"Es gibt nicht die großen noch ungefundenen Ölreserven"

Andreas Eschbach im Gespräch mit Jörg Degenhardt |
Wer wie Fritz Vahrenholt davon spricht, dass die Ölreserven in 50 Jahren verbraucht seien, sei noch zu optimistisch, findet der Autor Andreas Eschbach. "Wir werden es noch erleben zu unseren Lebzeiten, wie Öl an Bedeutung verliert, weil es weniger davon geben wird, weil die Preise steigen und steigen werden". Und er ist überzeugt: "Die Energiefrage ist die zentrale Frage der kommenden Jahre".
Jörg Degenhardt: Fritz Vahrenholt, einer der prominentesten Energie- und Umweltexperten, sieht den Klimawandel als Panikmache an. Seine Aussagen haben für erhebliches Aufsehen und heftigen Widerspruch gesorgt. Am Montag hatten wir ihn hier im Interview, da wies er zudem auf die Endlichkeit verschiedener Ressourcen hin, die ersetzt werden wollen. Er sprach von einer Ölknappheit in 50 Jahren. Hören wir mal, was der RWE-Manager im Einzelnen gesagt hat.

Fritz Vahrenholt: "Die Klimadebatte ist bislang die alleinige Begründung für erneuerbare Energien. Warum machen wir erneuerbare Energien? Weil wir das Klima schützen wollen. Und es gibt viele andere Gründe: Wir werden in 100 Jahren Gasknappheit haben, wir werden in 50 Jahren Ölknappheit haben und wir werden in 200 Jahren auch nicht mehr ausreichend Kohle haben. Das ist der eine Grund, das heißt Endlichkeit. Zweitens aber auch Importabhängigkeit von grimmigen Diktaturen. Erneuerbare muss man nicht importieren.
Und dann gibt es noch einen dritten Grund: Ich bin fest davon überzeugt, dass die erneuerbaren Energien die große Chance haben, auch wettbewerbsfähig zu sein. Der Ölpreis kennt nur eine Richtung, da wird nichts mehr billiger. Aber die Windenergie ist seit 20 Jahren Jahr für Jahr preiswerter geworden. Wir können das schaffen, aber wir müssen nicht in Hektik verfallen."

Degenhardt: Der ehemalige Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt. – Der Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach ist jetzt mein Gesprächspartner, aus seiner Feder stammt der Wirtschafts-Thriller "Ausgebrannt", in dem beschäftigt er sich auf unterhaltsame, ja höchst spannende, Gänsehaut produzierende Weise mit der Suche nach den letzten großen Erdölvorräten und mit der Frage, was macht die Menschheit eigentlich, wenn der letzte Tropfen verbraucht ist. Guten Morgen, Herr Eschbach!

Andreas Eschbach: Guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Der Ölkonzern BP hat gerade einen Gewinn von 18 Milliarden Euro vermeldet, Shell gibt 23 Milliarden an und Exxon Mobil gar 31 Milliarden. Das klingt eher nach einem Ölrausch. Müssen Sie Ihr Buch neu schreiben?

Eschbach: Nein. Das, was ein Energiekonzern an Gewinnen meldet, hat mit den Ölressourcen nichts zu tun. Das ist nur die Momentaufnahme hier und jetzt.

Degenhardt: Aber diese Zahlen verleiten doch dazu, dass man sich um dieses Thema weniger Gedanken macht, als es vielleicht notwendig wäre. Herr Vahrenholt sagt, in 50 Jahren wird es richtig eng. Das heißt, man sollte jetzt schon mal darüber nachdenken, wie es danach weitergehen könnte?

Eschbach: Also wenn er sagt, in 50 Jahren werden wir kein Öl mehr haben, ist das eine eher optimistische Zahl. Wir werden es noch erleben zu unseren Lebzeiten, wie Öl, ich sage mal, an Bedeutung verliert, weil es weniger davon geben wird, weil die Preise steigen und steigen werden. Da gibt es auch keine ernst zu nehmenden Zweifel daran. Also es gibt nicht die großen noch ungefundenen Ölreserven.

Degenhardt: Aber selbst in Ihrem Buch, das ja, wie ich finde, auf vortreffliche Weise Fakten mischt mit einer spannenden Geschichte, da behauptet ein alter Öltechniker, dass in den Tiefen der Erde noch genug Öl lagern würde für die nächsten Jahrtausende.

Eschbach: Na ja, aber am Schluss stellt sich heraus, dass er mit dieser Theorie nicht Recht hat. Es gibt solche Theorien, es gibt Leute, die noch viel krassere Theorien vertreten, die glauben, dass die Kontinente auf Ölseen schwimmen und dass das mit dem heißen Erdkern gar nicht stimmt, sondern dass quasi die Erde mit Öl gefüllt wäre. Das ist ein Panoptikum von merkwürdigen Thesen, die da vertreten werden.

Degenhardt: Aber mit Verlaub, Entschuldigung! Auch in Deutschland, in der Lausitz zum Beispiel, wird nach Öl gesucht, an den Polkappen sowieso, in Kanada werden Ölsande ausgebeutet. Es scheint, doch genügend da zu sein, nur der Abbau wird schwieriger und teurer.

Eschbach: Nein, das muss man in den Größenverhältnissen sehen. Heutzutage wird schon gemeldet, wenn irgendwo ein Feld gefunden wird von einer Milliarde Barrel. Das ist aber der Weltbedarf von nicht mal 14 Tagen. Diese Ölsande in Kanada, das ist die größte Umweltverschmutzung, die es auf diesem Planeten gibt. Das ist ein Feld so groß wie Großbritannien, das komplett vom Wald befreit wird, in dem unglaubliche Mengen von Wasser verbraucht werden und die giftigsten Chemikalien, um dort so eine Art Öl zweiter Klasse herzustellen. Das kann nicht die Zukunft sein.

Degenhardt: Das heißt, Sie würden Ihr Buch heute noch mal genauso schreiben, oder Sie würden es vielleicht sogar noch etwas zuspitzen, einen zweiten Teil dazufügen?

Eschbach: Zugespitzt ist es ja schon dadurch, ...

Degenhardt: In der Tat!

Eschbach: ... , dass ich das Öl sozusagen von einer Woche auf die andere ausgehen lasse. Das war eine geologische Konstellation, die um das Jahr 2005/2006 herum möglich gewesen wäre.

Degenhardt: Können Sie die Situation bitte noch einmal beschreiben? Was muss da gegeben sein, dass so etwas passieren kann, dass innerhalb einer Woche sozusagen die Vorräte ausgehen?

Eschbach: Die Grundkonstellation war die – und das ist heute auch noch so -, dass der Swing Producer auf dem Ölmarkt die Saudis sind, Saudi Aramco, und das können die deswegen machen, weil es ein Ölfeld gibt, das man gewissermaßen nach Belieben ein- und ausschalten kann. Das ist das Ghawar-Ölfeld. Das ist das größte Ölfeld der Welt, aber das wird jetzt schon seit 60 Jahren oder so ausgebeutet, das nähert sich dem Ende seiner Kapazität. In Saudi-Arabien wird nicht mit Pumpen gearbeitet, die das Öl aus dem Boden holen, also diese nickenden Dinosaurier, die es in Texas oder so viel gegeben hat, sondern die machen das so, dass die Wasser in diese Gesteinschichten hineinpressen, um den Druck aufrecht zu erhalten, der das Öl von selbst sprudeln lässt. Und wenn dieses Wasser das Öl überholen würde, dann würde es den Ölstrom von einen Tag auf den anderen kappen.

Degenhardt: Wir haben ja mittlerweile erfahren, dass Saudi-Arabien seine eigenen Erdölreserven als viel zu hoch angegeben hat. Die größten Felder, die es noch gibt, liegen wohl in Venezuela. Lassen Sie uns wenigstens ansatzweise noch darüber sprechen: wie kann der Rohstoff Öl am besten ersetzt werden aus Ihrer Sicht?

Eschbach: Ich bin nur ein Schriftsteller, ich habe die Lösung auch nicht. Wenn es so einfach wäre, dass ich es wüsste, dann wäre es nicht wirklich ein Problem. Ich finde, der Herr Vahrenholt hat dahingehend recht, dass er sagt, wir brauchen nicht den Klimawandel als Grund, um uns nach anderen Energiequellen umzusehen. Die Energiefrage ist die zentrale Frage der kommenden Jahre.

Degenhardt: Der Science-Fiction-Autor Andreas Eschbach – von ihm stammt der Wirtschafts-Thriller "Ausgebrannt”. Darin geht es um das Ende des Ölzeitalters. Noch aber verdienen die Konzerne kräftig an und mit diesem Rohstoff. – Vielen Dank, Herr Eschbach, für das Gespräch.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Nahe Fort McMurray in der kanadischen Provinz Alberta werden großflächig Teersande abgebaut
Nahe Fort McMurray in der kanadischen Provinz Alberta werden großflächig Teersande abgebaut© picture alliance / dpa / Larry MacDougal
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