Es könnte so viel leckerer sein!

Von Udo Pollmer |
Deutschlands Brotkultur verlottert. Denn die meisten Bäcker nehmen Fertigbackmischungen. Nun wollen sie ihr Brot auch noch als "Weltkulturerbe" schützen lassen wollen. Unserem Autor schmeckt das gar nicht.
Deutschlands Bäcker rühren nicht nur ihre Teige sondern vor allem die Werbetrommel. Jetzt wollen sie sich ihre Brotideen sogar von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe schützen lassen – so wie das Sankt-Blasius-Fest in Dubrovnik oder die Echternacher Springprozession.

Während der Wert dieser Traditionen gewiss löblich ist, ist er bei unserem Brot eher zweifelhaft. Die allermeisten Brote haben herzlich wenig mit der einstigen Handwerkskunst des Bäckers zu tun. Denn der größte Teil der Backwaren, den unsere Bäckereien anbieten, wird aus Fertigmischungen zusammengerührt. Mit dem klassischen Backen, mit der traditionellen Teigführung, namentlich mit dem für Deutschland typischen Sauerteig, hat das herzlich wenig zu tun.

Heute stammt ein erklecklicher Teil des Angebotes einer typischen Bäckerei aus der Brotfabrik. Die meisten Handwerks-Bäckereien verkaufen Tiefkühl-Fertigware, die sie kurz vorher aufgebacken haben. Der wesentliche Unterschied zu den Tiefkühlbrötchen, die der Verbraucher aus der Truhe im Supermarkt fischt, besteht darin, dass im Supermarkt deklariert werden muss. Deshalb achtet der Hersteller auch darauf, dass da nicht zu viele irritierende Begriffe in der Zutatenliste erscheinen. In der Bäckerei interessieren solche Fragen herzlich wenig. Auch hier gilt: Hauptsache billig im Einkauf.

Die heutige Brotvielfalt verdanken wir doch in erster Linie den Herstellern von Backmitteln und ihren Fertigmischungen. Da lässt sich aus einem Sack Fertigpulver locker ein Dutzend verschiedene Brotsorten erzeugen: Mal gibt der Bäcker etwas Kümmel dazu, mal Sesam, mal wird die Oberfläche bemehlt. Mal klein, mal groß, mal rund, mal eckig. Die Ideen der Werbetexter, der Chemiker und der Biotechnologen sind der simple Grund für die vermeintliche Brotvielfalt. Die Findigkeit der deutschen Zusatzstoffchemiker als Weltkulturerbe? Wäre es nicht besser, erst mal für ordentliches Brot zu sorgen, bevor man sich vor aller Welt blamiert?

Da unsere Bäcker die früher üblichen Teigführungen offenbar nicht mehr beherrschen oder diese ihnen piepegal sind, wird das Brot schnell altbacken und schmeckt nicht mehr. Und das trotz einer Extraportion an Frischhaltungs-Zusatzstoffen wie Enzymen, Guarkernmehl und Spezialstärken. Es wäre falsch, die Misere allein den Backmittlern in die Schuhe zu schieben. Kein Bäcker wird gezwungen, Fertigmischungen zu kaufen, oder Tiefkühl-Aufbackware. Zudem ist die Lebensmittelchemie soweit fortgeschritten, dass sich aus Backmischungen bei sachgerechter Zubereitung durchaus akzeptable Backwaren erzeugen ließen. Es ist eine Schande, dass viele Brote schon am nächsten Morgen altbacken sind – ein traditionelles, ein echtes Sauerteigbrot wäre nach acht Tagen immer noch schmackhaft.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner unterstützt das Ansinnen der Bäcker. Doch wohl nicht zufällig erwähnt sie in ihrer Pressemeldung gleichzeitig den Umstand, dass hierzulande viele Lebensmittel weggeworfen würden. Das altbackene Brot ist sichtlich der größte Posten in der Biotonne. Deren Inhalt soll nun der deutsche Beitrag zum immateriellen Weltkulturerbe werden! Mal sehen, wann wir den gelben Sack zum Weltkulturbeutel ernennen!

Sehr geschätzte Frau Aigner, wenn Sie schon dubiose Produkte deutscher Provenienz der UNESCO schmackhaft machen wollen, dann wäre Muckefuck ehrlicher als unser Brot, Sauerkraut typischer und das bunte Sortiment an Gummibärchen origineller! Der Inhalt der Gummibärentüte landet garantiert nicht im Müll, er enthält weniger Feinchemikalien als manch ein Bäckerbrot und die süßen, kleinen Bärchen bleiben sogar wochenlang schmackhaft. Mahlzeit!

Literatur:
- Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Aigner: Deutsches Brot als Weltkulturerbe schützen. Pressemeldung Nr. 105 vom 22.05.2011
- Pollmer U, Niehaus M: Food Design: Panschen erlaubt. Hirzel, Stuttgart 2006