"Es kann nur um Hilfe zur Selbsthilfe gehen"

Volker Wissing im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der FDP-Politiker Volker Wissing hat die Kritik des nordrhein-westfälischen Landesparteichefs Andreas Pinkwart am Griechenland-Kurs von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verteidigt. Pinkwart habe auf die Diskrepanz hingewiesen, die der CDU-Politiker bezüglich der möglichen Milliardenhilfen offenbare, sagte Wissing.
Marcus Pindur: Eigentlich war kaum eine Steigerung des griechischen Defizitdesasters vorstellbar, aber dann ging es doch. Der griechische Staat hat seine Verschuldung wieder einmal falsch berechnet. Das europäische Statistikamt Eurostat kam dahinter, und die Zinsen, die die Griechen zahlen müssen, stiegen erneut.

Der Hilferuf aus Griechenland kam prompt, und jetzt beraten IWF und Europäische Zentralbank über ein Sanierungsprogramm. In Deutschland wird Hilfe für Griechenland sehr kritisch gesehen. Hier der FDP-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, Andreas Pinkwart, auf dem Bundesparteitag der Liberalen am Wochenende in Köln:

Andreas Pinkwart: Wer Griechenland Milliarden an Hilfen in Aussicht stellt und sich dann vor die deutschen Arbeitnehmerinnen und die kleinen Betriebe stellt und sagt, für euch ist kein Geld zur Entlastung da, meine Damen und Herren, der schlägt den Bürgern ins Gesicht.

Pindur: Das ist natürlich an Finanzminister Schäuble gerichtet. Der beharrt zwar darauf, wenn überhaupt, dann gebe es nur Kreditgarantien, aber Schäuble ist unter Druck des Koalitionspartners, der FDP. Ich begrüße jetzt den Vorsitzenden des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Volker Wissing, auch FDP. Guten Tag, Herr Wissing.

Volker Wissing: Guten Tag! Ich grüße Sie.

Pindur: Herr Wissing, bei allem Verständnis für den wahlkämpfenden Andreas Pinkwart in Nordrhein-Westfalen, werden da nicht zwei politische Güter gegeneinander ausgespielt, die das nicht werden sollten, nämlich die außenpolitische Verantwortung Deutschlands einerseits und innenpolitische Fragen andererseits?

Wissing: Nein, das hat Andreas Pinkwart nicht gemacht, aber er hat auf die Diskrepanz hingewiesen, die Wolfgang Schäuble offenbart. In Deutschland kann sich offenbar nichts bewegen, und er hat schon erstaunlich großzügig und sehr schnell Griechenland Hilfe zugesagt. Da passt etwas nicht zusammen.

Pindur: Wolfgang Schäuble hat gesagt, es sei noch lange nicht beschlossen, dass es Hilfe geben werde, das sollen erst die Verhandlungen zwischen IWF, Europäischer Zentralbank und der griechischen Regierung ergeben, die dann ja ein Sanierungsprogramm aushandeln müssen.

Wissing: Die Äußerungen des Bundesfinanzministers sind sehr unklar und werden ständig korrigiert. Zunächst hieß es, es würden keine Hilfen in Anspruch genommen werden seitens der Griechen, dann hieß es, wir hätten mittelfristig doch möglicherweise mit einem Antrag zu rechnen, und dann kam er ganz plötzlich schon am vergangenen Freitag.

Pindur: Aber noch mal zurück zu diesen Äußerungen, die da gefallen sind auf dem FDP-Parteitag. Das war ja nicht nur Andreas Pinkwart, sondern es gab ja auch einen Antrag, der sich zum Beispiel damit befasste, man solle Mitglieder wie Griechenland auch aus der Euro-Zone ausschließen können. Das ist gerade noch abgelehnt worden. Ist das nicht ein wenig wohlfeiles Wahlkampfgeklingel, denn die Deutschen haben doch ein extrem hohes Interesse an einem stabilen Euro und müssen doch deswegen alles tun, damit der Euro auch eine angesehene Währung bleibt?

Wissing: Zunächst einmal, was den Antrag betrifft. Ich bin einer der Mitantragsteller. Die Passage, die am Ende gestrichen worden ist, ist deswegen rausgekommen, weil sie ganz offensichtlich missverständlich war. Sie bezog sich niemals auf die gegenwärtige Situation Griechenlands, sondern es ging ausschließlich darum, die Europäische Union so fortzuentwickeln, die Währungsunion so fortzuentwickeln, dass bei künftigen Fällen so etwas möglich ist. Weil das missverständlich war, haben wir es dann aus dem Antrag herausgenommen.
Fest steht, dass Griechenland für seine Schulden selbst verantwortlich ist, und das Prinzip der Eigenverantwortung, das muss auch in der Währungsunion gelten.

Das heißt, man kann über Hilfe zur Selbsthilfe nachdenken, aber nicht mehr, und das muss das Prinzip sein. Die Europäische Union darf nicht zur Transferunion werden. Die Äußerungen von Wolfgang Schäuble hinsichtlich eines europäischen Währungsfonds, die Tendenzen, die erkennbar sind, Instrumente zu schaffen, die den Einstieg in eine Transferunion bedeuten könnten, das ist schon sehr gefährlich, und da hat die FDP ganz klar und meines Erachtens auch richtigerweise nein und nochmals nein dazu gesagt.

Pindur: Die FDP wird aber vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt ja sagen müssen. Unter welchen Bedingungen können Sie sich denn vorstellen, dann Hilfe für Griechenland zu leisten?

Wissing: Es kann nur um Hilfe zur Selbsthilfe gehen, und so etwas muss absolut ultima ratio sein.

Pindur: Hilfe zur Selbsthilfe, das ist ja das, was Schäuble sagt. Er meint, Kreditgarantien sind okay, aber deutsche Zuschüsse für den griechischen Haushalt, das bisher noch nicht.

Wissing: Noch mal: Der Bundesfinanzminister hat erst mal von einem europäischen Währungsfonds gesprochen. Dann ging es um die Frage, wie schnell kommen Anträge; sie werden erst mittelfristig kommen. Dann waren sie plötzlich auf dem Tisch. Da ist vieles unklar und wir sagen ganz klar, wir wollen keine Transferunion haben, wir wollen keine Übernahme von griechischen Schulden durch den deutschen Steuerzahler.

Es kann nur um Hilfe zur Selbsthilfe gehen, und das Ziel muss dann aber sein, nicht die Schulden Griechenlands abzutragen, sondern es geht dann ausschließlich um die Stabilisierung der Währung. Das ist auch im nationalen Interesse.

Pindur: Was bedeutet denn dann konkret Hilfe zur Selbsthilfe?

Wissing: Das Problem Griechenlands ist ein griechisches Problem, und es darf nicht passieren, dass durch internationale Transfers den Griechen der Druck zur Haushaltskonsolidierung genommen wird. Das Problem lässt sich nur lösen, indem Griechenland sein Budget-Problem in den Griff bekommt, und das geht nur durch knallharte Einsparpolitik.

Pindur: Also keine Hilfe dann an Griechenland im Endeffekt?

Wissing: Ich halte nichts von vorschnellen Zusagen. Ich halte auch nichts davon, apodiktisch zu sagen, wir überlassen Griechenland mit dem Währungsproblem dem Zufall. Auch das wird nicht verantwortbar sein. Aber es ist doch ein Unterschied, ob ich frühzeitig einen europäischen Währungsfonds ins Spiel bringe oder ob ich ständig neue Fristen nenne, wann Hilfen beansprucht werden. Ich glaube, ein Fehler ist es, vorschnell finanzielle Zusagen zu machen.

Pindur: Wenn es jetzt Kredite der KfW zum Beispiel geben sollte für den griechischen Haushalt, wie auch Kredite aus anderen europäischen Ländern, würden Sie dagegen auch klagen, weil das ein Verstoß ist in Ihren Augen gegen Paragraf 125 der Wirtschafts- und Währungsunion?

Wissing: Ich halte zunächst einmal es für wichtig, dass wir umfassend informiert werden über das, was jetzt wieder passiert ist in Griechenland. Es muss jetzt mal aufgeklärt werden, weshalb ständig neue Zahlen geliefert werden, und am Ende muss der Bundesfinanzminister klaren Tisch machen.

Und wenn er sagt, er möchte deutsche Steuergelder einsetzen, um Griechenland zu stabilisieren, werden wir das aufs Genaueste und aufs Strengste prüfen und werden unserer Verantwortung für die Stabilität der Währung - ausschließlich darum kann es für die FDP gehen – gerecht werden. Das Ziel muss aber sein, den Bundesfinanzminister auch daran zu messen, was er den Deutschen versprochen hat, keine deutschen Steuergelder dürfen in Griechenland verloren gehen.

Pindur: Herr Wissing, vielen Dank für das Gespräch.

Wissing: Gerne.

Pindur: Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, Volker Wissing (FDP).