"Es geht um Privatsphäre, es geht um Würde"
Heute beginnt in Indonesien der Welttoilettenkongress. Die Sanitärversorgung sei in vielen Ländern der Erde "ein Thema, was im Schatten steht von so vielen anderen Problemen", sagt Thilo Panzerbieter, der Geschäftsführer der German Toilet Organization.
Gabi Wuttke: Es stinkt zum Himmel! Im wahrsten Sinne des Wortes, dass knapp die Hälfte der Weltbevölkerung kein stilles, sauberes Örtchen kennt. Bevor wir mit Thilo Panzerbieter darüber sprechen, was der heute in Indonesien beginnende Welttoilettenkongress ausrichten kann, hören Sie Eindrücke unserer Korrespondenten in Russland, Indien und Ägypten.
O-Ton Ägypten: "Toiletten in Kairo, das ist ein ziemlich unappetitliches Thema. Ich muss ehrlich sagen, ich habe selten so viele Männer gesehen, die in der Öffentlichkeit ihre Notdurft verrichten."
O-Ton Indien: "Über 600 Millionen Menschen innerhalb der indischen Milliardenbevölkerung haben keinen Zugang zu Toiletten. Da gibt es dann einfach keine. Und wenn es sie gibt, ist sie so verdreckt, dass man vielleicht eher freiwillig in die Büsche geht."
O-Ton Ägypten: "Ich gehe normalerweise am Nilufer entlang und dann über eine Brücke rüber und ich muss tief Luft holen und möglichst anhalten, bis ich auf der Brücke bin. Da ist es wirklich immer so, dass der Gestank unerträglich ist."
O-Ton Russland: "Neulich war ich im Ural unterwegs. Und unterwegs hielten wir an einer Raststätte. Dort gab es nur eine Toilette draußen, das war ein Häuschen mit einem Loch im Boden, keine Tür, und rundherum alles wirklich so, dass man sich dann doch noch mal zusammenreißt und ein wenig aushält."
O-Ton Indien: "Die wenigen öffentlichen Toiletten, die es gibt, sind Männern vorbehalten. Für Frauen gibt es schlicht keine."
Wuttke: Indien, Russland und weite Teile Afrikas – die hygienischen Zustände der Toiletten dort haben sich nach Auskunft von Unicef in den letzten Jahren weiter verschlechtert, will heißen, es gibt nach wie vor nicht genug. Partner der heute beginnenden Welttoilettenkonferenz ist die German Toilet Organization, deren Geschäftsführer ist Thilo Panzerbieter und jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen.
Thilo Panzerbieter: Guten Morgen, ich grüße Sie.
Wuttke: Jedem Hörer dürfte eben mal wieder klar geworden sein, wie gut wir es hier haben. Was bedeuten diese katastrophalen Zustände für die Gesundheit der Menschen?
Panzerbieter: Ja, die gesundheitlichen Konsequenzen sind, finde ich, immer noch recht einleuchtend, wenn auch im Ausmaß oft unterschätzt. Also ungefähr 3600 Kinder sterben allein täglich – also bei 300 Leuten, die im Flugzeugabsturz sterben, hört man es sofort – aber 3600 Kinder unter fünf Jahren sterben allein täglich an leicht vermeidbaren Durchfallerkrankungen, und da spielt Sanitärversorgung eine ganz große Rolle. Viel erschreckender über die gesundheitlichen Konsequenzen hinaus finde ich dann auch noch, was es wirklich für das Leben der Menschen bedeutet. Es geht um Privatsphäre, es geht um Würde. Kranke Menschen gehen nicht arbeiten, kranke Kinder nicht in die Schule, und Mädchen im Menstruationsalter brechen oft mangels Privatsphäre einer Schultoilette dann auch die Schule ab. Das heißt, es geht auch um Gleichstellung von Mann und Frau und einfach über die Gesundheit hinaus um die Basis für Entwicklung.
Wuttke: Wo und wie versucht Ihr Verein denn, die Verhältnisse zu verbessern?
Panzerbieter: Einmal mit konkreten Projekten im Ausland, wo wir Sanitärversorgung tatsächlich an Schulen zum Beispiel einrichten, aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen gleichgesinnten Vereinen. Im deutschen Bosch-Netzwerk sind 18 Organisationen, die sich zusammenschließen, um einfach mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Auch die Politik darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Bereich mehr gefördert werden muss. Weil man kann sich vorstellen, das ist kein Thema, für das sich ein Politiker gerne in die Öffentlichkeit stellt.
Wuttke: Das ist nicht sexy, verstehe schon.
Panzerbieter: Ja, genau. Also man eröffnet lieber eine neue Schule oder einen neuen Brunnen als jetzt vielleicht eine neue Toilettenanlage.
Wuttke: Wie viel Aufklärungsarbeit vor Ort ist denn nötig, nach dem, was Sie geschildert haben, ist dieses Thema auch dort, wo die Toiletten so maßgeblich fehlen, ein schambesetztes Thema?
Panzerbieter: Es ist einmal schambesetzt, dass Leute nicht drüber reden. Aber es ist auch leider etwas, was in der Prioritätenliste der Menschen oftmals nicht sehr weit oben steht. Das liegt oftmals aber einfach an dem Bewusstsein für das Problem. Eine Toilette zu haben, ist ein bisschen vergleichbar vielleicht mit fehlender Festmüllentsorgung. Man denkt ja, wenn ich es hinterm Busch entsorgen kann, warum sollte ich dann vielleicht dafür zahlen. Das heißt, das Problem wird oft verkannt, und das macht diese Projekte oftmals auch so schwierig – es geht gar nicht darum, jemand zu etwas zu bekehren, aber einfach auf Gefahren hinzuweisen, die man nicht sieht. Die Keime, die einen umbringen, gegebenenfalls an der Hand oder irgendwo in der Umgebung, die sieht man nicht. Darauf hinzuweisen, ist ein Großteil unserer Arbeit und erschwert auch oftmals, dass Projekte wirklich erfolgreich laufen können.
O-Ton Ägypten: "Toiletten in Kairo, das ist ein ziemlich unappetitliches Thema. Ich muss ehrlich sagen, ich habe selten so viele Männer gesehen, die in der Öffentlichkeit ihre Notdurft verrichten."
O-Ton Indien: "Über 600 Millionen Menschen innerhalb der indischen Milliardenbevölkerung haben keinen Zugang zu Toiletten. Da gibt es dann einfach keine. Und wenn es sie gibt, ist sie so verdreckt, dass man vielleicht eher freiwillig in die Büsche geht."
O-Ton Ägypten: "Ich gehe normalerweise am Nilufer entlang und dann über eine Brücke rüber und ich muss tief Luft holen und möglichst anhalten, bis ich auf der Brücke bin. Da ist es wirklich immer so, dass der Gestank unerträglich ist."
O-Ton Russland: "Neulich war ich im Ural unterwegs. Und unterwegs hielten wir an einer Raststätte. Dort gab es nur eine Toilette draußen, das war ein Häuschen mit einem Loch im Boden, keine Tür, und rundherum alles wirklich so, dass man sich dann doch noch mal zusammenreißt und ein wenig aushält."
O-Ton Indien: "Die wenigen öffentlichen Toiletten, die es gibt, sind Männern vorbehalten. Für Frauen gibt es schlicht keine."
Wuttke: Indien, Russland und weite Teile Afrikas – die hygienischen Zustände der Toiletten dort haben sich nach Auskunft von Unicef in den letzten Jahren weiter verschlechtert, will heißen, es gibt nach wie vor nicht genug. Partner der heute beginnenden Welttoilettenkonferenz ist die German Toilet Organization, deren Geschäftsführer ist Thilo Panzerbieter und jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen.
Thilo Panzerbieter: Guten Morgen, ich grüße Sie.
Wuttke: Jedem Hörer dürfte eben mal wieder klar geworden sein, wie gut wir es hier haben. Was bedeuten diese katastrophalen Zustände für die Gesundheit der Menschen?
Panzerbieter: Ja, die gesundheitlichen Konsequenzen sind, finde ich, immer noch recht einleuchtend, wenn auch im Ausmaß oft unterschätzt. Also ungefähr 3600 Kinder sterben allein täglich – also bei 300 Leuten, die im Flugzeugabsturz sterben, hört man es sofort – aber 3600 Kinder unter fünf Jahren sterben allein täglich an leicht vermeidbaren Durchfallerkrankungen, und da spielt Sanitärversorgung eine ganz große Rolle. Viel erschreckender über die gesundheitlichen Konsequenzen hinaus finde ich dann auch noch, was es wirklich für das Leben der Menschen bedeutet. Es geht um Privatsphäre, es geht um Würde. Kranke Menschen gehen nicht arbeiten, kranke Kinder nicht in die Schule, und Mädchen im Menstruationsalter brechen oft mangels Privatsphäre einer Schultoilette dann auch die Schule ab. Das heißt, es geht auch um Gleichstellung von Mann und Frau und einfach über die Gesundheit hinaus um die Basis für Entwicklung.
Wuttke: Wo und wie versucht Ihr Verein denn, die Verhältnisse zu verbessern?
Panzerbieter: Einmal mit konkreten Projekten im Ausland, wo wir Sanitärversorgung tatsächlich an Schulen zum Beispiel einrichten, aber auch in der Zusammenarbeit mit anderen gleichgesinnten Vereinen. Im deutschen Bosch-Netzwerk sind 18 Organisationen, die sich zusammenschließen, um einfach mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Auch die Politik darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Bereich mehr gefördert werden muss. Weil man kann sich vorstellen, das ist kein Thema, für das sich ein Politiker gerne in die Öffentlichkeit stellt.
Wuttke: Das ist nicht sexy, verstehe schon.
Panzerbieter: Ja, genau. Also man eröffnet lieber eine neue Schule oder einen neuen Brunnen als jetzt vielleicht eine neue Toilettenanlage.
Wuttke: Wie viel Aufklärungsarbeit vor Ort ist denn nötig, nach dem, was Sie geschildert haben, ist dieses Thema auch dort, wo die Toiletten so maßgeblich fehlen, ein schambesetztes Thema?
Panzerbieter: Es ist einmal schambesetzt, dass Leute nicht drüber reden. Aber es ist auch leider etwas, was in der Prioritätenliste der Menschen oftmals nicht sehr weit oben steht. Das liegt oftmals aber einfach an dem Bewusstsein für das Problem. Eine Toilette zu haben, ist ein bisschen vergleichbar vielleicht mit fehlender Festmüllentsorgung. Man denkt ja, wenn ich es hinterm Busch entsorgen kann, warum sollte ich dann vielleicht dafür zahlen. Das heißt, das Problem wird oft verkannt, und das macht diese Projekte oftmals auch so schwierig – es geht gar nicht darum, jemand zu etwas zu bekehren, aber einfach auf Gefahren hinzuweisen, die man nicht sieht. Die Keime, die einen umbringen, gegebenenfalls an der Hand oder irgendwo in der Umgebung, die sieht man nicht. Darauf hinzuweisen, ist ein Großteil unserer Arbeit und erschwert auch oftmals, dass Projekte wirklich erfolgreich laufen können.
"Seit 2008 ist eine Menge passiert"
Wuttke: Für die Vereinten Nationen ist es auch nicht erfolgreich gelaufen, denn es wird in drei Jahren keine sauberen Toiletten für drei Viertel aller Menschen geben. Diese Konferenz, die jetzt in Indonesien beginnt, was kann die ausrichten, wer redet da überhaupt miteinander?
Panzerbieter: Ja, es gibt mittlerweile viele Konferenzen. Man muss sagen, seit 2008 hatte die UN ein Sonderjahr zu diesem Thema. Seitdem ist eine Menge passiert, und es gibt wirklich zahlreiche Konferenzen, wo sich jetzt, wie bei dieser Welttoilettenkonferenz sowohl Politiker wie Menschen aus der Industrie, von Firmen, von gemeinnützigen Organisationen wie unserer, von der UN und so weiter zusammentreffen, weil man einfach immer mehr merkt, das ist ein Thema, wo eine Menge getan werden muss und das auf allen Ebenen. Also man muss wirklich an einem Strang ziehen, und leider ist es immer noch ein Thema, was im Schatten steht von so vielen anderen Problemen, die die Welt zu bewältigen hat.
Aber auch bei uns in Europa muss man einfach sagen, durch die Einführung von Sanitärsystemen, das wird von vielen medizinischen Zeitschriften als die größte medizinische Errungenschaft der letzten 200 Jahre angesehen, kann Entwicklung überhaupt erst passieren, und deswegen ist es wichtig, dass solche Themen verstärkt angegangen werden.
Wuttke: Sanitäre Anlagen, saubere Toiletten, sie sind ein Menschenrecht und tun doch immer noch bitter not. Die Welttoilettenkonferenz, die heute in Indonesien beginnt, dazu vom Partner dieser Veranstaltung Informationen und Einschätzungen von Thilo Panzerbieter von der German Toilet Organization. Besten Dank für Ihre Auskünfte.
Panzerbieter: Ja, schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Panzerbieter: Ja, es gibt mittlerweile viele Konferenzen. Man muss sagen, seit 2008 hatte die UN ein Sonderjahr zu diesem Thema. Seitdem ist eine Menge passiert, und es gibt wirklich zahlreiche Konferenzen, wo sich jetzt, wie bei dieser Welttoilettenkonferenz sowohl Politiker wie Menschen aus der Industrie, von Firmen, von gemeinnützigen Organisationen wie unserer, von der UN und so weiter zusammentreffen, weil man einfach immer mehr merkt, das ist ein Thema, wo eine Menge getan werden muss und das auf allen Ebenen. Also man muss wirklich an einem Strang ziehen, und leider ist es immer noch ein Thema, was im Schatten steht von so vielen anderen Problemen, die die Welt zu bewältigen hat.
Aber auch bei uns in Europa muss man einfach sagen, durch die Einführung von Sanitärsystemen, das wird von vielen medizinischen Zeitschriften als die größte medizinische Errungenschaft der letzten 200 Jahre angesehen, kann Entwicklung überhaupt erst passieren, und deswegen ist es wichtig, dass solche Themen verstärkt angegangen werden.
Wuttke: Sanitäre Anlagen, saubere Toiletten, sie sind ein Menschenrecht und tun doch immer noch bitter not. Die Welttoilettenkonferenz, die heute in Indonesien beginnt, dazu vom Partner dieser Veranstaltung Informationen und Einschätzungen von Thilo Panzerbieter von der German Toilet Organization. Besten Dank für Ihre Auskünfte.
Panzerbieter: Ja, schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.