"Es gibt bislang keine fairen Handys"

Raubbau an der Natur, schlechte Bezahlung, endlose Überstunden: Bei der Herstellung von Handys läuft vieles schief, sagt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Dennoch dürfe man nicht mit Kauf-Boykotten auf solche Missstände reagieren. Stattdessen sollten die Produktionsbedingungen verbessert werden.
Katrin Heise: Kürzlich, da konnte man die Smartphone-Branche jubeln hören: In diesem Jahr werden wahrscheinlich so viele Smartphones wie noch nie abgesetzt. Allein zum Weihnachtsfest wünscht sich jeder fünfte Bundesbürger eines oder beschenkt sich auch gleich selbst damit, so fand der Branchenverband Bitkom per Befragung heraus. Im "Radiofeuilleton" möchten wir uns jetzt über die Umweltrisiken und Arbeitsbedingungen im Bezug auf Mobiltelefone informieren lassen, von der Herstellung bis zum Recycling. Denn neben all den neu gekauften Geräten lagern nach Schätzungen noch ungefähr 80 Millionen nicht mehr genutzte Handys in den Haushalten. Ich begrüße jetzt Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene. Schönen guten Tag, Herr Hütz-Adams!

Friedel Hütz-Adams: Guten Tag!

Heise: Sie haben, Herr Hütz-Adams, internationale Studien durchforstet und zusammengetragen, welche Umweltbelastungen im Bezug auf Mobiltelefone so anfallen. Beginnen wir mal mit der Herstellung: Ein Mobiltelefon besteht aus ca. 60 verschiedenen Stoffen, Metallen, Silicium, Kupfer, Aluminium, Tantal - sind die Abbaumethoden das Problem?

Hütz-Adams: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt eine Reihe von Metallen, die in Mobiltelefonen enthalten sind, wo es sehr große Probleme gibt. An erster Stelle ist für mich Kobalt zu nennen. Mehr als die Hälfte der weltweiten Kobaltproduktion stammt aus dem Kongo und wird dort buchstäblich mit Pickel und Schaufel gewonnen, unter zum Teil verheerend schlechten sozialen Bedingungen, Arbeitsbedingungen, aber auch unter großen Zerstörungen in der Umwelt. Auch bei anderen, sehr seltenen Metallen, die in Handys verwendet werden, wie beispielsweise Tantal, da ist man letztendlich irgendwo auf dieser Welt bei Klein- und Kleinstschürfern, die oft unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten.

Heise: Klingt auch nach sehr hohem Energiebedarf bei der Herstellung dieser Metalle, oder?

Hütz-Adams: Na ja, bei diesen, wo die kleinen Schürfer arbeiten, da geht es fast noch. Wenn wir dann aber bei Kupfer oder Aluminium sind, wo wir bei riesigen Werken sind, und bei Minen, wo zum Teil Hunderttausende Tonnen Erde pro Tag bewegt werden, da ist man in einem gigantischen Umfang. Also die Handy-Industrie hat ja nur einen kleinen Teil der Verwendung dieser metallischen Rohstoffe, aber es gibt mittlerweile Schätzungen, wo gerade die Klimakonferenz läuft, dass rund sieben Prozent des weltweiten Energieverbrauches mittlerweile in die Förderung und Verarbeitung von metallischen Rohstoffen fließen.

Heise: Die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird, haben Sie schon erwähnt, jedenfalls angerissen, dass die - wenn ich mir vor allem diese Kleinstschürfer vorstelle, da gibt es eigentlich nur die Bedingung, sich selbst auszunutzen wahrscheinlich.

Hütz-Adams: Sie sitzen am untersten Ende von einer langen Kette und werden sehr, sehr schlecht bezahlt. Aber selbst bei den großen Minen gibt es zum Teil erhebliche soziale Probleme. Wir haben für die Studie uns die Situation auf West-Papua, einer Insel, die zu Indonesien gehört, angeschaut. Da ist eine Mine in 4000 Meter Höhe angelegt worden in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, da sind Hunderte Leute vertrieben worden, um Platz zu schaffen für die Mine. Es hat im Laufe der Jahrzehnte auch viele Tote gegeben, zuletzt auch in den letzten Jahren wieder bei Widerstand gegen die Mine, bei Streiks. Und wenn man dann noch sieht, dass die rund 200.000 Tonnen Abfälle pro Tag in Flüsse kippen - das sind die Angaben des Unternehmens -, dann kann man sich vorstellen, was für einen Sprengstoff auch so eine große Mine haben kann.

Heise: Ja. Nach Angaben des Unternehmens sogar, das lässt einen ja dann gleich aufhorchen. Wer verdient eigentlich am Abbau? Haben die einfachen Arbeiter überhaupt etwas von dem Rohstoffreichtum ihres Landes? Können die was davon haben?

Hütz-Adams: Das ist sehr unterschiedlich. Also im Kongo wird zwar immer über die äußerst schlechten Arbeitsbedingungen berichtet, das mache ich ja auch, aber es ist zugleich so, dass Hunderttausende Menschen im Kongo im Moment gar keine andere Möglichkeit haben zu überleben und Geld zu verdienen. Von daher kann auch das Ziel nicht im Boykott dieser Rohstoffe sein, sondern einer Verbesserung der Bedingungen. In den großen Minen findet man zum Teil sogar relativ gut bezahlte Arbeitskräfte, aber man hat die ganzen Probleme im Umfeld. Generell kann man allerdings sagen, dass in den letzten Jahren ja die Rohstoffpreise drastisch gestiegen sind, und die großen Metallunternehmen - da gibt es eine Untersuchung von PricewaterhouseCoopers -, die arbeiten mittlerweile mit Gewinnmargen, da träumen andere Industrien von.

Heise: Die aber nicht unbedingt umgelegt werden auf die Arbeitslöhne.

Hütz-Adams: Die werden weder auf die Arbeitslöhne umgelegt in vielen Fällen, noch in Verbesserungen der Umweltbedingungen - also der Spielraum wäre da.

Heise: Sie haben den Kongo genannt, mehrmals jetzt schon, da fällt mir immer das Stichwort Tantal ein, und dann wiederum, dass vor zehn Jahren in dem Zusammenhang von der Finanzierung des Krieges im Osten Kongos gesprochen wurde mit dem Geld, also wo das Geld hinfließt. Das heißt, da liegt wahrscheinlich das nächste große Problem, die Intransparenz, die auf diesem Rohstoffhandel liegt?

Hütz-Adams: Also es gibt im Moment einige Versuche, den Rohstoffhandel transparenter zu machen, in den USA gibt es jetzt auch ein Gesetz, der sogenannte Dodd-Frank Act, wo Unternehmen, die bestimmte Metalle nutzen, darunter auch Tantal, Gold, aber auch Wolfram und Zinn, nachweisen müssen, dass sie damit keinen Krieg im Ostkongo finanziert haben. Das Problem war jetzt nur, dass viele Unternehmen den Einkauf aus ganz Zentralafrika, um auch den Schmuggel nicht mit drin zu haben, gestoppt haben, und das hilft den Menschen erst mal nicht.

Was wir brauchen, sind tatsächlich Investitionen in verbesserte Rohstoffketten. Die EU bereitet ein Gesetz vor seit letztem Jahr, wo es darum geht, Zahlungen an Regierungen transparenter zu machen, um auch Schmiergelder zu vermeiden. Und da beobachten wir mit großer Sorge, dass bei den Verhandlungen in Brüssel die Bundesregierung eher als ganz großer Bremser auftritt.

Heise: Das zu den Rohstoffen. Im "Radiofeuilleton" geht es um schmutzige Mobiltelefone, untersucht von Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Kommen wir mal zur Produktion, Herr Hütz-Adams: Unter welchen Umständen werden Handys gefertigt? Werden Schutzvorgaben eingehalten und kontrolliert das überhaupt jemand?

Hütz-Adams: Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2011 1,8 Milliarden Handys und Smartphones weltweit hergestellt, davon knapp die Hälfte vermutlich in China. Es ist grundsätzlich so, dass die meisten Unternehmen erst mal den größten Wert darauf legen, dass sowohl die Einzelteile als auch die Endgeräte möglichst billig hergestellt werden. Und das hat dann eben dazu geführt, dass auch Studien nachweisen, dass in China, aber auch in Indien und in anderen Staaten die Produktionsbedingungen der schönen glänzenden Geräte oft verheerend schlecht sind.

Wir reden hier nicht nur über Löhne, die in China zum Teil unter 200 Euro im Monat liegen und in Indien bei der Hälfte, sondern auch über die Gefährdung der Beschäftigten durch Aluminiumstaub, durch giftige Stoffe, mit denen sie in Berührung kommen, über überlange Überstunden - in China haben mehrere Studien bewiesen, dass da durchgängig die bestehenden Gesetze gebrochen werden.

Heise: Wenn man sich ein Handy, ein Smartphone kauft, von, was weiß ich, Apple, Samsung, Nokia, dann hat man damit eigentlich ja nur von dieser Marke die Entwicklung des Marketings, die Hersteller sind ja ganz andere, da sind wir dann bei dieser sogenannten globalisierten Herstellungskette - Sie haben ja eben die Orte, wo hergestellt wird, auch genannt. Ein großer Hersteller ist zum Beispiel Foxcon, Apple beispielsweise musste sich letztens über die unzureichenden Arbeitsbedingungen da dann doch kümmern. Was ist da letztendlich passiert? Also konnte der Druck tatsächlich umgesetzt werden auf bessere Arbeitsbedingungen?

Hütz-Adams: Also im vergangenen Jahr sorgte Foxcon für Schlagzeilen, weil -Schätzungen zufolge, es gibt keine genauen Zahlen - mindestens 18 Leute versucht haben, sich umzubringen, die in den Fabriken zum Teil auch vom Dach gesprungen sind. Foxcon wiederum hat 1,2 Millionen Beschäftigte und fertigt nicht nur für Apple. Aber Apple war dann das Symbol, die hatten gerade wieder ein neues iPhone und noch neue andere Geräte raus und sitzen ja auch im obersten Preissegment. Und als dann rauskam, dass die auch bei Foxcon arbeiten lassen, sorgte das natürlich für besondere Aufregung.

Apple hat daraufhin in einer Riesenbefragung Foxcon-Beschäftigte ... also die Beschäftigungsverhältnisse untersucht und hat festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen zum Teil sogar noch schlechter sind als das, was Nichtregierungsorganisationen immer gesagt haben. Die haben sich jetzt als Ziel gesetzt, Ende nächsten Jahres so weit zu sein, dass sie zumindest die chinesischen Arbeitsgesetze, was die Arbeitszeiten betrifft, einhalten. Das Problem ist nur, dass Foxcon sagt, wenn wir gerade in Stoßzeiten wie jetzt vor Weihnachten, von weit über 60 Arbeitsstunden die Woche und keinen freien Tagen am Wochenende, wenn wir davon runtergehen, müssen wir weitere Leute einstellen, die müssen wir ausbilden, und das treibt die Produktionskosten nach oben.

Und dann taucht die Frage auf, sind die großen Handyhersteller, nicht nur Apple, auch alle anderen, bereit, ein paar Euro mehr pro Gerät zu bezahlen? Und sind dann die Hersteller dazu in der Lage, das nicht nur gegenüber den großen Markenanbietern durchzusetzen, sondern geben sie das dann an die Beschäftigten weiter?

Heise: Bin ich als Kunde eigentlich in der Lage, ein faires Handy zu kaufen?

Hütz-Adams: Es gibt bislang keine fairen Handys. Es gibt einen Versuch in den Niederlanden, wo man hingehen will und will von den Rohstoffen, die dann bewusst auch, beispielsweise bei Kobalt, aus dem Kongo kommen, um vor Ort die Situation zu verbessern, bis hin zu dem Fabriken bessere Zustände durchsetzen. Das dauert aber noch, die arbeiten daran, das wird auch noch eine Weile dauern, aber ...

Heise: Weil so viele verschiedene Komponenten zusammenkommen?

Hütz-Adams: Ja, es sind sehr verschiedene Komponenten, es sind viele verschiedene Metalle, und diese Metalle durchlaufen ja, um hier und dort einen Cent zu sparen, viele Stufen. Wenn man das an einem Stück Zinn in einem Smartphone sieht, das stammt aus einer Mine, sei es im Kongo oder in Indonesien, und geht dann über mehrere verschiedene Schmelzereien an die Weiterverarbeiter, die dann die Elektronikteile daraus bauen, und dann geht es an die Fertigungsfabrik beispielsweise bei Foxcon.

Heise: Das heißt, ein faires Handy gibt es noch nicht, es wird in den Niederlanden dran gearbeitet. Der Ratschlag also nur: Nicht ständig ein neues Handy kaufen?

Hütz-Adams: Ja, die Frage ist tatsächlich, ob wir - in Deutschland werden Handys nur 18 bis 24 Monate genutzt - ob wir so einen schnellen Umschlag brauchen. Kann es tatsächlich ein Statussymbol für mich sein, Hunderte Euro für ein Handy auszugeben, in dem dann aber auch nur wenige Euro Arbeitskosten stecken? Also bei dem neuen iPhone ist das ja mal berechnet worden, und man kam auf rund sechs Euro Lohnkosten in dem Ding, ohne dass die Hersteller dann neben Design und Technik darauf achten, wie sind die Produktionsbedingungen. Ich kann die an der Kasse sozusagen abstrafen, aber letztendlich muss es so sein, dass Gesetze eingehalten werden, dass Unternehmen auch dazu verpflichtet werden, dies in ihrer Beschaffungskette durchzusetzen.

Heise: Ein dringender Appell zum Thema Mobiltelefone von Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut. Herr Hütz-Adams, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch, für diese Information!

Hütz-Adams: Ich danke auch!

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