"Es ist sehr wichtig, dass es Priester gibt, die ehelos sind"
Reformdebatte unter Deutschlands Katholiken: Der Generalsekretär des Zentralkomitees, Stefan Vesper, hat betont, dass eine generelle Abschaffung des Zölibats nicht in Frage komme, aber für "erprobte Männer" eine Ausnahme vorstellbar sei.
André Hatting: Seit fast 20 Jahren hat es einen solchen Aufstand der Theologen nicht mehr gegeben. Ist die Zeit reif für die Abschaffung des Pflichtzölibats?
Stefan Vesper: Zunächst einmal ist die Zeit reif zu einem begründeten und gut durchdachten Dialogprozess. Zu dem haben die deutschen Bischöfe aufgerufen und wir haben das sehr begrüßt und uns auch im letzten November schon mit Bischöfen gemeinsam getroffen, um in diesen Dialogprozess zu starten. Es ist ganz wichtig, nach dieser schweren Krise des letzten Jahres nicht einfach weiterzumachen, sondern den Dialog in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zu führen. Ich will aber unbedingt sagen, dass sie nicht die Abschaffung des Zölibats fordern, sondern dass sie sagen, es muss auch verheiratete Priester geben. Das ist etwas ganz anderes. Der Zölibat ist etwas, was wir auch im Zentralkomitee immer wieder gesagt haben, was wir sehr wertschätzen. Es ist sehr wichtig, dass es Priester gibt, die ehelos sind und sich in einer ganz besonders spezifischen Weise mit ihrem ganzen Leben in diesen Dienst einbringen. Aber die Verbindung zwischen dem Priesterdienst in der Gemeinde und der Ehelosigkeit, die – so meint auch das Zentralkomitee schon 1994 in einer Erklärung – die müsse man überprüfen.
Hatting: Und warum dauert die Überprüfung so lange?
Vesper: Nun, in der katholischen Kirche ist es… manches geht eben nicht so schnell, wie man es sich wünscht.
Hatting: Aber jetzt wäre der Handlungsdruck doch enorm groß, gerade wegen der Krise, die wir angesprochen haben. Und wenn Sie sagen, es gebe bereits einen Dialog, also der Öffentlichkeit, bekommen wir nicht ganz so viel davon mit.
Vesper: Doch, doch, das würde ich schon sagen, dass der Dialog auf vielen Ebenen begonnen hat. Wie gesagt, wir haben ein Gespräch geführt mit der Ebene des Präsidiums des Zentralkomitees und erweitert mit einer großen Gruppe von Bischöfen, also ein Gespräch, 20 Laien und 20 Bischöfe im letzten November. Alle Reden dort sind veröffentlicht und nachlesbar, da sind schon viele der jetzt auch aufgeworfenen Fragen behandelt worden. Und es gibt eben auch den Dialog innerhalb der Bischofskonferenz selbst. Jedes Treffen der Bischofskonferenz hat das im Moment auf der Tagesordnung, und so gilt das auch für die Vollversammlung der Bischöfe im kommenden März. Insgesamt, es ist jetzt eine Situation, wo sich die katholische Kirche nach dieser schweren Krise über ihre Zukunft klar wird, die katholische Kirche in Deutschland, und das, was man in Deutschland verändern kann, dazu, meine ich, sind wir gemeinsam bereit, und dazu braucht es jetzt viele gute Gespräche.
Hatting: Was kann man in Deutschland verändern? Kann man es zum Beispiel einführen, dass auch Verheiratete Priester werden dürfen?
Vesper: Nun, der Zölibat in diesem Punkt ist ja eine weltkirchliche Angelegenheit, aber es gibt ja die Möglichkeit, dass man den Papst bittet um Sonderregelungen für Diözesen, in denen besondere Situationen bestehen. Und schon vor zwei Woche haben ja acht langjährig engagierte Katholiken gefordert, dass man "Viri probati" weiht, also erfahrene Männer auch zulässt zum priesterlichen Dienst. Es ist so schlimm in manchen Gemeinden, die Situation ist so bedrängend und bedrückend; wenn die vierte und die fünfte und die sechste Gemeinde dazukommen zu einer Großgemeinde – die Professorinnen und Professoren sprechen von XXL-Gemeinden –, wo der einzelne Pfarrer herumreist und gar nicht mehr wirklich präsent sein kann und eine wirkliche Not in der Gemeinde besteht, da muss man Lösungen finden, das ist ganz sicher.
Hatting: Ich habe eingangs gesagt, dass insgesamt 150 Theologieprofessoren bislang unterschrieben haben. Es haben viele nicht unterschrieben, obwohl sie auch diese Meinung dieses Aufrufs unterstützen, sie haben Angst vor Nachteilen im Beruf. Sieht so ein offener Dialog aus in der katholischen Kirche?
Vesper: Ich glaube, dass man da jetzt nicht nachgucken sollte, wer hat unterschrieben und wer hat nicht unterschrieben. Es ist positiv zu sehen, dass hier ein großes Votum von einem Drittel der Theologieprofessorinnen und -professoren in ganz Deutschland hier kommt als Teil dieses breiten Dialoggeschehens.
Hatting: Die gewünschten Reformen betreffen nicht nur den Zölibat, die Theologen fordern auch, zum Beispiel Frauen als Priester zuzulassen. Ist das denkbar?
Vesper: Das ist der gleiche Satz, den viele auch in den Agenturen falsch gelesen haben. Da steht nämlich drin, die Kirche braucht verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt. Es gibt ja viele kirchliche Ämter, zum Beispiel auch das Diakonat, und das Diakonat der Frau ist eine Frage, die sehr lange schon diskutiert wird und wo sich einfach im Moment nichts bewegt. Und ich denke, dass man unbedingt dieses Gespräch zum Beispiel über den Diakonat der Frau aufrechterhalten sollte und hier Lösungen finden müsste. Es gibt auch Bischöfe, die dieser Meinung sind.
Hatting: Welche Lösungen könnten das sein, wie könnten die aussehen?
Vesper: Ja, dass man den Frauen in unserer katholischen Kirche den Ort gibt, der ihnen zukommt. Es gibt ein böses Wort oder sagen wir mal ein leicht verhärmtes Wort, das sagt, wir sind eine von Männern geleitete Frauenkirche. Es ist in der Tat so, dass wir, auch das Zentralkomitee, sagen, dass die Frauen, die vielen Frauen, die sich in unserer Kirche engagieren, den für sie richtigen Platz im Grunde noch nicht gefunden haben. Und da ist noch viel an Charisma von der Kirche zu entdecken, zum Wohl der Menschen, denn diese Frauen können die Kirche noch weiter voranbringen und bei den Menschen sein, in ihren Sorgen und Nöten.
Hatting: 150 Theologieprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben einen Aufruf für mehr Reformen in der katholischen Kirche unterzeichnet. Wir sprachen darüber mit Stefan Vesper, er ist Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Vesper: Bitte schön!
Stefan Vesper: Zunächst einmal ist die Zeit reif zu einem begründeten und gut durchdachten Dialogprozess. Zu dem haben die deutschen Bischöfe aufgerufen und wir haben das sehr begrüßt und uns auch im letzten November schon mit Bischöfen gemeinsam getroffen, um in diesen Dialogprozess zu starten. Es ist ganz wichtig, nach dieser schweren Krise des letzten Jahres nicht einfach weiterzumachen, sondern den Dialog in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zu führen. Ich will aber unbedingt sagen, dass sie nicht die Abschaffung des Zölibats fordern, sondern dass sie sagen, es muss auch verheiratete Priester geben. Das ist etwas ganz anderes. Der Zölibat ist etwas, was wir auch im Zentralkomitee immer wieder gesagt haben, was wir sehr wertschätzen. Es ist sehr wichtig, dass es Priester gibt, die ehelos sind und sich in einer ganz besonders spezifischen Weise mit ihrem ganzen Leben in diesen Dienst einbringen. Aber die Verbindung zwischen dem Priesterdienst in der Gemeinde und der Ehelosigkeit, die – so meint auch das Zentralkomitee schon 1994 in einer Erklärung – die müsse man überprüfen.
Hatting: Und warum dauert die Überprüfung so lange?
Vesper: Nun, in der katholischen Kirche ist es… manches geht eben nicht so schnell, wie man es sich wünscht.
Hatting: Aber jetzt wäre der Handlungsdruck doch enorm groß, gerade wegen der Krise, die wir angesprochen haben. Und wenn Sie sagen, es gebe bereits einen Dialog, also der Öffentlichkeit, bekommen wir nicht ganz so viel davon mit.
Vesper: Doch, doch, das würde ich schon sagen, dass der Dialog auf vielen Ebenen begonnen hat. Wie gesagt, wir haben ein Gespräch geführt mit der Ebene des Präsidiums des Zentralkomitees und erweitert mit einer großen Gruppe von Bischöfen, also ein Gespräch, 20 Laien und 20 Bischöfe im letzten November. Alle Reden dort sind veröffentlicht und nachlesbar, da sind schon viele der jetzt auch aufgeworfenen Fragen behandelt worden. Und es gibt eben auch den Dialog innerhalb der Bischofskonferenz selbst. Jedes Treffen der Bischofskonferenz hat das im Moment auf der Tagesordnung, und so gilt das auch für die Vollversammlung der Bischöfe im kommenden März. Insgesamt, es ist jetzt eine Situation, wo sich die katholische Kirche nach dieser schweren Krise über ihre Zukunft klar wird, die katholische Kirche in Deutschland, und das, was man in Deutschland verändern kann, dazu, meine ich, sind wir gemeinsam bereit, und dazu braucht es jetzt viele gute Gespräche.
Hatting: Was kann man in Deutschland verändern? Kann man es zum Beispiel einführen, dass auch Verheiratete Priester werden dürfen?
Vesper: Nun, der Zölibat in diesem Punkt ist ja eine weltkirchliche Angelegenheit, aber es gibt ja die Möglichkeit, dass man den Papst bittet um Sonderregelungen für Diözesen, in denen besondere Situationen bestehen. Und schon vor zwei Woche haben ja acht langjährig engagierte Katholiken gefordert, dass man "Viri probati" weiht, also erfahrene Männer auch zulässt zum priesterlichen Dienst. Es ist so schlimm in manchen Gemeinden, die Situation ist so bedrängend und bedrückend; wenn die vierte und die fünfte und die sechste Gemeinde dazukommen zu einer Großgemeinde – die Professorinnen und Professoren sprechen von XXL-Gemeinden –, wo der einzelne Pfarrer herumreist und gar nicht mehr wirklich präsent sein kann und eine wirkliche Not in der Gemeinde besteht, da muss man Lösungen finden, das ist ganz sicher.
Hatting: Ich habe eingangs gesagt, dass insgesamt 150 Theologieprofessoren bislang unterschrieben haben. Es haben viele nicht unterschrieben, obwohl sie auch diese Meinung dieses Aufrufs unterstützen, sie haben Angst vor Nachteilen im Beruf. Sieht so ein offener Dialog aus in der katholischen Kirche?
Vesper: Ich glaube, dass man da jetzt nicht nachgucken sollte, wer hat unterschrieben und wer hat nicht unterschrieben. Es ist positiv zu sehen, dass hier ein großes Votum von einem Drittel der Theologieprofessorinnen und -professoren in ganz Deutschland hier kommt als Teil dieses breiten Dialoggeschehens.
Hatting: Die gewünschten Reformen betreffen nicht nur den Zölibat, die Theologen fordern auch, zum Beispiel Frauen als Priester zuzulassen. Ist das denkbar?
Vesper: Das ist der gleiche Satz, den viele auch in den Agenturen falsch gelesen haben. Da steht nämlich drin, die Kirche braucht verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt. Es gibt ja viele kirchliche Ämter, zum Beispiel auch das Diakonat, und das Diakonat der Frau ist eine Frage, die sehr lange schon diskutiert wird und wo sich einfach im Moment nichts bewegt. Und ich denke, dass man unbedingt dieses Gespräch zum Beispiel über den Diakonat der Frau aufrechterhalten sollte und hier Lösungen finden müsste. Es gibt auch Bischöfe, die dieser Meinung sind.
Hatting: Welche Lösungen könnten das sein, wie könnten die aussehen?
Vesper: Ja, dass man den Frauen in unserer katholischen Kirche den Ort gibt, der ihnen zukommt. Es gibt ein böses Wort oder sagen wir mal ein leicht verhärmtes Wort, das sagt, wir sind eine von Männern geleitete Frauenkirche. Es ist in der Tat so, dass wir, auch das Zentralkomitee, sagen, dass die Frauen, die vielen Frauen, die sich in unserer Kirche engagieren, den für sie richtigen Platz im Grunde noch nicht gefunden haben. Und da ist noch viel an Charisma von der Kirche zu entdecken, zum Wohl der Menschen, denn diese Frauen können die Kirche noch weiter voranbringen und bei den Menschen sein, in ihren Sorgen und Nöten.
Hatting: 150 Theologieprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben einen Aufruf für mehr Reformen in der katholischen Kirche unterzeichnet. Wir sprachen darüber mit Stefan Vesper, er ist Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Vesper: Bitte schön!