"Es geht ums Existenzielle"

Von Susanne Burkhardt |
Eine attraktive und dornige Diva, proletarisch und feenhaft, zärtlich und rau – so wird die Schauspielerin Angelica Domröse an ihrem 70. Geburtstag in den Feuilletons gewürdigt. Ihre Karriere begann in der DDR - bis heute steht sie auf der Bühne.
Ein Bewußtsein für die Kürze und Bedeutsamkeit des Lebens hatte sie schon sehr früh entwickelt.

"Ich hatte ja schon mit 16 Überalterungsgefühle... Manchmal sind se total abgebaut – wenn ich auf der Bühne bin – glauben se doch nicht, dass ich an mein Alter denke. Überhaupt nicht ..."

Die Angst vor Überalterung hat Angelica Domröse immer konsequent in Ehrgeiz übersetzt. Mit 17 verlässt sie eine Kindheit in Berlins Mitte, die ohne Wärme ist und vom Stiefvater überschattet. Ihre zweite Geburt nennt sie das später: Unter 1500 Bewerberinnen wählt Slatan Dudow sie aus für die Hauptrolle im Film "Verwirrung der Liebe". Es folgen viele Hauptrollen in DDR-Fernsehfilmen. Nach dem Abschluss ihres Studiums an der Filmhochschule Babelsberg ruft Helene Weigel sie zu sich ans Berliner Ensemble. Hier spielt die junge Angelica kleine Rollen neben großen Kollegen. Draußen auf einer Brandmauer ein riesiges Porträt, das für ihren Film wirbt – drinnen keine leichte Zeit für eine noch unerfahrene Schauspielerin.

"Und dann kam ich auf die Bühne, und dann wurde mir gezeigt was 'ne Harke ist – nämlich wie man spielt, wie man besonders ist - das Plakat war meine Popularität, waren meine Filme, aber auf der Bühne merkte ich dann, dass ich noch nichts konnte. Da hab ich gesehen, wieviel man lernt durchs Zusehen."

Als sich die Weigel 1966 von ihr trennt, bricht für sie eine Welt zusammen. Die Welt des Geistes, der Kreativität und der Herausforderung.

"Es war schmerzhaft. Ich wollte mir das Leben nehmen. Ich wollte mir das Leben nehmen..."

Wieder entwickelt sie aus der Enttäuschung neue Kraft, geht zu Benno Besson an die Berliner Volksbühne. Nebenbei überzeugt sie Heiner Carow, sie als Paula zu besetzen. Seine Verfilmung des Plenzdorf-Stoffes "Die Legende von Paul und Paula" – wird 1973 der Erfolg der Domröse.

"Vielleicht bin ich so: 'Was will ich schon? Na und!'"

Paula ist die Domröse – eine starke Frau, die nicht artig ist, nicht kuscht, die sich wehrt und Gegebenheiten nicht einfach hinnimmt. Die Liebesgeschichte, in der sie an der Seite von Winfried Glatzeder spielt, prägte eine ganze Generation. Die Rolle hängt ihr bis heute an. Nervt das manchmal?

"Jetzt gehört’s ja eigentlich wie zur Geburt - oder die vielen Misserfolge, die ich auch hatte – also nein, es kann einen nicht nerven – die Menschen meinen’s ja nur gut."

Im Jahr 1976 lässt sie sich vom Ehemann Jiri Vrstala scheiden – heiratet Hilmar Thate und unterschreibt mit ihm den Protest gegen die Ausweisung Wolf Biermanns. Die Angebote bleiben genauso aus wie die Solidarität vieler Kollegen. Zum zweiten Mal überzeugt sie Heiner Carow von sich – spielt in "Bis daß der Tod euch scheidet". Als die Eishülle um sie zu stark wird, reisen Thate und Domröse 1980 in den Westen aus.

"Aber das ist ja alles schon sooooo lange her... und damals hat man dringesteckt und hat gezittert und hat geweint und hat Freunde verloren – und war ein bisschen krank auch."

Im Westen spielt sie unter Zadek, Haneke, Tabori und Otto Schenk – in Hamburg, Wien, Bochum und dann wieder in Berlin – diesmal im Westen – erst am Schillertheater – später in der Komödie am Kufürstendamm. Dreht Fernsehfilme, unterrichtet an der Schauspielschule und führt selbst Regie. Die zarte Frau mit der fantastischen Stimme und mit dem dramatischen Grundgefühl für das Leben, hat ihren Glückswillen auch auf verlorenem Posten immer behauptet – und sich etwas Kindliches bewahrt. Von Maria Callas, die sie überzeugend spielt – hat sie einen Satz behalten – der für sie bis heute gilt:

"Eine Vorstellung, ein Abend, an dem sie gesungen hat – es geht immer um Leben und Tod – das klingt jetzt sehr theatralisch – aber ich meine, es geht ums Existenzielle, und Aussparen wird von jedem bemerkt, und die schmale Spur wird von jedem bemerkt."

Immer das Existenzielle zu geben, fordert Energie. Energie, die Angelica Domröse irgendwann nicht mehr hat. Gerüchte um eine Parkinson-Erkrankung dementiert ihr Mann Hilmar Thate. Doch Angelica Domröse ist nicht gesund. Weil immer die Norm zu brechen auch heißt, sich selbst zu gefährden.

Sie nimmt jahrelang Tabletten gegen Schlafstörungen, die sie seit ihrer Jugend quälen. Bei einem Auftritt im Hans-Otto-Theater in Potsdam, wo sie in drei Stücken spielt, vergisst sie einmal den Text. Schämt sich. Weil sie perfekt sein will. Und nicht sein kann. Die Schlafstörungen werden stärker. Und wieder sammelt die Domröse alle Kräfte: tritt einen Kampf an, für den man heldenhaft sein muss: Im Herbst 2009 geht sie für drei Monate auf Tabletten-Entzug in ein Brandenburger Sanatorium.

Jetzt – mit 70 Jahren - steht Angelica Domröse wieder vor der Kamera. An der Seite von Otto Sander spielt sie in einer Seniorenkomödie. Aber Vorsicht: Diese Senioren sind alles andere als gemütlich!
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