenschaftler. Dabei sei es seit den 50er-Jahren auch darum gegangen, den vormaligen Kadavergehorsam hinter sich zu lassen und sich aus Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen, die bei vielen auch verinnerlicht seien. Dieser Befreiungsprozess sei ein lebenslanger und höre nicht mit der Volljährigkeit auf. Vor allem Schulen leisteten dabei "eine ganze Menge", so Rieger-Ladich.
(rzr)