Es geht auch anders

Von Agnes Bührig |
Spotify - so heißt ein neues Musikabo aus Schweden, eine legale Art, auf vier Millionen Titel zuzugreifen. Für rund zehn Euro im Monat - und die Labels profitieren auch langfristig von den gezahlten Lizenzgebühren. Allerdings kann der Nutzer die Musikstücke nicht runterladen, sondern nur hören.
Marko Persson liebt moderne Technik. Die Hifi-Anlage im Wohnzimmer ist an den Flachbildschirm-Fernseher angeschlossen, auf dem Tisch liegen zwei Handys, der Mini-Laptop ist per Drahtlostechnik ans Internet gekoppelt. Musik per Streamingtechnik zu hören, gefällt dem drahtigen Schweden mit dem Dreitagebart, der Spotify gerade testet:

"Das Programm ist kinderleicht. Hier oben schreibt man den Titel rein, dann erhält man eine Reihe von Vorschlägen. Die Zahl der Funktionen ist überschaubar. Ich kann einstellen, dass die Titel gemischt werden, ein Titel wiederholt oder übersprungen. Das war's."

"Tyskarna från Lund" bedeutet auf Deutsch "die Deutschen aus Lund". Die Musik der schwedischen Gruppe erinnert an die Elektronik-Band Kraftwerk. Auch Rocklegenden wie Gyllene Tider sind hier abrufbar genauso wie der deutsche Sänger Herbert Grönemeyer. Tausende Titel bekommen die Macher des Musikdienstes pro Tag angeboten, sagt Daniel Ek, 25, einer der beiden Geschäftsführer. Alle werden eingestellt, eine Auswahl findet nicht statt:

Daniel Ek: "Wir erfassen alle Musik, alle Titel, die wir bekommen. Das können Leute sein, die in ihrem eigenen Badezimmer singen oder Weltstars wie Madonna. Gerade gestern haben wir 10.000 neue Songs hochgeladen. Wenn es mehr wird, müssen wir in Zukunft vielleicht filtern. Es kann sein, dass wir dazu Computer einsetzen."

Für knapp zehn Euro im Monat erhält der zahlende Abonnent Zugang zu der virtuellen Musikbibliothek mit derzeit etwa vier Millionen Titeln. Aber die Musik kann nicht auf dem eigenen Rechner gespeichert, sondern nur per Streamingtechnik, das heißt in Echtzeit, abgespielt werden.

Damit war im Oktober 2008 ein legales, leicht zu hantierendes Musikabo im Internet geboren. Und statt einzelne Titel zu kaufen wie bei iTunes, kann man für die Abogebühr auf vier Millionen Songs zugreifen. Zudem war die Zeit reif, meint Johan Larsson von der Zeitschrift Internetworld:

"Die Musikbranche begann zu verstehen, dass neu gedacht werden muss, sonst geht es richtig schief. Die waren unter Druck und suchten nach neuen Modellen für das bezahlte Hören von Musik. Auch, dass die Preise für Speicherserver gefallen sind und immer mehr Konsumenten fast immer mit dem Internet verbunden, hat die Unternehmung befördert."

Wie viele zahlende Abonnenten sie haben, wollen die Macher von Spotify nicht verraten. Vor allem Leute ab 30 nutzen den Dienst, hat Johan Larsson beobachtet. Menschen, die mit Beruf und Familie genug um die Ohren haben und denen das manuelle Runterladen einzelner Titel oder Alben zu zeitaufwendig ist. Welche Plattenfirma wie viele Lizenzgebühren von Spotify überwiesen bekommt, ermittelt das System jeden Monat neu, je nachdem, welche Titel in welchem Umfang gefragt waren. Davon könnten die Labels auch langfristig profitieren, sagt Daniel Ek:

"Es hat fast zwei Jahre gedauert, die Verträge zu verhandeln, aber als sie unterschrieben waren, haben wir viel Unterstützung bekommen. Die Plattenindustrie ist geplagt von den Piratenkopien. Die Umsätze sind rückläufig. Wenn man das Beschaffen von Musik aber einfacher macht und ein gutes Angebot zusammenstellt, das noch dazu nicht ungesetzlich ist, werden die Leute es wählen."

40 Milliarden Dateien werden pro Jahr illegal aus Tauschbörsen bezogen, schätzt der Weltverband der Phonoindustrie. Auf einen legal heruntergeladenen Titel kommen 20 raubkopierte. Das könnte sich nun ändern, wenn Internet-Musikdienste wie Spotify Schule machen. Musiker könnten von den neuen Vertriebsmöglichkeiten nur profitieren, meint Ek:

"Wenn ich Werke eines deutschen Künstlers geschickt bekomme und anfange, den hier zu hören, dann kann er sich auf diese Weise vielleicht einen neuen Markt erobern. Andersherum gilt das genauso für schwedische Künstler. Die Grenzen fallen."

Theoretisch zumindest. Denn in anderen Ländern wie Deutschland kann man den schwedischen Musikdienst noch nicht abonnieren. Die Musikrechte sind dort noch nicht geklärt. Zudem musste der schwedische Musikdienst jüngst eine ganze Reihe Titel wieder aus seinem Archiv löschen, weil er festgestellt hatte, dass sie ohne Lizenzierung in seine Musikbibliothek hochgeladen worden war.

Testhörer Marko hat sich inzwischen eine eigene Sammlung der Titel zusammengestellt, die er am liebsten hört. Damit unterscheidet sich der schwedische Musikdienst von seinem stärksten Konkurrenten Lastfm, der Musiklisten der Lieblingsinterpreten nur bunt gemischt abspielt. Dafür ist der dann wiederum gratis.

Ein anderes Manko von Spotify ist, dass man seinen Laptop mitschleppen müsste, wenn man Musik auf dem Weg zur Arbeit hören will, wie Marko es gerne tut. Hat ihn sein Testabo also trotzdem überzeugt, bleibt er dabei?

Marko Persson: "Solange es bei diesem Preis bleibt, ist es das Geld wert. Ich würde ja auch etwas für Titel bezahlen, die ich bei meinem Mobilfunkanbieter kaufe. Da zahle ich derzeit umgerechnet knapp zwei Euro pro Lied. Das Problem ist nur, dass ich die Musik nicht auf meinen eigenen MP3-Spieler laden kann. Man besitzt die Titel nicht, aber sobald etwas Neues kommt, kann man das anhören. Und dass man dafür bezahlt, ist gut für die Musiker."

Und dieses Argument muss viele überzeugen, wenn Spotify sich gegen Raubkopien und andere, zum Teil kostenlose Musikdienste wie Lastfm durchsetzen will.