"Es gab eine Umverteilung von unten nach oben"
Ise Bosch ist die Enkelin von Robert Bosch und arbeitet hauptberuflich als Stifterin. Sie wünscht sich eine "Kultur des Teilens und Gebens" in Deutschland - und höhere Steuern für die oberen Einkommensschichten.
Gabi Wuttke: Tue Gutes und sprich nicht darüber – biblisch ist diese Bescheidenheit. Aber ist sie noch zeitgemäß? Während sich in Düsseldorf Mäzene zum Deutschen Stiftungstag treffen, habe ich darüber mit Ise Bosch gesprochen. Die 48-Jährige ist die Enkelin von Robert Bosch und hat es zu ihrem Beruf gemacht, Stifterin zu sein, um besonders gesellschaftliche Minderheiten zu unterstützen. Während sie auf ihr Flugzeug wartete, wollte ich von ihr wissen, ob dieses Interview der beste Beweis sei, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, Gutes zu tun und nicht darüber zu sprechen.
Ise Bosch: Ja, das ist ein Rat, der vielleicht manchmal schon okay ist. Aber insgesamt brauchen wir ja wirklich mehr eine Kultur des Teilens und auch des Gebens. Und wenn es dafür Vorbilder gibt, dann ist das eine wichtige Sache. Diese alte Bescheidenheit, die wirklich auch in Ehren zu halten ist, die ist, glaube ich, nicht mehr zeitgemäß.
Wuttke: In den USA ist es üblich, darüber zu reden, Gutes zu tun. Warren Buffett oder Bill Gates sind prominente Beispiele. Frau Bosch, sind die beiden für Sie Philanthropen, also Menschenfreunde pur, oder eben auch Unternehmer, die ihr Image ein bisschen aufhübschen?
Bosch: Ich würde nicht sagen, die versuchen, was aufzuhübschen. Das sind beides Männer, die sich gut überlegt haben, was sie tun wollen, und damit sehr viel Zeit, sehr viel investiert haben. Man muss mit dem nicht einig sein, aber es ist auf jeden Fall was, was man machen kann, wenn man ein unternehmerischer Geist ist, wenn man sieht, dass man das Geld übrig hat, und so haben die sich einfach in einem zweiten unternehmerischen Leben in eine soziale Richtung entwickelt.
Wuttke: Wie sehen Sie sich eigentlich selbst als Vollzeitstifterin, die nebenher und eben nur dadurch Vollzeitstifterin sein kann, weil Sie Erbin sind?
Bosch: Ich freue mich an einem schönen Beruf. Der lässt mir enorm viel Freiheit und Möglichkeiten, mich auch selber zu entwickeln. Wenn dabei noch was Gutes rauskommt, dann freut es mich besonders.
Wuttke: Menschen wie Sie sind auch in der Politik sehr gefragt oder vielmehr von der Politik gefordert: mit dem, was Sie tun, engagiert als Bürgerin, als Stifterin für nachhaltige Projekte. Nehmen Sie mit Ihrem Engagement den Staat auch ein bisschen aus seiner Pflicht?
Bosch: Also da ist kein Risiko. Die Größenverhältnisse von dem, was die private Hand hier geben kann und was wir brauchen, um unseren Sozialstaat zu betreiben, den wir alle brauchen, auch die reichen Leute, das ist in keinem Größenverhältnis. Das beste, was eine private Person da machen kann, ist, eigentlich den Staat anzuhalten, seine Pflicht zu tun, also das Geld an den richtigen Stellen auszugeben, was für mich als eine, die sich bei Frauen- und Mädcheninteressen auskennt, oder von sexuellen Minoritäten, der Versuch ist anzuschieben, dass diese Themen auch von der Öffentlichkeit gesehen werden. Aber das ist immer eine Hebelfunktion, manchmal eine Katalysatorfunktion oder eine Plattformfunktion, die man haben kann. Ersetzen werden wir den Staat nie können.
Wuttke: Sie haben auch ein Buch geschrieben, in dem Sie Nichtmillionären zeigen wollen, wie man nachhaltig spenden kann. Wie denn?
Bosch: Das Gründen einer Stiftung ist eigentlich, was ich heutzutage nicht mehr empfehle, wenn man nicht mindestens zehn Millionen Euro hat. Da bietet sich eher das Spenden an, was man auch sehr strategisch machen kann, und da gehen meine Empfehlungen eher dahin, wo man sich beteiligen kann an Initiativen, die schon bestehen: ob es eine Gemeinschaftsstiftung ist, wie zum Beispiel "Filia. Die Frauenstiftung", wo ich selber engagiert bin, oder ob es eine Bürgerstiftung ist am Ort oder ob es ein Stiftungsfonds ist, wo man eigenes Geld auch in kleineren Summen extrem sinnvoll anbringen kann, langfristig als Stifterin und als Stifter, Mitstifter, Zustifterin auftreten kann, mit beteiligt sein kann, es sind dann schon die Strukturen da und man muss nicht so wahnsinnig viel Kapital dafür festlegen.
Wuttke: Warum würden Sie gerne mehr Steuern zahlen?
Bosch: Jetzt gerade läuft von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Anzeigenkampagne zu Steuergerechtigkeit, wo sie sagen: Nein, es ist nicht gerecht, mehr Steuern zu zahlen, weil der Staat gibt es ja für die falschen Dinge aus. Dazu kann ich echt nur sagen, recht haben sie. Wir haben in den letzten Jahren mit unserem Steuergeld Banken gerettet, wir haben reichen Männern ihre Arbeitsplätze gesichert, aber wenn man es mit einem historischen Blick betrachtet: Über die Jahre hat sich in Deutschland Vermögen eher bei den Reichen angesammelt. Es gab eine Umverteilung von unten nach oben und es ist völlig normal, dass es dazu jetzt auch mal eine Gegenbewegung geben muss, und das heißt dann eben auch mal wieder in den oberen Einkommensbereichen Steuern erhöhen.
Wuttke: Würden Sie lieber die Vermögenssteuer wieder einführen, oder eine höhere Erbschaftssteuer?
Bosch: Die Vermögenssteuer halte ich für ein schwieriges Thema, einfach weil es so verschiedene Arten von Vermögen gibt. Manche Vermögen sind zum Beispiel notwendig, wenn jemand ein normales Unternehmen sozial betreiben will, langfristig betreiben will. Wenn das zu stark besteuert wird, dann haben die ein Problem und damit hätte Deutschland ein großes Problem. Außerdem wurde die Vermögenssteuer ja aus technischen Gründen eingestellt. Das heißt, es hat zu viel gekostet, sie einzuführen. Insofern halte ich das Thema für einfacher bei den Erwerbssteuern, insbesondere bei der Einkommenssteuer. Da kann man den Spitzensteuersatz durchaus auch wieder etwas heben meiner Ansicht nach.
Wuttke: Sind Sie da ganz die Enkelin Ihres Großvaters, oder hätte auch der, selbst er gesagt, Mädchen, jetzt lass mal die Kirche im Dorf?
Bosch: Ja, das kann schon sein. Der Staat war was anderes damals. Mein Großvater lebte vor und während des Dritten Reiches, während des Ersten Weltkrieges und so weiter. Der hat den Staat ganz anders kennengelernt und als Unternehmer hat er natürlich seine Interessen verteidigt. Es gibt eine Anekdote, dass er dem Stuttgarter Finanzamt mal eine Million gegeben hat, anstatt eine Steuererklärung abzugeben. So hat er gedacht und in die Richtung denke ich auch gerne weiter.
Wuttke: Fühlen Sie sich inzwischen in guter Gesellschaft? Gibt es mehr Stifterinnen wie Sie?
Bosch: Oh ja, absolut. Die sind nicht alle so öffentlich wie ich. Im Gegenteil. Man macht ja auch wirklich blöde Erfahrungen auf die Weise.
Wuttke: Welche?
Bosch: Man wird als Geldgeberin gesehen und wer wird schon gern unter einem Aspekt seiner Persönlichkeit oder ihrer Persönlichkeit gesehen. Wer zum Beispiel geben möchte im eigenen persönlichen Umfeld, was weiß ich, an der Schule der Kinder, tut manchmal besser daran, das nicht öffentlich zu machen, weil die Kinder vielleicht Schwierigkeiten kriegen könnten. So gibt es schon Gründe, warum man sich überlegen muss, wie weit man damit in die Öffentlichkeit geht, und das sollte allen selbst vorbehalten bleiben. Aber ich sehe da aktive engagierte Erbinnen und Erben und viele mit einem Gedanken an soziale Gerechtigkeit.
Wuttke: …sagt die Stifterin Ise Bosch im Deutschlandradio Kultur. Besten Dank für dieses Gespräch und gute Weiterreise.
Bosch: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ise Bosch: Ja, das ist ein Rat, der vielleicht manchmal schon okay ist. Aber insgesamt brauchen wir ja wirklich mehr eine Kultur des Teilens und auch des Gebens. Und wenn es dafür Vorbilder gibt, dann ist das eine wichtige Sache. Diese alte Bescheidenheit, die wirklich auch in Ehren zu halten ist, die ist, glaube ich, nicht mehr zeitgemäß.
Wuttke: In den USA ist es üblich, darüber zu reden, Gutes zu tun. Warren Buffett oder Bill Gates sind prominente Beispiele. Frau Bosch, sind die beiden für Sie Philanthropen, also Menschenfreunde pur, oder eben auch Unternehmer, die ihr Image ein bisschen aufhübschen?
Bosch: Ich würde nicht sagen, die versuchen, was aufzuhübschen. Das sind beides Männer, die sich gut überlegt haben, was sie tun wollen, und damit sehr viel Zeit, sehr viel investiert haben. Man muss mit dem nicht einig sein, aber es ist auf jeden Fall was, was man machen kann, wenn man ein unternehmerischer Geist ist, wenn man sieht, dass man das Geld übrig hat, und so haben die sich einfach in einem zweiten unternehmerischen Leben in eine soziale Richtung entwickelt.
Wuttke: Wie sehen Sie sich eigentlich selbst als Vollzeitstifterin, die nebenher und eben nur dadurch Vollzeitstifterin sein kann, weil Sie Erbin sind?
Bosch: Ich freue mich an einem schönen Beruf. Der lässt mir enorm viel Freiheit und Möglichkeiten, mich auch selber zu entwickeln. Wenn dabei noch was Gutes rauskommt, dann freut es mich besonders.
Wuttke: Menschen wie Sie sind auch in der Politik sehr gefragt oder vielmehr von der Politik gefordert: mit dem, was Sie tun, engagiert als Bürgerin, als Stifterin für nachhaltige Projekte. Nehmen Sie mit Ihrem Engagement den Staat auch ein bisschen aus seiner Pflicht?
Bosch: Also da ist kein Risiko. Die Größenverhältnisse von dem, was die private Hand hier geben kann und was wir brauchen, um unseren Sozialstaat zu betreiben, den wir alle brauchen, auch die reichen Leute, das ist in keinem Größenverhältnis. Das beste, was eine private Person da machen kann, ist, eigentlich den Staat anzuhalten, seine Pflicht zu tun, also das Geld an den richtigen Stellen auszugeben, was für mich als eine, die sich bei Frauen- und Mädcheninteressen auskennt, oder von sexuellen Minoritäten, der Versuch ist anzuschieben, dass diese Themen auch von der Öffentlichkeit gesehen werden. Aber das ist immer eine Hebelfunktion, manchmal eine Katalysatorfunktion oder eine Plattformfunktion, die man haben kann. Ersetzen werden wir den Staat nie können.
Wuttke: Sie haben auch ein Buch geschrieben, in dem Sie Nichtmillionären zeigen wollen, wie man nachhaltig spenden kann. Wie denn?
Bosch: Das Gründen einer Stiftung ist eigentlich, was ich heutzutage nicht mehr empfehle, wenn man nicht mindestens zehn Millionen Euro hat. Da bietet sich eher das Spenden an, was man auch sehr strategisch machen kann, und da gehen meine Empfehlungen eher dahin, wo man sich beteiligen kann an Initiativen, die schon bestehen: ob es eine Gemeinschaftsstiftung ist, wie zum Beispiel "Filia. Die Frauenstiftung", wo ich selber engagiert bin, oder ob es eine Bürgerstiftung ist am Ort oder ob es ein Stiftungsfonds ist, wo man eigenes Geld auch in kleineren Summen extrem sinnvoll anbringen kann, langfristig als Stifterin und als Stifter, Mitstifter, Zustifterin auftreten kann, mit beteiligt sein kann, es sind dann schon die Strukturen da und man muss nicht so wahnsinnig viel Kapital dafür festlegen.
Wuttke: Warum würden Sie gerne mehr Steuern zahlen?
Bosch: Jetzt gerade läuft von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine Anzeigenkampagne zu Steuergerechtigkeit, wo sie sagen: Nein, es ist nicht gerecht, mehr Steuern zu zahlen, weil der Staat gibt es ja für die falschen Dinge aus. Dazu kann ich echt nur sagen, recht haben sie. Wir haben in den letzten Jahren mit unserem Steuergeld Banken gerettet, wir haben reichen Männern ihre Arbeitsplätze gesichert, aber wenn man es mit einem historischen Blick betrachtet: Über die Jahre hat sich in Deutschland Vermögen eher bei den Reichen angesammelt. Es gab eine Umverteilung von unten nach oben und es ist völlig normal, dass es dazu jetzt auch mal eine Gegenbewegung geben muss, und das heißt dann eben auch mal wieder in den oberen Einkommensbereichen Steuern erhöhen.
Wuttke: Würden Sie lieber die Vermögenssteuer wieder einführen, oder eine höhere Erbschaftssteuer?
Bosch: Die Vermögenssteuer halte ich für ein schwieriges Thema, einfach weil es so verschiedene Arten von Vermögen gibt. Manche Vermögen sind zum Beispiel notwendig, wenn jemand ein normales Unternehmen sozial betreiben will, langfristig betreiben will. Wenn das zu stark besteuert wird, dann haben die ein Problem und damit hätte Deutschland ein großes Problem. Außerdem wurde die Vermögenssteuer ja aus technischen Gründen eingestellt. Das heißt, es hat zu viel gekostet, sie einzuführen. Insofern halte ich das Thema für einfacher bei den Erwerbssteuern, insbesondere bei der Einkommenssteuer. Da kann man den Spitzensteuersatz durchaus auch wieder etwas heben meiner Ansicht nach.
Wuttke: Sind Sie da ganz die Enkelin Ihres Großvaters, oder hätte auch der, selbst er gesagt, Mädchen, jetzt lass mal die Kirche im Dorf?
Bosch: Ja, das kann schon sein. Der Staat war was anderes damals. Mein Großvater lebte vor und während des Dritten Reiches, während des Ersten Weltkrieges und so weiter. Der hat den Staat ganz anders kennengelernt und als Unternehmer hat er natürlich seine Interessen verteidigt. Es gibt eine Anekdote, dass er dem Stuttgarter Finanzamt mal eine Million gegeben hat, anstatt eine Steuererklärung abzugeben. So hat er gedacht und in die Richtung denke ich auch gerne weiter.
Wuttke: Fühlen Sie sich inzwischen in guter Gesellschaft? Gibt es mehr Stifterinnen wie Sie?
Bosch: Oh ja, absolut. Die sind nicht alle so öffentlich wie ich. Im Gegenteil. Man macht ja auch wirklich blöde Erfahrungen auf die Weise.
Wuttke: Welche?
Bosch: Man wird als Geldgeberin gesehen und wer wird schon gern unter einem Aspekt seiner Persönlichkeit oder ihrer Persönlichkeit gesehen. Wer zum Beispiel geben möchte im eigenen persönlichen Umfeld, was weiß ich, an der Schule der Kinder, tut manchmal besser daran, das nicht öffentlich zu machen, weil die Kinder vielleicht Schwierigkeiten kriegen könnten. So gibt es schon Gründe, warum man sich überlegen muss, wie weit man damit in die Öffentlichkeit geht, und das sollte allen selbst vorbehalten bleiben. Aber ich sehe da aktive engagierte Erbinnen und Erben und viele mit einem Gedanken an soziale Gerechtigkeit.
Wuttke: …sagt die Stifterin Ise Bosch im Deutschlandradio Kultur. Besten Dank für dieses Gespräch und gute Weiterreise.
Bosch: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.