"Es gibt keinen neuen Trend, es gibt nur Aufpoliertes"

Moderation Holger Hettinger |
Die Aussteller auf der <papaya:link href="http://www1.messe-berlin.de/vip8_1/website/MesseBerlin/htdocs/www.ifa-berlin.de/index1.html" text="IFA 2005" title="IFA 2005" target="_blank" /> feiern sich als Überbringer des digitalen Glücks. Sie formulieren zum Beispiel die Vision, dass jeder in Zukunft mit einem Gerät für alle elektronischen Medien sein eigener Programmdirektor sein kann. Peter Knaak von der Stiftung Warentest bewertet die Angebote für die Verbraucher kritisch.
Hettinger: Entscheidungshilfe will die Internationale Funkausstellung sein, die heute in Berlin ihre Pforten öffnet. Rund 2500 Hersteller von Unterhaltungselektronik stellen ihre Produkte aus. Die Aussteller formulieren das natürlich etwas glanzvoller, sie schaffen Erlebnisräume, formulieren die Vision vom Fernsehen der Zukunft und postulieren mal wieder die digitale Revolution. Was steckt hinter diesen neuen Trends und welche Bedeutung haben sie wirklich für den Markt? Darüber sprechen wir nun mit Peter Knaak, er ist Technikredakteur von der Stiftung Warentest. Schönen guten Morgen!

Knaak: Einen wunderschönen guten Morgen!

Hettinger: Herr Knaak, welche Trends setzt denn die Internationale Funkausstellung in diesem Jahr?

Knaak: An den Vorankündigungen war erst mal schon zu sehen, dass es gar keinen neuen Trend gibt, sondern nur Aufpoliertes, was wir schon auf früheren Messen gesehen haben. Es gibt keinen Bruch, oder was auch immer, Erdrutsch, keine Revolution, schon gar nicht. Das sind sehr, sehr große Worte, die letzten Endes nur benutzt werden, um uns zu verleiten, Geräte zu kaufen, in die die Hersteller sehr viel Geld investiert haben, die aber letzten Endes, wie vorher schon gehört, schon Auslaufmodelle sind.

Hettinger: Aber die Aussteller feiern sich doch auf dieser Internationalen Funkausstellung als Überbringer des neuen digitalen Glücks. Man liest überall von Konvergenz zum Beispiel. Das ist jetzt der neue Trend, der wird gefeiert. Was steckt denn da dahinter?

Knaak: Es gibt zwei Sachen, die sich auf der IFA etwas klarer rausstellen, das ist richtig. Das eine ist, dass sie versuchen, uns klar zu machen, wir sollen uns von Videorekorder, CD-Player und all diesen Einzelgeräten verabschieden und da etwas hinstellen, was im Grunde ein Computer ist, mit dem Internet verbunden ist, jede Scheibe abspielen kann, die ich rein stecke und außerdem auch noch Fernsehaufzeichnungen machen kann, wie eben der alte Videorekorder. Und von diesem Gerät aus kann ich dann - so die Vision - am besten per Funk in alle Zimmer meiner Wohnung ein ganz unterschiedliches, eigenes Programm schicken, ich werde mein eigener Programmdirektor. Da frage ich mich doch - mal abgesehen davon, dass wir es uns angeguckt haben und die Bilder dann im Nebenzimmer schon wirklich überhaupt nur noch grottenschlecht zu sehen waren, die Funkübertragung ist da nicht so toll, aber selbst, wenn es denn klappen würde: Will ich wirklich Programmdirektor sein? Will ich mit meinen Kindern nen Programmzeitplan machen? Heute hörst du Pipi Langstrumpf und morgen das und dann meinen Computer programmieren? Ich will es doch gar nicht. Das ist das eine und das zweite ist, dass sie eben, das fällt ja auch ins Auge, mit ihren großen Bildschirmen, wirklich ganz, ganz dicht an die Leute rankommen, und wer mal draußen durch die Großmärkte geht, der sieht, die Preise sind ja auch schon verdammt gepurzelt. Nur die Begeisterung über diese Geräte ist ein bisschen wie das Pfeifen im Walde, denn diese Großbilddisplays, die laufen ja erste dann zur Großform auf, wenn sie auch mit entsprechend digitalem, hochwertigen Fernsehmaterial versorgt werden, und genau das wird in absehbarer Zeit höchstens bei Premiere passieren und schon gar nicht in der Masse der Fernsehlandschaft. Also, ich weiß nicht, wo das hinführen soll?

Hettinger: Also wir haben diese wunderbare Technik, die Geräte sind da, aber es fehlt noch an Software, an Input, um das dann auch richtig zum Glänzen zu bringen?

Knaak: Jede Menge bunter Konserven, aber nichts drin.

Hettinger: Das scheint so, als würden die großen Hersteller am Markt vorbeiproduzieren?

Knaak: Ich glaube, dass hier so ein Zwiespalt aufklafft, zwischen dem, was die Techniker in ihren Labors machen können, und was dann auch die Ingenieure letzten Endes bis aufs Fließband kriegen, und dem, was letzten Endes in der Politik auch beispielsweise zwischen den großen Fernsehanstalten Europas läuft. Die Entscheidungsfindung über den zukünftigen Fernsehstandard scheint nach 15 Jahren, oder fast 20 Jahren Diskussion eben immer noch nicht am Ende zu sein. Das ist nicht Schuld dieser Hersteller oder der Hersteller von diesen Flachdisplays, aber es ist einfach wirklich schwach und sehr, sehr traurig.

Hettinger: Das heißt, dass all diese glänzenden Modelle, die auf der Internationalen Funkausstellung als große Neuerung gelobt werden, im Prinzip schon Auslaufmodelle sind?

Knaak: Sie sind Auslaufmodelle, weil gar nicht klar ist, welcher Standard wird denn irgend wann mal siegen? Das versuchen die Hersteller auszubügeln, in dem sie das Logo "HD-Ready" auf entsprechende Geräte kleben, mit dem Versprechen, die sind zukunftssicher.

Hettinger: Das heißt, er könnte, wenn er wollte.

Knaak: Er könnte, wenn er wollte, nur, was er kann, ist immer noch fraglich. Es hängen daran ganz rigide Kopierschutzregeln, die mich an die Kandare nehmen und mir das, was ich früher immer machen konnte - Kassette rein, Film mitschneiden, Freunden geben - das geht alles nicht mehr. Da hängen eine ganze Reihe Nachteile dran. Und ich sehe es im Grunde relativ skeptisch und sage, so ein großes Fernsehteil sollte sich nur kaufen, so ein Flachdisplay, wer sehr viel, exzessiv DVDs guckt. Fürs Fernsehen sind die Dinger einfach viel zu gut.
Hettinger: Viel zu teuer und zu viele Möglichkeiten für viel zu wenig, was im Moment noch realisiert werden kann. Da fragt man sich natürlich, was geht vor in den Entwicklungsabteilungen der großen Unternehmen? Erkennen die die Bedürfnisse der Kunden nicht mehr?

Knaak: Sie sind sehr auf ihre eigenen Unternehmen fixiert. Das sieht man an solchen Detaildiskussionen, wie: Wenn ich denn einmal Hochzeilenfernsehen hätte, dann bräuchte ich ja auch ein Medium, dass diese riesigen Daten - das ist ja dann alles Digital - auch aufzeichnen kann. Auf eine normale DVD passt dann nur noch ein Filmschnipsel drauf. Wir brauchen den Nachfolger der DVD. Da gibt es konkurrierende Standards. Es ist die Blue-Ray-Disk, klingt ja klasse, und das blaue Laserlicht sieht ja auch immer toll aus, mit dem da geworben wird. Oder es ist die HD-DVD. Als wir früher die CD eingeführt haben, war es ein Produkt, das die Schallplatte beerbte. Die Vorteile waren für jeden hörbar. Da musste man nicht groß die Werbetrommel rühren. Heute haben wir gar keine Standards, Vielfalt an Entwicklung und niemand weiß, was kommt. Das verwirrt die Leute und ich finde, man sollte dann auch nicht kaufen.

Hettinger: Den Eindruck habe ich auch, dass dieser Haben-Haben-Haben-Reflex ein bisschen abgeklungen ist. In Japan zum Beispiel liest man, ist ein Handy der große Renner, das wirklich nichts anderes kann als telefonieren. Diese ganzen Gimmicks fehlen und das ist in der Tat der große Renner. Ist das der Trend wirklich zum Einfachen, zum Klaren?

Knaak: Für viele ist das ganz wichtig, dass das Gerät, was sie benutzen, eben nur das kann, was sie auch wollen und keine eierlegende Wollmilchsau wird. Die vielen Funktionen sind doch auch für viele Leute nicht nur unnötig, sondern verwirren auch in der Bedienung, sind zum Teil auch mit Kostenfallen verbunden. Da rede ich über so etwas wie Handy-branding, das muss doch alles nicht sein. Auf so ein Einfachhandy warte ich. Das ist nicht nur, wie immer gesagt wird, etwas für Senioren, sondern das kann vielen nutzen.
Hettinger: Woher kommt denn dennoch der Optimismus dieser Branche, denn da waren ja sehr optimistische Töne zu hören bei den Herstellern und Ausstellern?


Knaak: Der Optimismus wird klar, wenn man in die Bilanzen guckt. Die Verkäufe gerade auch von Großdisplays ziehen ungeachtet auch all dieser Probleme, die die Käufer ja auch sehen, an. Das heißt, dass die Umsätze steigen und bei den großen Displays, obwohl die Preise im Sinkflug sind, ist die Marge natürlich auch toll, verdienen alle schön dran. Letzten Endes, der Branche geht es schon ganz gut.

Hettinger: Also die "Geiz ist geil"-Welle macht halt vor den Investitionen in die begehrte Unterhaltungselektronik?

Knaak: Ja.

Hettinger: Wie kommt das?

Knaak: Wenn ich nicht nur durch die IFA-Hallen gehe, sondern mich auch so umgucke, gibt es natürlich vieles, was tatsächlich verlockend ist. Also ein dickes Röhrenfernsehgerät ist eben nicht halb so sexy wie ein Flachdisplay an der Wand, das ist ganz klar. Und wenn ich gucke, wie viele Leute auch heute sich immer noch ein Haus bauen, da bleibt halt doch das Geld übrig 2000, 3000 Euro für so ein Flachdisplay an der Wand, und das wird dann eben auch genommen.

Hettinger: Die Faszinationskraft der blinkenden Maschinen ist nach wie vor ungebrochen. Da fehlt jetzt nur noch ein Gerät, das sich selber kauft. Peter Knaak war das von der Stiftung Warentest über die Elektronikwunderwelten auf der Internationalen Funkausstellung. Heute beginnt diese Leistungsschau der Unterhaltungselektronikbranche und sie dauert noch bis zum 7. September, bis zum Mittwoch.

Der Stand des Deutschlandradio auf der IFA 2005 befindet sich innerhalb des ARD-Gesamtauftritts in der Halle 2.2 (Halle 2, obere Ebene). Weiterhin sind wir im Wissenschaftlich-Technischen Forum in Halle 5.3 und am DRM-Stand in Halle 5, Stand 102, vertreten.
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