"Es sind schon ziemlich harte Szenen"
Für seinen ersten ARD-Krimi hat Jochen A. Freydank mit Soldaten, Psychologen und Psychiatern über Kampfeinsätze und ihre Folgen gesprochen. Er will dazu beitragen, dass "so ein Thema wie Krieg bei uns in der Gesellschaft nicht zur Normalität wird".
Frank Meyer: In Saarbrücken ist der Regisseur und Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank. Seien Sie herzlich willkommen, Herr Freydank!
Jochen Freydank: Hallo!
Meyer: Wir haben gerade gehört, dass viele der jungen Filmemacher, die da ihre ersten Filme zeigen in Saarbrücken, ein Anliegen hatten, dass die etwas wollten, etwas wollen mit ihren Filmen. Wie ist das bei Ihnen mit dem "Tatort", mit dem Sie da angetreten sind, hatten Sie auch so was wie ein Anliegen?
Freydank: Also ich glaube, wenn man Filme machen will und das als Passion hat, dann ist es wirklich eine Voraussetzung, dass man ein Anliegen hat. Ich finde, auch gute Unterhaltung ist ein Anliegen, aber gerade bei diesem "Tatort", "Heimatfront", ist es einfach ein extrem brisantes Thema. Die Realität hat uns da ja in den letzten Tagen auch fast wieder eingeholt. Ja, selbstverständlich ist mir das wichtig gewesen, einen Film zu machen zu diesem Thema, Afghanistan-Heimkehrer.
Meyer: Da müssen wir kurz erklären: Ihr "Tatort" heißt "Heimatfront", es geht um einen Mordfall dort, in den womöglich vier junge Bundeswehrsoldaten verwickelt sind, vier Soldaten, die in Afghanistan eingesetzt waren und die nach ihrem Einsatz jetzt schwer an den Erinnerungen daran zu tragen haben. Wie haben Sie sich denn, Herr Freydank, mit diesem Thema auseinandergesetzt, haben Sie mit Soldaten gesprochen?
Freydank: Ja, ich glaube, das ist auch eine absolute Pflicht bei so einem Thema, wirklich gut zu recherchieren. Also ich habe mich mit Soldaten getroffen, habe mit Psychologen, Psychiatern gesprochen, und das Ausmaß von diesen Traumata und von den Schwierigkeiten, die diese Jungs haben, wenn sie wiederkommen, war mir auch nicht so bewusst. Also man spricht ja inzwischen im Prinzip von, ich glaube zehn Prozent der Soldaten, die da zurückkommen, haben einfach schwere Kriegstraumata, die sie auch eigentlich den Rest ihres Lebens nicht mehr loswerden. Ich habe da sehr genau recherchiert und habe sogar jemanden in der Verwandtschaft, der da unten war, und wir haben uns auch viel unterhalten.
Meyer: Sie zeigen ja auch, wie diese Soldaten eine Traumatherapie machen, offenbar gibt es da lange Sitzungen mit einer Psychologin, bei denen auch ihre Erinnerungen wirklich herausbrechen aus diesen jungen Soldaten – das sind ja alles junge Männer –, und man sieht, wie zerbrechlich diese Männer auch sind, wie sie zu kämpfen haben mit diesen Erinnerungen. Was Sie da zeigen, gibt es diese Art von Traumatherapie eigentlich tatsächlich?
Freydank: Diese Art von Traumatherapie, die wir dort in dem Film behandeln und auch gewählt haben, die gibt es und das ist auch ein filmisches Mittel, wirklich die jungen Soldaten in diesen Therapien so nahe zu zeigen. Und da mussten wir auch ganz schön, also auch gegenseitig, sowohl die jungen Schauspieler als auch ich, auch ganz schön ans Eingemachte gehen. Das sind schon ziemlich harte Szenen.
Meyer: Sie haben auch gesagt in einem anderen Gespräch, es gab einige Szenen bei diesem Dreh, die ans Eingemachte gehen für die Schauspieler, für Sie als Regisseur. Beschreiben Sie mal eine!
Freydank: Nee, es waren wirklich diese Therapieszenen, die wir auch aus logistischen Gründen im Prinzip am ersten Drehtag gleich drehen mussten. Also wir hatten gar keine Zeit, um miteinander warm zu werden. Und ich habe diesen Film ganz bewusst sehr jung besetzt und ich war auch froh, dass ich die Redaktion, die Produktion gleich hinter mir hatte, weil ich wollte diesen Realismus, ich wollte diese Soldaten so jung besetzen, wie sie einfach sind. Weil die sind einfach mal Anfang 20, und dieses blöde Kriegsfilmklischee immer, die 30-, 40-jährigen bekannten Schauspieler, die dann mal die Soldaten mimen, mag ich nicht. So, und wir hatten dann am ersten Drehtag gleich diese Therapieszenen, wo wir auch sehr stark improvisiert haben, wo ich also gesagt hab, pass auf, folgende Situation ist dir passiert, erzähl mir mal! Und dann sind wir immer tiefer, immer tiefer dort reingegangen und da kann ich wirklich nur Hut ab vor diesen Schauspielern sagen, das war eine tolle Arbeit!
Meyer: Was die Soldaten in dem Film auch immer wieder sagen, und das scheint mir auch so ein Anliegen des Filmes zu sein: Die sagen, wir sind hier zurück in der Heimat, aber es interessiert eigentlich keinen, was wir da erlebt haben in Afghanistan, wir werden damit alleine gelassen. Nun habe ich aber auf der anderen Seite, kann ich mich erinnern an doch eine ganze Reihe von Büchern, von Radio-Interviews, von Artikeln, die sich genau mit diesem Einsatz auseinandersetzen. Also kann man das wirklich sagen, dass dieses Thema bei uns nicht wahrgenommen wird?
Freydank: Ach sicher, als Thema auch in den Medien spielt es eine Rolle, aber diese jungen Soldaten müssen ja einfach auch in ein normales Leben zurückfinden. Und wir können das auch nicht so wirklich verstehen, was die da erlebt haben, weil das solche extremen Situationen sind … Krieg ist einfach so eine furchtbare Sache, die soll auch bitte nicht zur Realität in diesem Land werden. Und ich glaube, die Realität, die die dort vor Ort erleben, und die, die wir hier haben, die ist nicht kompatibel. Und deswegen haben viele von denen wirklich Schwierigkeiten, ins Zivilleben wieder zurückzukommen.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Regisseur Jochen Alexander Freydank über seinen "Tatort" "Heimatfront", der heute Abend im Ersten zu sehen sein wird. Herr Freydank, diesen Film über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, welche Rolle hat eigentlich die Bundeswehr dabei gespielt, hat sie Sie unterstützt?
Freydank: Es gab im Vorfeld eine Anfrage an die Bundeswehr, auch an irgendeine Oberzentrale, die auch gesagt haben, wir können das nicht so unterstützen. Und dann mussten wir alleine – wir hatten ja allerdings im Saarland auch schon Gespräche mit Presseoffizieren und auch ein paar Reservisten, die uns ja auch geholfen haben –, da gab es nicht so … Also hier im Saarland ja, aber vom Bund gab es da nicht die Unterstützung, die wollten das nicht so, wie wir das gemacht haben. Letztendlich war das logistisch ein ganz schöner Aufwand, das ohne Bundeswehr zu machen. Andererseits kann man auch sagen, okay, wir sind hier auch nicht der verlängerte Arm der Presseabteilung.
Meyer: Als Sie den Film gedreht haben, das war im April 2010, da sind bei zwei Anschlägen sieben deutsche Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. Also Sie haben vorhin schon mal gesagt, da hat das Leben Sie und Ihre Filmarbeit eingeholt. Welchen Einfluss hatte das auf die Dreharbeiten?
Freydank: Dieser ganze Afghanistan-Einsatz, der spielt hier in Saarbrücken sowieso eine andere Rolle oder noch größere Rolle als woanders. Diese Saarland-Brigade hatte einfach auch die meisten Toten bisher und hat die meisten Toten. Man trifft hier einfach immer wieder Leute, die auch Verwandte dort haben, die dort unten sind. Und man hat ja dann am Set schon immer eine gesunde Distanz zu dem, was man macht und so, und wenn dann solche furchtbaren Nachrichten kommen, ist das absolut ein Thema gewesen. Und was mir eben wirklich wichtig ist bei diesem Film, ist, dass so ein Thema wie Krieg bei uns in der Gesellschaft nicht zur Normalität wird, dass wir uns nicht daran gewöhnen an dieses Wort Krieg.
Meyer: Und wie hat die Arbeit an dem Film Ihren Blick auf diesen Krieg verändert?
Freydank: Ich sehe den Film schon auch als Antikriegsfilm. Obwohl Antikriegsfilm … Die Sicht, die wir einnehmen, es ist sehr doll die Sicht dieser Soldaten, die auch nicht wirklich hinterfragen, warum die da unten sind, und ganz ehrlich, so richtig kann uns ja auch keiner erklären, was wir dort unten am Hindukusch wollen. Grundsätzlich hat das natürlich irgendwie auch dieses Sich-damit-Beschäftigen, wie geht es jemandem, der so was Furchtbares doch erlebt hat, bei mir also viel stärker in den Vordergrund geschoben. Darüber denkt man eigentlich ehrlich gesagt im normalen Zivilleben auch nicht so viel nach, was denken die, was haben die für Probleme, die Jungs, wenn sie wiederkommen. Und insofern ist das jetzt einfach, auch gerade wenn man mal wieder so schlimme Nachrichten hört, wie sie jetzt wieder aus Afghanistan zu uns rüberkommen, schon so, dass man da viel sensibler geworden ist.
Meyer: Nun haben Sie dieses Thema anpacken müssen in einem ganz konkreten Umfeld, eben "Tatort", der Sonntagskrimi, der Fernsehkrimi überhaupt in Deutschland. In so einem Umfeld, einem, ja letztlich ja natürlich ein Unterhaltungsformat, also ein Fernsehkrimi, ist da ein so schweres Thema wie der Afghanistan-Einsatz, ist das nicht eher eine Last für so eine Art Film?
Freydank: Nein, ich glaube, es ist eine Chance. Ein "Tatort" bringt einfach mal auch mit sich, dass das ein sehr populäres Format ist, und die große Stärke eines guten "Tatorts" kann es eben sein, dass man solche Themen behandelt. Und wenn man die ernsthaft behandelt, wenn man filmisch dort auch die Freiheiten genießt, die man in so einem Format hat, dann kann das ein Film sein, der a) ein großes Publikum findet und b) schon also auch wirklich gesellschaftlich relevante Themen behandelt. Und das ist einfach wirklich ein wichtiges Thema. Also ich sehe das wirklich eher als Chance.
Meyer: Wenn Sie Freiheit sagen: Es haben ja drei Drehbuchautoren mitgearbeitet an diesem "Tatort", dann haben Sie glaube ich da immer so einen Fernsehredakteur an Ihrer Seite bei den Arbeiten daran. Ist das Korsett da nicht ziemlich eng geschnürt bei einem so eingeführten, so traditionsreichen Format wie dem "Tatort"?
Freydank: Ja, es gibt schon Spielregeln, an die man sich halten muss, und das macht auch Sinn. Bei einem "Tatort" sollte es schon auch relativ früh einen ersten Toten geben, das gehört sich so. Ich kann wirklich aus diesem "Tatort", aus der Arbeit sagen, dass ich also auch gerade in der Zusammenarbeit mit der Redaktion wirklich relativ viel Freiheiten hatte. Klar, so eine Buchentwicklung geht da manchmal auch über Umwege und es waren dann eben drei Autoren und manchmal musste man sich dann auch streiten, aber letztendlich ist wirklich ein Buch rausgekommen, mit dem ich sehr glücklich war und die Redaktion sehr glücklich war, und ich glaube, das spürt man auch in dem Film.
Meyer: Was mir gefallen hat an dem Film, Sie haben diesem "Tatort" einen ziemlich modernen Look gegeben, obwohl er manchmal auch damit spielt, dass Saarbrücken jetzt auch nicht der Nabel der Welt ist oder der Nabel der Moderne, das wird auch angesprochen. Also der Film ist ziemlich schnell geschnitten, es gibt immer wieder ungewöhnliche Perspektiven von unten, von oben, es gibt viele Blickwechsel … Ich hatte so den Eindruck, das war Ihnen auch wichtig, diesem "Tatort", diesem alten Genre auch so eine Anmutung von Frische zu verpassen?
Freydank: Ja, sicher. Also ich glaube letztendlich muss man immer den Charakteren folgen, und mit so einer Ästhetik, wenn sich so was verselbständigt, dann gehört die da nicht hin. Der Film hat schon sagen wir mal eine, am Anfang eine massenklaustrophobische und nicht wirklich gemütliche, heimelige Atmosphäre. Weil ich wollte wirklich auch das Umfeld von diesen jungen Soldaten zeigen, wo man sagt, okay, wer aus Völklingen kommt und keinen Job hat, für den erscheint es vielleicht wirklich eine Alternative zu sagen, okay, ich gehe zum Bund und ich gehe da auch nach Afghanistan und sehe mal was von der Welt. Und das spiegelt sich auch in der Ästhetik wider. Und na klar, ich mag einfach auch große Bilder und auch ein bisschen ungewöhnliche Bilder, und wenn die die Geschichte bedienen, das ist ja der Beruf eines Regisseurs.
Meyer: Klingt als hätten Sie Lust bekommen auf noch mehr "Tatorte" vielleicht, wird es das geben?
Freydank: Ja, also wir sind auch im Gespräch irgendwie, für diese … da sind eh ein paar Sachen jetzt im Gespräch, und wenn da ein "Tatort" dabei ist, würde ich mich sehr freuen.
Meyer: Sie haben Ihren Film nun uraufgeführt beim Max-Ophüls-Festival in einer besonderen Reihe, also nicht im Wettbewerb, aber er war dort zu sehen. Das ist ja ein interessanter Moment, wenn so das Baby Film zum ersten Mal vor Publikum tritt. Was haben Sie dabei über Ihren Film gelernt?
Freydank: Ja, es ist natürlich ein Segen, bei so einem Fernsehfilm wirklich auch eine Vorstellung auf einer großen Leinwand zu haben vor weiß ich nicht 500, 600 Leute gestern, oder ich weiß nicht, wie groß das Kino war. Da hat man auch so das nötige Lampenfieber vorher und ich kann nur sagen, ich habe sehr tolle Publikumsreaktionen hier bekommen. Das ist natürlich eine Sache, die man sonst mit normalen Fernsehfilmen nicht erleben darf, und ich finde es schön, dass dieser Film jetzt hier auch erst mal im Rahmen des Max-Ophüls-Preises auf einer großen Leinwand zu sehen war, das war ein sehr beeindruckendes Screening gestern.
Meyer: Der Regisseur Jochen Alexander Freydank, sein "Tatort" "Heimatfront" ist heute um 20:15 Uhr in der ARD zu sehen. Herr Freydank, vielen Dank Ihnen für das Gespräch!
Freydank: Danke auch!
Jochen Freydank: Hallo!
Meyer: Wir haben gerade gehört, dass viele der jungen Filmemacher, die da ihre ersten Filme zeigen in Saarbrücken, ein Anliegen hatten, dass die etwas wollten, etwas wollen mit ihren Filmen. Wie ist das bei Ihnen mit dem "Tatort", mit dem Sie da angetreten sind, hatten Sie auch so was wie ein Anliegen?
Freydank: Also ich glaube, wenn man Filme machen will und das als Passion hat, dann ist es wirklich eine Voraussetzung, dass man ein Anliegen hat. Ich finde, auch gute Unterhaltung ist ein Anliegen, aber gerade bei diesem "Tatort", "Heimatfront", ist es einfach ein extrem brisantes Thema. Die Realität hat uns da ja in den letzten Tagen auch fast wieder eingeholt. Ja, selbstverständlich ist mir das wichtig gewesen, einen Film zu machen zu diesem Thema, Afghanistan-Heimkehrer.
Meyer: Da müssen wir kurz erklären: Ihr "Tatort" heißt "Heimatfront", es geht um einen Mordfall dort, in den womöglich vier junge Bundeswehrsoldaten verwickelt sind, vier Soldaten, die in Afghanistan eingesetzt waren und die nach ihrem Einsatz jetzt schwer an den Erinnerungen daran zu tragen haben. Wie haben Sie sich denn, Herr Freydank, mit diesem Thema auseinandergesetzt, haben Sie mit Soldaten gesprochen?
Freydank: Ja, ich glaube, das ist auch eine absolute Pflicht bei so einem Thema, wirklich gut zu recherchieren. Also ich habe mich mit Soldaten getroffen, habe mit Psychologen, Psychiatern gesprochen, und das Ausmaß von diesen Traumata und von den Schwierigkeiten, die diese Jungs haben, wenn sie wiederkommen, war mir auch nicht so bewusst. Also man spricht ja inzwischen im Prinzip von, ich glaube zehn Prozent der Soldaten, die da zurückkommen, haben einfach schwere Kriegstraumata, die sie auch eigentlich den Rest ihres Lebens nicht mehr loswerden. Ich habe da sehr genau recherchiert und habe sogar jemanden in der Verwandtschaft, der da unten war, und wir haben uns auch viel unterhalten.
Meyer: Sie zeigen ja auch, wie diese Soldaten eine Traumatherapie machen, offenbar gibt es da lange Sitzungen mit einer Psychologin, bei denen auch ihre Erinnerungen wirklich herausbrechen aus diesen jungen Soldaten – das sind ja alles junge Männer –, und man sieht, wie zerbrechlich diese Männer auch sind, wie sie zu kämpfen haben mit diesen Erinnerungen. Was Sie da zeigen, gibt es diese Art von Traumatherapie eigentlich tatsächlich?
Freydank: Diese Art von Traumatherapie, die wir dort in dem Film behandeln und auch gewählt haben, die gibt es und das ist auch ein filmisches Mittel, wirklich die jungen Soldaten in diesen Therapien so nahe zu zeigen. Und da mussten wir auch ganz schön, also auch gegenseitig, sowohl die jungen Schauspieler als auch ich, auch ganz schön ans Eingemachte gehen. Das sind schon ziemlich harte Szenen.
Meyer: Sie haben auch gesagt in einem anderen Gespräch, es gab einige Szenen bei diesem Dreh, die ans Eingemachte gehen für die Schauspieler, für Sie als Regisseur. Beschreiben Sie mal eine!
Freydank: Nee, es waren wirklich diese Therapieszenen, die wir auch aus logistischen Gründen im Prinzip am ersten Drehtag gleich drehen mussten. Also wir hatten gar keine Zeit, um miteinander warm zu werden. Und ich habe diesen Film ganz bewusst sehr jung besetzt und ich war auch froh, dass ich die Redaktion, die Produktion gleich hinter mir hatte, weil ich wollte diesen Realismus, ich wollte diese Soldaten so jung besetzen, wie sie einfach sind. Weil die sind einfach mal Anfang 20, und dieses blöde Kriegsfilmklischee immer, die 30-, 40-jährigen bekannten Schauspieler, die dann mal die Soldaten mimen, mag ich nicht. So, und wir hatten dann am ersten Drehtag gleich diese Therapieszenen, wo wir auch sehr stark improvisiert haben, wo ich also gesagt hab, pass auf, folgende Situation ist dir passiert, erzähl mir mal! Und dann sind wir immer tiefer, immer tiefer dort reingegangen und da kann ich wirklich nur Hut ab vor diesen Schauspielern sagen, das war eine tolle Arbeit!
Meyer: Was die Soldaten in dem Film auch immer wieder sagen, und das scheint mir auch so ein Anliegen des Filmes zu sein: Die sagen, wir sind hier zurück in der Heimat, aber es interessiert eigentlich keinen, was wir da erlebt haben in Afghanistan, wir werden damit alleine gelassen. Nun habe ich aber auf der anderen Seite, kann ich mich erinnern an doch eine ganze Reihe von Büchern, von Radio-Interviews, von Artikeln, die sich genau mit diesem Einsatz auseinandersetzen. Also kann man das wirklich sagen, dass dieses Thema bei uns nicht wahrgenommen wird?
Freydank: Ach sicher, als Thema auch in den Medien spielt es eine Rolle, aber diese jungen Soldaten müssen ja einfach auch in ein normales Leben zurückfinden. Und wir können das auch nicht so wirklich verstehen, was die da erlebt haben, weil das solche extremen Situationen sind … Krieg ist einfach so eine furchtbare Sache, die soll auch bitte nicht zur Realität in diesem Land werden. Und ich glaube, die Realität, die die dort vor Ort erleben, und die, die wir hier haben, die ist nicht kompatibel. Und deswegen haben viele von denen wirklich Schwierigkeiten, ins Zivilleben wieder zurückzukommen.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Regisseur Jochen Alexander Freydank über seinen "Tatort" "Heimatfront", der heute Abend im Ersten zu sehen sein wird. Herr Freydank, diesen Film über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, welche Rolle hat eigentlich die Bundeswehr dabei gespielt, hat sie Sie unterstützt?
Freydank: Es gab im Vorfeld eine Anfrage an die Bundeswehr, auch an irgendeine Oberzentrale, die auch gesagt haben, wir können das nicht so unterstützen. Und dann mussten wir alleine – wir hatten ja allerdings im Saarland auch schon Gespräche mit Presseoffizieren und auch ein paar Reservisten, die uns ja auch geholfen haben –, da gab es nicht so … Also hier im Saarland ja, aber vom Bund gab es da nicht die Unterstützung, die wollten das nicht so, wie wir das gemacht haben. Letztendlich war das logistisch ein ganz schöner Aufwand, das ohne Bundeswehr zu machen. Andererseits kann man auch sagen, okay, wir sind hier auch nicht der verlängerte Arm der Presseabteilung.
Meyer: Als Sie den Film gedreht haben, das war im April 2010, da sind bei zwei Anschlägen sieben deutsche Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen. Also Sie haben vorhin schon mal gesagt, da hat das Leben Sie und Ihre Filmarbeit eingeholt. Welchen Einfluss hatte das auf die Dreharbeiten?
Freydank: Dieser ganze Afghanistan-Einsatz, der spielt hier in Saarbrücken sowieso eine andere Rolle oder noch größere Rolle als woanders. Diese Saarland-Brigade hatte einfach auch die meisten Toten bisher und hat die meisten Toten. Man trifft hier einfach immer wieder Leute, die auch Verwandte dort haben, die dort unten sind. Und man hat ja dann am Set schon immer eine gesunde Distanz zu dem, was man macht und so, und wenn dann solche furchtbaren Nachrichten kommen, ist das absolut ein Thema gewesen. Und was mir eben wirklich wichtig ist bei diesem Film, ist, dass so ein Thema wie Krieg bei uns in der Gesellschaft nicht zur Normalität wird, dass wir uns nicht daran gewöhnen an dieses Wort Krieg.
Meyer: Und wie hat die Arbeit an dem Film Ihren Blick auf diesen Krieg verändert?
Freydank: Ich sehe den Film schon auch als Antikriegsfilm. Obwohl Antikriegsfilm … Die Sicht, die wir einnehmen, es ist sehr doll die Sicht dieser Soldaten, die auch nicht wirklich hinterfragen, warum die da unten sind, und ganz ehrlich, so richtig kann uns ja auch keiner erklären, was wir dort unten am Hindukusch wollen. Grundsätzlich hat das natürlich irgendwie auch dieses Sich-damit-Beschäftigen, wie geht es jemandem, der so was Furchtbares doch erlebt hat, bei mir also viel stärker in den Vordergrund geschoben. Darüber denkt man eigentlich ehrlich gesagt im normalen Zivilleben auch nicht so viel nach, was denken die, was haben die für Probleme, die Jungs, wenn sie wiederkommen. Und insofern ist das jetzt einfach, auch gerade wenn man mal wieder so schlimme Nachrichten hört, wie sie jetzt wieder aus Afghanistan zu uns rüberkommen, schon so, dass man da viel sensibler geworden ist.
Meyer: Nun haben Sie dieses Thema anpacken müssen in einem ganz konkreten Umfeld, eben "Tatort", der Sonntagskrimi, der Fernsehkrimi überhaupt in Deutschland. In so einem Umfeld, einem, ja letztlich ja natürlich ein Unterhaltungsformat, also ein Fernsehkrimi, ist da ein so schweres Thema wie der Afghanistan-Einsatz, ist das nicht eher eine Last für so eine Art Film?
Freydank: Nein, ich glaube, es ist eine Chance. Ein "Tatort" bringt einfach mal auch mit sich, dass das ein sehr populäres Format ist, und die große Stärke eines guten "Tatorts" kann es eben sein, dass man solche Themen behandelt. Und wenn man die ernsthaft behandelt, wenn man filmisch dort auch die Freiheiten genießt, die man in so einem Format hat, dann kann das ein Film sein, der a) ein großes Publikum findet und b) schon also auch wirklich gesellschaftlich relevante Themen behandelt. Und das ist einfach wirklich ein wichtiges Thema. Also ich sehe das wirklich eher als Chance.
Meyer: Wenn Sie Freiheit sagen: Es haben ja drei Drehbuchautoren mitgearbeitet an diesem "Tatort", dann haben Sie glaube ich da immer so einen Fernsehredakteur an Ihrer Seite bei den Arbeiten daran. Ist das Korsett da nicht ziemlich eng geschnürt bei einem so eingeführten, so traditionsreichen Format wie dem "Tatort"?
Freydank: Ja, es gibt schon Spielregeln, an die man sich halten muss, und das macht auch Sinn. Bei einem "Tatort" sollte es schon auch relativ früh einen ersten Toten geben, das gehört sich so. Ich kann wirklich aus diesem "Tatort", aus der Arbeit sagen, dass ich also auch gerade in der Zusammenarbeit mit der Redaktion wirklich relativ viel Freiheiten hatte. Klar, so eine Buchentwicklung geht da manchmal auch über Umwege und es waren dann eben drei Autoren und manchmal musste man sich dann auch streiten, aber letztendlich ist wirklich ein Buch rausgekommen, mit dem ich sehr glücklich war und die Redaktion sehr glücklich war, und ich glaube, das spürt man auch in dem Film.
Meyer: Was mir gefallen hat an dem Film, Sie haben diesem "Tatort" einen ziemlich modernen Look gegeben, obwohl er manchmal auch damit spielt, dass Saarbrücken jetzt auch nicht der Nabel der Welt ist oder der Nabel der Moderne, das wird auch angesprochen. Also der Film ist ziemlich schnell geschnitten, es gibt immer wieder ungewöhnliche Perspektiven von unten, von oben, es gibt viele Blickwechsel … Ich hatte so den Eindruck, das war Ihnen auch wichtig, diesem "Tatort", diesem alten Genre auch so eine Anmutung von Frische zu verpassen?
Freydank: Ja, sicher. Also ich glaube letztendlich muss man immer den Charakteren folgen, und mit so einer Ästhetik, wenn sich so was verselbständigt, dann gehört die da nicht hin. Der Film hat schon sagen wir mal eine, am Anfang eine massenklaustrophobische und nicht wirklich gemütliche, heimelige Atmosphäre. Weil ich wollte wirklich auch das Umfeld von diesen jungen Soldaten zeigen, wo man sagt, okay, wer aus Völklingen kommt und keinen Job hat, für den erscheint es vielleicht wirklich eine Alternative zu sagen, okay, ich gehe zum Bund und ich gehe da auch nach Afghanistan und sehe mal was von der Welt. Und das spiegelt sich auch in der Ästhetik wider. Und na klar, ich mag einfach auch große Bilder und auch ein bisschen ungewöhnliche Bilder, und wenn die die Geschichte bedienen, das ist ja der Beruf eines Regisseurs.
Meyer: Klingt als hätten Sie Lust bekommen auf noch mehr "Tatorte" vielleicht, wird es das geben?
Freydank: Ja, also wir sind auch im Gespräch irgendwie, für diese … da sind eh ein paar Sachen jetzt im Gespräch, und wenn da ein "Tatort" dabei ist, würde ich mich sehr freuen.
Meyer: Sie haben Ihren Film nun uraufgeführt beim Max-Ophüls-Festival in einer besonderen Reihe, also nicht im Wettbewerb, aber er war dort zu sehen. Das ist ja ein interessanter Moment, wenn so das Baby Film zum ersten Mal vor Publikum tritt. Was haben Sie dabei über Ihren Film gelernt?
Freydank: Ja, es ist natürlich ein Segen, bei so einem Fernsehfilm wirklich auch eine Vorstellung auf einer großen Leinwand zu haben vor weiß ich nicht 500, 600 Leute gestern, oder ich weiß nicht, wie groß das Kino war. Da hat man auch so das nötige Lampenfieber vorher und ich kann nur sagen, ich habe sehr tolle Publikumsreaktionen hier bekommen. Das ist natürlich eine Sache, die man sonst mit normalen Fernsehfilmen nicht erleben darf, und ich finde es schön, dass dieser Film jetzt hier auch erst mal im Rahmen des Max-Ophüls-Preises auf einer großen Leinwand zu sehen war, das war ein sehr beeindruckendes Screening gestern.
Meyer: Der Regisseur Jochen Alexander Freydank, sein "Tatort" "Heimatfront" ist heute um 20:15 Uhr in der ARD zu sehen. Herr Freydank, vielen Dank Ihnen für das Gespräch!
Freydank: Danke auch!