"Es fehlt das Gesamtkonzept"
Die grüne Europa-Abgeordnete Franziska Brantner hält die Erhöhung der deutschen Soforthilfe auf 2,7 Millionen Euro für Somalia für wirkungslos. Es sei fraglich, ob dies helfe, Somalia zu stabilisieren.
Ute Welty: In einem ersten Schritt erhöht Deutschland die humanitäre Soforthilfe für Somalia um eine Million auf 2,7 Millionen Euro, und Deutschland beteiligt sich an den europäischen Missionen zur Piratenbekämpfung und zur Soldatenausbildung. Darüber spreche ich jetzt mit Franziska Brantner, sie ist außenpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Guten Morgen, Frau Brantner!
Franziska Brantner: Guten Morgen!
Welty: Sind Sie zufrieden mit Art und Umfang der deutschen Beteiligung an der europäischen Hilfe für Somalia?
Brantner: Nein, wir sind auch nicht zufrieden mit der europäischen Hilfe an sich. Wir glauben, dass die Ausbildung von insgesamt 2000 Soldaten ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Es fehlt das Gesamtkonzept für Somalia und ehrlich gesagt: Herr Westerwelle hat gerade gesagt, die Stabilität Somalias ... - Somalia an sich ist eine Fiktion. Somaliland zum Beispiel, sagen mehrere Experten, ist relativ möglich, als sicheren, stabilen Staat aufzubauen.
In Europa geben wir mittlerweile die Fiktion von Staaten auf, Kosovo wurde anerkannt gestern gerade wieder; in Afrika halten wir an den alten Kolonialgrenzen fest. Vielleicht müssen wir das auch mal überdenken. Und es gibt eben kein wirkliches Gesamtkonzept und die Erhöhung um ein paar Millionen ist ehrlich gesagt relativ wirkungslos.
Welty: Sie können also in dieser Aufstockung der humanitären Soforthilfe kein gutes Zeichen erkennen?
Brantner: Na ja, ich sage immer, das ist symbolhaft, nett. Ob es wirklich hilft, Somalia zu stabilisieren, ist eine andere Frage. Die Europäische Kommission macht zum Beispiel lokal vor Ort relativ guten Rechtsstaatsaufbau. Das ist das, was wir brauchen dort, dort müssten die Gelder hin und zwar massiv, wenn man wirklich Somalia helfen wollte, von unten her auch wieder Strukturen aufzubauen, die irgendwie dieses Land wieder regierbar machen.
Welty: Ein wesentliches Projekt ist ja die Bekämpfung der Piraterie vor der Küste von Somalia mit der Mission Atalanta, eine europäische Mission. Wäre dort mehr Geld, mehr Einsatz nicht angebracht?
Brantner: Nein, ich glaube, dass dort eigentlich ganz gut unsere Schiffe ja hauptsächlich gesichert werden. Da geht es ja weniger um die Sicherheit in Somalia. Vor allen Dingen, was Deutschland auch endlich ändern müsste, ist, dass deutsche Söldner ja in Somalia die andere Seite ausbilden. Das heißt, während deutsche Soldaten eine Fraktion ausbildet, bilden deutsche Unternehmen die andere Seite aus. Ich finde es immer noch unglaublich, dass Herr Westerwelle dort nicht den Mut hat, endlich mal klar zu sagen, das geht eigentlich nicht, da brauchen wir dringend ein Gesetz.
Afrikanische Länder wie Südafrika haben das, in Deutschland fehlt so was immer noch. Also, wenn man dort konsequent wäre, müsste man auch noch mal ganz andere Dinge angehen, das im Deutschen Bundestag diskutieren, was wir dort machen – wurde noch nie diskutiert, obwohl dort deutsche Soldaten sind –, und wirklich eine Diskussion darüber haben, was kann Deutschland effektiv für Somalia und damit auch für Afrikas Sicherheit wirklich tun?
Welty: Die deutschen Soldaten halten sich ja nicht in Somalia selbst auf, sondern in Uganda ...
Brantner: ... in Uganda ...
Welty: ... ,und sorgen dort für die Ausbildung somalischer Soldaten. Müsste man nicht mehr Präsenz im Land selbst zeigen?
Brantner: Na, das ist natürlich eine ganz gewagte Frage, das hätte da natürlich wahnsinnige Implikationen. Ich glaube, dass es schon sinnvoll ist, auch mit der Afrikanischen Union dort zusammenzuarbeiten. Die Frage ist eben nur: Was passiert mit den ausgebildeten Soldaten aus Uganda? Im Endeffekt ist es eine Mission, die die Europäische Union übernommen hat von Frankreich, die war vorher in Dschibuti, jetzt wird sie europäisch finanziert, aber geändert hat sich nicht viel.
Es sind nur 2000 Soldaten und die Frage ist nicht geklärt, was mit diesen Soldaten hinterher passiert: Wer finanziert die, wer zahlt ihren Lohn, wie wird sichergestellt, dass sie nicht überlaufen zu den Rebellen? Das sind für uns die Fehlkonstruktionen bei dieser Mission, die eben auch wirklich erst mal angegangen werden müssten, bevor wir dort aufstocken und mehr Leute hin senden.
Welty: Noch mal zum Thema Präsenz deutscher Soldaten in Somalia selbst: Wenn deutsche Soldaten im Kosovo sind und deutsche Soldaten in Afghanistan, was spricht denn für eine solche Lösung auch im europäischen oder internationalen Rahmen?
Brantner: Also erst mal bräuchte so eine Lösung eine irgendwie geartete Regelung für die Region, die auch nur ansatzweise ein Friedenskonstrukt ermöglichen würde, das man dann zu verteidigen hätte. Jetzt hinzugehen und auf einer Seite wirklich zu kämpfen gegen die andere, hielte ich für gefährlich.
Falls es dazu kommen sollte, dass man wirklich einen Frieden dort hat, den es zu unterstützen gibt, dann könnte man sich das durchaus vorstellen. Das müsste natürlich dann massiv sein ähnlich wie im Kosovo auch.
Ob dazu unsere deutsche Bevölkerung bereit ist, würde ich mal noch hinten anstellen, aber sozusagen müsste man erst mal wissen, für was man dorthin geht und wofür die Soldaten dann überhaupt eingesetzt werden. Bis jetzt wäre mir das überhaupt nicht klar.
Welty: Die afrikanische Seite selbst oder Stimmen aus Afrika - zum Beispiel aus Tansania – fordern mehr Militär nach Somalia, auch mehr internationales Militär.
Brantner: Ja, sie fordern das, weil sie mittlerweile mit ihrer eigenen Afrikanischen Union auch eben scheitern und sie an Anschlägen mittlerweile leiden. Aber die sage ich mal klugen Köpfe, die man aus Afrika hört, fordern auch zuerst Regionalkonferenzen für Somalia, erst eine politische Lösung, wo man dann eben auch mit einem politischen Ziel dann gezielt auch internationale Truppen – ich würde das dann eben nicht nur als EU-Truppe, sondern als UN-Truppe wenn dann senden – schicken kann.
Da ist natürlich das große Problem, dass die Amerikaner schon mal kläglich in Somalia gescheitert sind und deswegen dort auch große Widerstände sind gegen eine UN-Truppe. Was ich aber trotzdem für die richtige Truppe hielt und nicht eine reine EU-Truppe.
Welty: Somalia im Brennpunkt, dazu das Interview mit der Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner in Deutschlandradio Kultur, ich danke für Ihre Einschätzung!
Brantner: Ich danke Ihnen ...
Welty: Sieben Uhr ...
Brantner: ... , vielleicht etwas pessimistisch, aber ...
Welty: ... man muss auch mal die Wahrheit sagen können!
Franziska Brantner: Guten Morgen!
Welty: Sind Sie zufrieden mit Art und Umfang der deutschen Beteiligung an der europäischen Hilfe für Somalia?
Brantner: Nein, wir sind auch nicht zufrieden mit der europäischen Hilfe an sich. Wir glauben, dass die Ausbildung von insgesamt 2000 Soldaten ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Es fehlt das Gesamtkonzept für Somalia und ehrlich gesagt: Herr Westerwelle hat gerade gesagt, die Stabilität Somalias ... - Somalia an sich ist eine Fiktion. Somaliland zum Beispiel, sagen mehrere Experten, ist relativ möglich, als sicheren, stabilen Staat aufzubauen.
In Europa geben wir mittlerweile die Fiktion von Staaten auf, Kosovo wurde anerkannt gestern gerade wieder; in Afrika halten wir an den alten Kolonialgrenzen fest. Vielleicht müssen wir das auch mal überdenken. Und es gibt eben kein wirkliches Gesamtkonzept und die Erhöhung um ein paar Millionen ist ehrlich gesagt relativ wirkungslos.
Welty: Sie können also in dieser Aufstockung der humanitären Soforthilfe kein gutes Zeichen erkennen?
Brantner: Na ja, ich sage immer, das ist symbolhaft, nett. Ob es wirklich hilft, Somalia zu stabilisieren, ist eine andere Frage. Die Europäische Kommission macht zum Beispiel lokal vor Ort relativ guten Rechtsstaatsaufbau. Das ist das, was wir brauchen dort, dort müssten die Gelder hin und zwar massiv, wenn man wirklich Somalia helfen wollte, von unten her auch wieder Strukturen aufzubauen, die irgendwie dieses Land wieder regierbar machen.
Welty: Ein wesentliches Projekt ist ja die Bekämpfung der Piraterie vor der Küste von Somalia mit der Mission Atalanta, eine europäische Mission. Wäre dort mehr Geld, mehr Einsatz nicht angebracht?
Brantner: Nein, ich glaube, dass dort eigentlich ganz gut unsere Schiffe ja hauptsächlich gesichert werden. Da geht es ja weniger um die Sicherheit in Somalia. Vor allen Dingen, was Deutschland auch endlich ändern müsste, ist, dass deutsche Söldner ja in Somalia die andere Seite ausbilden. Das heißt, während deutsche Soldaten eine Fraktion ausbildet, bilden deutsche Unternehmen die andere Seite aus. Ich finde es immer noch unglaublich, dass Herr Westerwelle dort nicht den Mut hat, endlich mal klar zu sagen, das geht eigentlich nicht, da brauchen wir dringend ein Gesetz.
Afrikanische Länder wie Südafrika haben das, in Deutschland fehlt so was immer noch. Also, wenn man dort konsequent wäre, müsste man auch noch mal ganz andere Dinge angehen, das im Deutschen Bundestag diskutieren, was wir dort machen – wurde noch nie diskutiert, obwohl dort deutsche Soldaten sind –, und wirklich eine Diskussion darüber haben, was kann Deutschland effektiv für Somalia und damit auch für Afrikas Sicherheit wirklich tun?
Welty: Die deutschen Soldaten halten sich ja nicht in Somalia selbst auf, sondern in Uganda ...
Brantner: ... in Uganda ...
Welty: ... ,und sorgen dort für die Ausbildung somalischer Soldaten. Müsste man nicht mehr Präsenz im Land selbst zeigen?
Brantner: Na, das ist natürlich eine ganz gewagte Frage, das hätte da natürlich wahnsinnige Implikationen. Ich glaube, dass es schon sinnvoll ist, auch mit der Afrikanischen Union dort zusammenzuarbeiten. Die Frage ist eben nur: Was passiert mit den ausgebildeten Soldaten aus Uganda? Im Endeffekt ist es eine Mission, die die Europäische Union übernommen hat von Frankreich, die war vorher in Dschibuti, jetzt wird sie europäisch finanziert, aber geändert hat sich nicht viel.
Es sind nur 2000 Soldaten und die Frage ist nicht geklärt, was mit diesen Soldaten hinterher passiert: Wer finanziert die, wer zahlt ihren Lohn, wie wird sichergestellt, dass sie nicht überlaufen zu den Rebellen? Das sind für uns die Fehlkonstruktionen bei dieser Mission, die eben auch wirklich erst mal angegangen werden müssten, bevor wir dort aufstocken und mehr Leute hin senden.
Welty: Noch mal zum Thema Präsenz deutscher Soldaten in Somalia selbst: Wenn deutsche Soldaten im Kosovo sind und deutsche Soldaten in Afghanistan, was spricht denn für eine solche Lösung auch im europäischen oder internationalen Rahmen?
Brantner: Also erst mal bräuchte so eine Lösung eine irgendwie geartete Regelung für die Region, die auch nur ansatzweise ein Friedenskonstrukt ermöglichen würde, das man dann zu verteidigen hätte. Jetzt hinzugehen und auf einer Seite wirklich zu kämpfen gegen die andere, hielte ich für gefährlich.
Falls es dazu kommen sollte, dass man wirklich einen Frieden dort hat, den es zu unterstützen gibt, dann könnte man sich das durchaus vorstellen. Das müsste natürlich dann massiv sein ähnlich wie im Kosovo auch.
Ob dazu unsere deutsche Bevölkerung bereit ist, würde ich mal noch hinten anstellen, aber sozusagen müsste man erst mal wissen, für was man dorthin geht und wofür die Soldaten dann überhaupt eingesetzt werden. Bis jetzt wäre mir das überhaupt nicht klar.
Welty: Die afrikanische Seite selbst oder Stimmen aus Afrika - zum Beispiel aus Tansania – fordern mehr Militär nach Somalia, auch mehr internationales Militär.
Brantner: Ja, sie fordern das, weil sie mittlerweile mit ihrer eigenen Afrikanischen Union auch eben scheitern und sie an Anschlägen mittlerweile leiden. Aber die sage ich mal klugen Köpfe, die man aus Afrika hört, fordern auch zuerst Regionalkonferenzen für Somalia, erst eine politische Lösung, wo man dann eben auch mit einem politischen Ziel dann gezielt auch internationale Truppen – ich würde das dann eben nicht nur als EU-Truppe, sondern als UN-Truppe wenn dann senden – schicken kann.
Da ist natürlich das große Problem, dass die Amerikaner schon mal kläglich in Somalia gescheitert sind und deswegen dort auch große Widerstände sind gegen eine UN-Truppe. Was ich aber trotzdem für die richtige Truppe hielt und nicht eine reine EU-Truppe.
Welty: Somalia im Brennpunkt, dazu das Interview mit der Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner in Deutschlandradio Kultur, ich danke für Ihre Einschätzung!
Brantner: Ich danke Ihnen ...
Welty: Sieben Uhr ...
Brantner: ... , vielleicht etwas pessimistisch, aber ...
Welty: ... man muss auch mal die Wahrheit sagen können!