Es lag was in der Luft
Auf die Farbsprühenden, emotionalen Bekenntnisse der Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde folgte nach dem Ersten Weltkrieg eine Phase der Ernüchterung in allen Kunstgattungen: "Die neue Sachlichkeit", Realismus und Funktionalität in Malerei, Literatur und Architektur. Was als Lifestyle endete, begann am 14. Juni 1925 als einfache Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle - eine Vorahnung dessen, was darauf folgte.
Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit,
es liegt in der Luft eine Stachlichkeit,
es liegt in der Luft, es liegt in der Luft, in der Luft!
Es liegt in der Luft was Idiotisches,
es liegt in der Luft was Hypnotisches,
es liegt in der Luft, es liegt in der Luft, in der Luft,
und es geht nicht mehr raus aus der Luft!
[Titelsong aus der Schiffer-Spoliansky-Revue
"Es liegt in der Luft"]
Es liegt in der Luft: Die Revue des Erfolgsduos Marcellus Schiffer und Mischa Spoliansky verulkte 1928 schwungvoll den sachlichen Zeitgeist, der seinen Namen einer Kunstausstellung verdankte. Unter dem Titel "Neue Sachlichkeit" hatte Museumsdirektor Gustav Friedrich Hartlaub drei Jahre zuvor 124 Bilder in der Mannheimer Kunsthalle gezeigt.
Zu sehen waren Gemälde der veristischen, politisch motivierten Sozialkritiker wie Otto Dix und George Grosz, sowie Werke der an Italien orientierten "Magischen Realisten". Hartlaub versuchte unterschiedliche Tendenzen der Malerei unter einen Hut zu bekommen, die auf die Experimente der zehner Jahre - Expressionismus, Kubismus und Abstraktion - mit einer Gegenstandsorientierten Malerei reagierten. Hartlaub beteuerte im Katalog, dass es keinesfalls darum ginge, den Expressionismus für tot zu erklären. Diplomatisch versuchte er auch den Titel "Neue Sachlichkeit" zu relativieren:
" Wir wollen uns nicht auf neue Schlagworte festlegen. Was wir zeigen ist allein, dass die Kunst noch da ist, dass sie zu Neuem, Ungesagtem strebt, dass die Künstler – enttäuscht, ernüchtert, oft bis zum Zynismus resignierend, - sich mitten in der Katastrophe auf das besinnen, was das Nächste, das Gewisseste und Haltbarste ist: die Wahrnehmung und das Handwerk. "
Das klingt weder fortschrittlich noch revolutionär. In der Tat überwogen in der Ausstellung in altmeisterlicher Manier gemalte Stillleben und Porträts. Von dem bissigen Satiriker George Grosz waren immerhin das schonungslose Bildnis des verkrüppelten Schriftstellers Max Hermann-Neiße zu sehen und der mit Schmissen dekorierte, aber sonst unversehrte "Magistratsbeamte für Kriegsbeschädigtenfürsorge"
Hartlaub versuchte die neue gegenständliche Malerei formal zu fassen: Nüchterne Zeichnung und plastische Gegenstandsauffassung fanden sich sowohl in den bösen Kommentaren von Grosz, als auch in den Industrielandschaften von Karl Hubbuch oder den südlichen Landschaften von Alexander Kanoldt.
Die Zurückhaltung des Museumsdirektors hatte ihren Grund. Hartlaub war gezwungen gewesen, die Ausstellung mehrfach zu verschieben. Zunächst schickten Dix und Grosz eine Absage. Dann besetzten die Franzosen das Ruhrgebiet und Mannheim.
Dazu kam die immer heftiger werdende Hetze gegen moderne Kunst, die von Seiten organisierter Vereine wie der "Deutschen Kunstgesellschaft" verbreitet wurde. Nicht ohne Erfolg, wie die Kritik im "Karlsruher Tageblatt" nach der Ausstellungseröffnung am 14. Juni 1925 verriet:
" Um es kurz und einfach zu sagen, diese Art von neuer Kunst, diese Ingenieurskunst, diese Kunst der Berechnung ohne Seele, diese Kunst der übelsten Illustration kann keine Kunst im alten geheiligten Wortsinn sein. "
Hartlaub wollte mit der Ausstellung "Neue Sachlichkeit" der damaligen Vielfalt der Kunstproduktion eine Richtung geben, aber auch seine eigene Sammlungspolitik rechtfertigen. Er hatte neben Bildern von Dix und Grosz auch Werke der Karlsruher Veristen Karl Hubbuch, Georg Scholz und Wilhelm Schnarrenberger gekauft.
Ihren historisch bedeutsamen Erfolg verdankte die Schau allerdings der nachfolgenden Verbreitung des Projekts. Nach Mannheim gingen die "neusachlichen" Bilder nach Dresden, Chemnitz und Dessau. Die überregionale Presse lobte die Ausstellung, konnte jedoch mit dem Begriff "Neue Sachlichkeit" nichts anfangen.
Gleichwohl hatte sich der Begriff festgesetzt und begann ein Eigenleben zu führen. Sachlich war schon die Architektur des Werkbundes gewesen, die Fotografie wurde sachlich, das Leben überhaupt. Die Frauen trugen Bubikopf, man wohnte in funktionalen Bauhausmöbeln und -Siedlungen. Auch die Reportagen des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch galten als sachlich. Technik und Fortschritt bestimmten das Leben. Der damalige Lifestyle gab sich unsentimental wie die schonungslosen Bestandsaufnahmen der neusachlichen Maler:
Fort mit Schnörkel, Stuck und Schaden!
Glatt baut man die Hausfassaden.
Nächstens baut man Häuser bloß
Ganz und gar fassadenlos.
Krempel sind wir überdrüssig!
Fort die Möbel aus der Wohnung!
Fort mit was nicht hingehört!
Ich behaupte ohne Schonung:
Jeder Mensch, der da ist, stört!
Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit…
[Titellied der Schiffer-Spoliansky-Revue "Es liegt in der Luft"]
es liegt in der Luft eine Stachlichkeit,
es liegt in der Luft, es liegt in der Luft, in der Luft!
Es liegt in der Luft was Idiotisches,
es liegt in der Luft was Hypnotisches,
es liegt in der Luft, es liegt in der Luft, in der Luft,
und es geht nicht mehr raus aus der Luft!
[Titelsong aus der Schiffer-Spoliansky-Revue
"Es liegt in der Luft"]
Es liegt in der Luft: Die Revue des Erfolgsduos Marcellus Schiffer und Mischa Spoliansky verulkte 1928 schwungvoll den sachlichen Zeitgeist, der seinen Namen einer Kunstausstellung verdankte. Unter dem Titel "Neue Sachlichkeit" hatte Museumsdirektor Gustav Friedrich Hartlaub drei Jahre zuvor 124 Bilder in der Mannheimer Kunsthalle gezeigt.
Zu sehen waren Gemälde der veristischen, politisch motivierten Sozialkritiker wie Otto Dix und George Grosz, sowie Werke der an Italien orientierten "Magischen Realisten". Hartlaub versuchte unterschiedliche Tendenzen der Malerei unter einen Hut zu bekommen, die auf die Experimente der zehner Jahre - Expressionismus, Kubismus und Abstraktion - mit einer Gegenstandsorientierten Malerei reagierten. Hartlaub beteuerte im Katalog, dass es keinesfalls darum ginge, den Expressionismus für tot zu erklären. Diplomatisch versuchte er auch den Titel "Neue Sachlichkeit" zu relativieren:
" Wir wollen uns nicht auf neue Schlagworte festlegen. Was wir zeigen ist allein, dass die Kunst noch da ist, dass sie zu Neuem, Ungesagtem strebt, dass die Künstler – enttäuscht, ernüchtert, oft bis zum Zynismus resignierend, - sich mitten in der Katastrophe auf das besinnen, was das Nächste, das Gewisseste und Haltbarste ist: die Wahrnehmung und das Handwerk. "
Das klingt weder fortschrittlich noch revolutionär. In der Tat überwogen in der Ausstellung in altmeisterlicher Manier gemalte Stillleben und Porträts. Von dem bissigen Satiriker George Grosz waren immerhin das schonungslose Bildnis des verkrüppelten Schriftstellers Max Hermann-Neiße zu sehen und der mit Schmissen dekorierte, aber sonst unversehrte "Magistratsbeamte für Kriegsbeschädigtenfürsorge"
Hartlaub versuchte die neue gegenständliche Malerei formal zu fassen: Nüchterne Zeichnung und plastische Gegenstandsauffassung fanden sich sowohl in den bösen Kommentaren von Grosz, als auch in den Industrielandschaften von Karl Hubbuch oder den südlichen Landschaften von Alexander Kanoldt.
Die Zurückhaltung des Museumsdirektors hatte ihren Grund. Hartlaub war gezwungen gewesen, die Ausstellung mehrfach zu verschieben. Zunächst schickten Dix und Grosz eine Absage. Dann besetzten die Franzosen das Ruhrgebiet und Mannheim.
Dazu kam die immer heftiger werdende Hetze gegen moderne Kunst, die von Seiten organisierter Vereine wie der "Deutschen Kunstgesellschaft" verbreitet wurde. Nicht ohne Erfolg, wie die Kritik im "Karlsruher Tageblatt" nach der Ausstellungseröffnung am 14. Juni 1925 verriet:
" Um es kurz und einfach zu sagen, diese Art von neuer Kunst, diese Ingenieurskunst, diese Kunst der Berechnung ohne Seele, diese Kunst der übelsten Illustration kann keine Kunst im alten geheiligten Wortsinn sein. "
Hartlaub wollte mit der Ausstellung "Neue Sachlichkeit" der damaligen Vielfalt der Kunstproduktion eine Richtung geben, aber auch seine eigene Sammlungspolitik rechtfertigen. Er hatte neben Bildern von Dix und Grosz auch Werke der Karlsruher Veristen Karl Hubbuch, Georg Scholz und Wilhelm Schnarrenberger gekauft.
Ihren historisch bedeutsamen Erfolg verdankte die Schau allerdings der nachfolgenden Verbreitung des Projekts. Nach Mannheim gingen die "neusachlichen" Bilder nach Dresden, Chemnitz und Dessau. Die überregionale Presse lobte die Ausstellung, konnte jedoch mit dem Begriff "Neue Sachlichkeit" nichts anfangen.
Gleichwohl hatte sich der Begriff festgesetzt und begann ein Eigenleben zu führen. Sachlich war schon die Architektur des Werkbundes gewesen, die Fotografie wurde sachlich, das Leben überhaupt. Die Frauen trugen Bubikopf, man wohnte in funktionalen Bauhausmöbeln und -Siedlungen. Auch die Reportagen des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch galten als sachlich. Technik und Fortschritt bestimmten das Leben. Der damalige Lifestyle gab sich unsentimental wie die schonungslosen Bestandsaufnahmen der neusachlichen Maler:
Fort mit Schnörkel, Stuck und Schaden!
Glatt baut man die Hausfassaden.
Nächstens baut man Häuser bloß
Ganz und gar fassadenlos.
Krempel sind wir überdrüssig!
Fort die Möbel aus der Wohnung!
Fort mit was nicht hingehört!
Ich behaupte ohne Schonung:
Jeder Mensch, der da ist, stört!
Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit…
[Titellied der Schiffer-Spoliansky-Revue "Es liegt in der Luft"]