"Es war ein Hauruck-Abenteuer"
Die Arbeit an der ersten Großrakete sei für ihn als junger Ingenieur in den USA "ein Schlaraffenland" gewesen, erinnert sich Jesco von Puttkamer. Als der erste Mensch am 21. Juli 1969 tatsächlich den Mond betrat, seien alle beteiligten Wissenschaftler völlig außer sich gewesen, so der heute 75-Jährige.
Liane von Billerbeck: Einer, der maßgeblich zu den Apollo-Flügen beigetragen hat, ist Jesco von Puttkamer. Als Student schrieb er Science-Fiction- und Weltraumromane, um sich sein Maschinenbaustudium zu finanzieren. Der Raumfahrtexperte lebt sei 1962 in den USA, Wernher von Braun hat ihn damals geholt. Seitdem hat von Puttkamer so ziemlich alles erlebt, was die bemannte Raumfahrt an Erfolgen und Krisen zu bieten hatte: vom ersten Apollo-Start bis zum Beinah-Absturz der Sojus-Kapsel. Heute ist von Puttkamer Program Manager, also eine Art Langzeitplaner, und damit maßgeblich am Mars-Projekt beteiligt, das den ersten Menschen auf den roten Planeten bringen soll. Noch heute, als fast 75-Jähriger, arbeitet er täglich im Office of Space Operations, wo der Aufbau der internationalen Raumstationen gemanagt wird. Jesco von Puttkamer ist jetzt aus Köln zugeschaltet. Ich grüße Sie!
Jesco von Puttkamer: Ja, ich danke schön!
von Billerbeck: Wenn man so lange für die bemannte Raumfahrt arbeitet, ist man da noch immer fasziniert davon?
von Puttkamer: Ja, sonst wäre ich in meinem Alter bestimmt nicht mehr dabei. Also ich kann ehrlich sagen, dass ich genauso viel, wenn nicht sogar noch mehr arbeite als früher und noch genauso gern, wenn nicht sogar noch lieber.
von Billerbeck: Man nennt Sie auch gern Mr. Nasa, also den Deutschen, der seit Jahrzehnten in den USA lebt, in der Raumfahrtforschung arbeitet. Wenn Sie diese 47 Jahre mal Revue passieren lassen, was waren die aufregendsten Momente in dieser Zeit?
von Puttkamer: Ja, da war also schon ne ganze Menge. Sagen wir mal, das Allererste war natürlich schon mal der reine Anfang, im August '62 in Huntsville/Alabama als junger Diplom-Ingenieur da mitten hinein und gleich schon an die Arbeit gesetzt an der ersten Großrakete, der Saturn 1, dann später an der Saturn 5. Da war eigentlich jeder Tag ein Tag der Freude und der Überraschungen. Man konnte morgens nicht früh genug im Büro sein und wollte abends nicht nach Hause. Viele von uns hätten diese acht Jahre lang auch gratis gearbeitet, muss ich ehrlich sagen. Es war für einen Ingenieur ein Schlaraffenland. Ich meine, wer als Ingenieur bekommt schon die Aufgabe, an der ersten bemannten Mondlandung mitzuarbeiten, vor allem wenn er einen Hintergrund hat von langfristigen Träumen oder Visionen, von Science-Fiction und – wie Sie auch sagten – Weltraumromanen? Für mich war das an sich immer, diese Visionen, immer Perspektiven, die absolut eines Tages realisiert werden.
von Billerbeck: Wenn man so lange dabei ist und erst den Mond als Ziel vor Augen hat, inzwischen ja sogar den Mars, will man da nicht selber mal ins All?
von Puttkamer: So war’s ja auch ursprünglich, als ich als junger Mann rüberkam, und Wernher von Braun hat mich rübergeholt, als er sich überall Leute suchte. Er hatte ja John F. Kennedy gesagt, ja, wir können das, wir können auf dem Mond landen. Und dann kam er zurück nach Huntsville und hat festgestellt, dass ja die Menschen, das Personal, die Fachingenieure und die Wissenschaftler gar nicht da waren. Es hatte noch niemals vorher so etwas gemacht, sodass er also dann wirklich erst einmal herumschauen musste, um sich gute Leute, vor allem junge Leute zu holen, die keinen Zweifel daran hatten, dass sich dieses machen lässt. Und so waren wir also ziemlich naiv, blauäugig und haben keinen Zweifel daran gehabt, dass wir in der vorgegebenen Zeit innerhalb des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und sicher zur Erde zurückbringen werden, wie Kennedy das verlangt hatte. Und selbst Wernher von Braun war dieser Meinung. Und weil wir das alle glaubten, haben wir es auch geschafft, wir haben niemals dran gezweifelt. Aber ich wollte ja selber gern fliegen und sagte dann zu meinem Chef Wernher von Braun, wie enttäuscht ich wäre, dass ich ja nun nach den amerikanischen Regeln, nach denen zunächst mal militärische Testpiloten fliegen sollten – das hat Präsident Eisenhower noch eingerichtet – und später auch hauptsächlich Flieger und vor allem Militärs und Testpiloten, dass ich da als Wissenschaftler auch wegen meiner Körperlänge und so weiter und Brille nicht infrage kam. Da sagte er, ach, ihm wär’s doch genauso gegangen. Er wär’ ja auch gerne geflogen, aber wie er erkannt hatte, dass die ihn nicht fliegen ließen, da hat er sich gesagt: Ach, wenn du schon nicht auf den Dingern sitzen kannst, dann bau sie wenigstens, ist doch auch was.
von Billerbeck: Das haben Sie dann auch getan, und Sie haben, wie Sie schon erwähnt haben, diese Aufgabe, in einem Jahrzehnt auf dem Mond zu sein, geschafft, 1962 kamen Sie an in den USA und am 21. Juli 1969 betrat der erste Mensch den Mond. Dieser Tag muss ja dann der Tag gewesen sein, an dem alle Träume in Erfüllung gegangen sind, wo ein Mensch den Mond betrat, dieser 21. Juli. Hat man da als Wissenschaftler auch Tränen in den Augen?
von Puttkamer: Ja, doch, doch, das sind steinharte Männer gewesen, die haben geheult, haben sich auf die Schenkel geschlagen und waren völlig außer sich. Also da war man also, ja alternativ würde ich sagen, also völlig anders als im normalen Leben. Und natürlich, die Außenwelt, die hat das nicht so richtig kapiert, die haben aber gestaunt, die Welt. Die standen vor den Bildschirmen überall, Millionen von Menschen haben den Moment miterlebt, und viele Menschen, die wissen auch heute noch, wo sie waren zu dem Zeitpunkt.
von Billerbeck: Nun gab es ja nicht nur Höhe-, sondern auch Tiefpunkte. Wir erinnern uns an die Challenger-Katastrophe im Januar 1986. Kommen da einem in so einem Moment Zweifel, dass man so sagt, muss das sein, ist das der richtige Weg?
von Puttkamer: Das gehört mit zu dem Unternehmen. Am schlimmsten war’s gleich am Anfang des Apollo-Programms, da verloren wir drei Apollo-Astronauten in Apollo 1, die verbrannten bei lebendigem Leib auf der Startrampe, weil ein Fehler gemacht worden war und der reine Sauerstoff innerhalb des Raumschiffs explodierte und sie nicht raus konnten – die Luke war noch nicht gut konstruiert, das ist dann alles sofort geändert worden. Und dann der zweite Flug wurde dann kurz danach schon durchgeführt, ohne dass man sich davon irgendwie einschüchtern ließ, das ist eben in Amerika so. Und danach haben wir natürlich immer im Hinterkopf den Gedanken gehabt, wenn so was noch mal passiert, vor allem, wenn Astronauten im Weltraum havarieren, dass sie nie wieder zurück können und dann noch ein bisserl im Weltraum leben und man nicht zu Hilfe kommen kann, ob wir das überhaupt verkraften können und vor allem auch, ob das Publikum, der Steuerzahler, der das ja alles bezahlt hat, das verkraften kann. Da passierte Apollo 13, als ein Sauerstofftank an Bord des Apollo-Raumschiffs explodierte auf dem Weg zum Mond, und da dachten wir auch schon wieder, jetzt ist der Moment da, das ist ein Prüfstein, ob die Nation Amerika und auch die Welt und vor allem wir als Ingenieure da hindurch können. Und wir haben uns unwahrscheinliche Mühe gegeben, also das war ein Aufgebot an Leistung, an Arbeit, an Computerfähigkeit, Kapazität. Wir haben neue Flugbahnen berechnet und haben es dann fertiggebracht, dass Apollo 13 um den Mond herumflog und von dem Mond zurückkatapultiert wurde zur Erde, wie der Film ja das sehr schön gezeigt hatte. Wir wussten, dass auch in Zukunft wir und auch das Publikum und der für uns überaus wichtige Steuerzahler weiterhin dahintersteht. Und so hat sich also durch, wirklich durch Erfolge und auch sehr, sehr tragische Rückschläge das Raumfahrtprogramm von heute gestählt, hindurchgearbeitet, veredelt irgendwie, sodass wir praktisch wissen, es geht durch dick und dünn, aber es geht weiter, es geht aufwärts und voran.
von Billerbeck: Die Raumfahrt, Herr von Puttkamer, die war ja lange Zeit auch ein Wettlauf der Systeme, Teil des Kalten Krieges zwischen den Blöcken, schon in der Begrifflichkeit Astronauten/Kosmonauten, da drückte sich das aus. Inzwischen sind noch die Teikonauten dazugekommen. Wo verlaufen denn heute die Konkurrenzlinien oder gibt’s die gar nicht mehr und die Menschheit arbeitet zusammen?
von Puttkamer: Na ja, da haben Sie nun einen sehr, sehr wichtigen Punkt angeschnitten, da bin ich sehr froh drüber, denn dass wir Apollo fertiggebracht haben und dass die USA erfolgreich auf dem Mond gelandet waren, war ein politisch motiviertes Unternehmen, es war ein Hauruck-Abenteuer, es war ein Wettlauf mit den Sowjets. Es war der Kampf zweier Ideologien. Der Wettlauf war der große Motor des Apollo-Programms, das ist nicht mehr. Inzwischen herrscht die beste Partnerschaft. Wir haben 16 europäische Länder, wir haben Russland, wir haben Japan, wir haben Kanada, Brasilien, alle vereint in der internationalen Raumstation. Und das war eine Art Pilotprojekt, das sich in den letzten zehn Jahren dort aufgebaut hat, und ich bin täglich ja mit denen in Verbindung, das ist meine Aufgabe bei der Nasa, da also die Overview zu behalten. Und ich muss sagen, es war ein absoluter Durchbruch und ein Erfolg. Und wenn einer von uns wie ich auch damals glaubte, dass der Motor der Raumfahrt Konkurrenz sein muss, also dass einfach ein Wettkampf da sein muss, dann haben wir uns da getäuscht. Denn wir stellen heute fest, dass das Zusammenspiel, die Kooperation ein mindestens so starker Motor ist, wenn nicht sogar noch stärker, weil man nun erstens Mal weniger Geld einsetzen muss, wenn so viele mitmachen, zweitens Mal, wenn schwächere Partner mal aussteigen müssen, dann können sie das ohne Weiteres, ohne ihre Partnerschaft zu riskieren. Wenn schwächere Partner mal kein Geld haben, kann man ihnen aushelfen. Wenn schwächere Partner oder auch stärkere Partner kein Space Shuttle mehr haben, dann können die Russen einspringen. Also nur so wird in Zukunft zum Mond und zum Mars geflogen werden, das ist völlig sicher.
von Billerbeck: Sage noch jemand, dass ein Ingenieur kein Philosoph ist. Das war der Raumfahrtexperte Jesco von Puttkamer. Vor fast 40 Jahren fand die erste Mondlandung statt, am 21. Juli 1969 – unser Thema im Gespräch heute. Danke ganz herzlich an Sie!
von Puttkamer: Gerne!
Jesco von Puttkamer: Ja, ich danke schön!
von Billerbeck: Wenn man so lange für die bemannte Raumfahrt arbeitet, ist man da noch immer fasziniert davon?
von Puttkamer: Ja, sonst wäre ich in meinem Alter bestimmt nicht mehr dabei. Also ich kann ehrlich sagen, dass ich genauso viel, wenn nicht sogar noch mehr arbeite als früher und noch genauso gern, wenn nicht sogar noch lieber.
von Billerbeck: Man nennt Sie auch gern Mr. Nasa, also den Deutschen, der seit Jahrzehnten in den USA lebt, in der Raumfahrtforschung arbeitet. Wenn Sie diese 47 Jahre mal Revue passieren lassen, was waren die aufregendsten Momente in dieser Zeit?
von Puttkamer: Ja, da war also schon ne ganze Menge. Sagen wir mal, das Allererste war natürlich schon mal der reine Anfang, im August '62 in Huntsville/Alabama als junger Diplom-Ingenieur da mitten hinein und gleich schon an die Arbeit gesetzt an der ersten Großrakete, der Saturn 1, dann später an der Saturn 5. Da war eigentlich jeder Tag ein Tag der Freude und der Überraschungen. Man konnte morgens nicht früh genug im Büro sein und wollte abends nicht nach Hause. Viele von uns hätten diese acht Jahre lang auch gratis gearbeitet, muss ich ehrlich sagen. Es war für einen Ingenieur ein Schlaraffenland. Ich meine, wer als Ingenieur bekommt schon die Aufgabe, an der ersten bemannten Mondlandung mitzuarbeiten, vor allem wenn er einen Hintergrund hat von langfristigen Träumen oder Visionen, von Science-Fiction und – wie Sie auch sagten – Weltraumromanen? Für mich war das an sich immer, diese Visionen, immer Perspektiven, die absolut eines Tages realisiert werden.
von Billerbeck: Wenn man so lange dabei ist und erst den Mond als Ziel vor Augen hat, inzwischen ja sogar den Mars, will man da nicht selber mal ins All?
von Puttkamer: So war’s ja auch ursprünglich, als ich als junger Mann rüberkam, und Wernher von Braun hat mich rübergeholt, als er sich überall Leute suchte. Er hatte ja John F. Kennedy gesagt, ja, wir können das, wir können auf dem Mond landen. Und dann kam er zurück nach Huntsville und hat festgestellt, dass ja die Menschen, das Personal, die Fachingenieure und die Wissenschaftler gar nicht da waren. Es hatte noch niemals vorher so etwas gemacht, sodass er also dann wirklich erst einmal herumschauen musste, um sich gute Leute, vor allem junge Leute zu holen, die keinen Zweifel daran hatten, dass sich dieses machen lässt. Und so waren wir also ziemlich naiv, blauäugig und haben keinen Zweifel daran gehabt, dass wir in der vorgegebenen Zeit innerhalb des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und sicher zur Erde zurückbringen werden, wie Kennedy das verlangt hatte. Und selbst Wernher von Braun war dieser Meinung. Und weil wir das alle glaubten, haben wir es auch geschafft, wir haben niemals dran gezweifelt. Aber ich wollte ja selber gern fliegen und sagte dann zu meinem Chef Wernher von Braun, wie enttäuscht ich wäre, dass ich ja nun nach den amerikanischen Regeln, nach denen zunächst mal militärische Testpiloten fliegen sollten – das hat Präsident Eisenhower noch eingerichtet – und später auch hauptsächlich Flieger und vor allem Militärs und Testpiloten, dass ich da als Wissenschaftler auch wegen meiner Körperlänge und so weiter und Brille nicht infrage kam. Da sagte er, ach, ihm wär’s doch genauso gegangen. Er wär’ ja auch gerne geflogen, aber wie er erkannt hatte, dass die ihn nicht fliegen ließen, da hat er sich gesagt: Ach, wenn du schon nicht auf den Dingern sitzen kannst, dann bau sie wenigstens, ist doch auch was.
von Billerbeck: Das haben Sie dann auch getan, und Sie haben, wie Sie schon erwähnt haben, diese Aufgabe, in einem Jahrzehnt auf dem Mond zu sein, geschafft, 1962 kamen Sie an in den USA und am 21. Juli 1969 betrat der erste Mensch den Mond. Dieser Tag muss ja dann der Tag gewesen sein, an dem alle Träume in Erfüllung gegangen sind, wo ein Mensch den Mond betrat, dieser 21. Juli. Hat man da als Wissenschaftler auch Tränen in den Augen?
von Puttkamer: Ja, doch, doch, das sind steinharte Männer gewesen, die haben geheult, haben sich auf die Schenkel geschlagen und waren völlig außer sich. Also da war man also, ja alternativ würde ich sagen, also völlig anders als im normalen Leben. Und natürlich, die Außenwelt, die hat das nicht so richtig kapiert, die haben aber gestaunt, die Welt. Die standen vor den Bildschirmen überall, Millionen von Menschen haben den Moment miterlebt, und viele Menschen, die wissen auch heute noch, wo sie waren zu dem Zeitpunkt.
von Billerbeck: Nun gab es ja nicht nur Höhe-, sondern auch Tiefpunkte. Wir erinnern uns an die Challenger-Katastrophe im Januar 1986. Kommen da einem in so einem Moment Zweifel, dass man so sagt, muss das sein, ist das der richtige Weg?
von Puttkamer: Das gehört mit zu dem Unternehmen. Am schlimmsten war’s gleich am Anfang des Apollo-Programms, da verloren wir drei Apollo-Astronauten in Apollo 1, die verbrannten bei lebendigem Leib auf der Startrampe, weil ein Fehler gemacht worden war und der reine Sauerstoff innerhalb des Raumschiffs explodierte und sie nicht raus konnten – die Luke war noch nicht gut konstruiert, das ist dann alles sofort geändert worden. Und dann der zweite Flug wurde dann kurz danach schon durchgeführt, ohne dass man sich davon irgendwie einschüchtern ließ, das ist eben in Amerika so. Und danach haben wir natürlich immer im Hinterkopf den Gedanken gehabt, wenn so was noch mal passiert, vor allem, wenn Astronauten im Weltraum havarieren, dass sie nie wieder zurück können und dann noch ein bisserl im Weltraum leben und man nicht zu Hilfe kommen kann, ob wir das überhaupt verkraften können und vor allem auch, ob das Publikum, der Steuerzahler, der das ja alles bezahlt hat, das verkraften kann. Da passierte Apollo 13, als ein Sauerstofftank an Bord des Apollo-Raumschiffs explodierte auf dem Weg zum Mond, und da dachten wir auch schon wieder, jetzt ist der Moment da, das ist ein Prüfstein, ob die Nation Amerika und auch die Welt und vor allem wir als Ingenieure da hindurch können. Und wir haben uns unwahrscheinliche Mühe gegeben, also das war ein Aufgebot an Leistung, an Arbeit, an Computerfähigkeit, Kapazität. Wir haben neue Flugbahnen berechnet und haben es dann fertiggebracht, dass Apollo 13 um den Mond herumflog und von dem Mond zurückkatapultiert wurde zur Erde, wie der Film ja das sehr schön gezeigt hatte. Wir wussten, dass auch in Zukunft wir und auch das Publikum und der für uns überaus wichtige Steuerzahler weiterhin dahintersteht. Und so hat sich also durch, wirklich durch Erfolge und auch sehr, sehr tragische Rückschläge das Raumfahrtprogramm von heute gestählt, hindurchgearbeitet, veredelt irgendwie, sodass wir praktisch wissen, es geht durch dick und dünn, aber es geht weiter, es geht aufwärts und voran.
von Billerbeck: Die Raumfahrt, Herr von Puttkamer, die war ja lange Zeit auch ein Wettlauf der Systeme, Teil des Kalten Krieges zwischen den Blöcken, schon in der Begrifflichkeit Astronauten/Kosmonauten, da drückte sich das aus. Inzwischen sind noch die Teikonauten dazugekommen. Wo verlaufen denn heute die Konkurrenzlinien oder gibt’s die gar nicht mehr und die Menschheit arbeitet zusammen?
von Puttkamer: Na ja, da haben Sie nun einen sehr, sehr wichtigen Punkt angeschnitten, da bin ich sehr froh drüber, denn dass wir Apollo fertiggebracht haben und dass die USA erfolgreich auf dem Mond gelandet waren, war ein politisch motiviertes Unternehmen, es war ein Hauruck-Abenteuer, es war ein Wettlauf mit den Sowjets. Es war der Kampf zweier Ideologien. Der Wettlauf war der große Motor des Apollo-Programms, das ist nicht mehr. Inzwischen herrscht die beste Partnerschaft. Wir haben 16 europäische Länder, wir haben Russland, wir haben Japan, wir haben Kanada, Brasilien, alle vereint in der internationalen Raumstation. Und das war eine Art Pilotprojekt, das sich in den letzten zehn Jahren dort aufgebaut hat, und ich bin täglich ja mit denen in Verbindung, das ist meine Aufgabe bei der Nasa, da also die Overview zu behalten. Und ich muss sagen, es war ein absoluter Durchbruch und ein Erfolg. Und wenn einer von uns wie ich auch damals glaubte, dass der Motor der Raumfahrt Konkurrenz sein muss, also dass einfach ein Wettkampf da sein muss, dann haben wir uns da getäuscht. Denn wir stellen heute fest, dass das Zusammenspiel, die Kooperation ein mindestens so starker Motor ist, wenn nicht sogar noch stärker, weil man nun erstens Mal weniger Geld einsetzen muss, wenn so viele mitmachen, zweitens Mal, wenn schwächere Partner mal aussteigen müssen, dann können sie das ohne Weiteres, ohne ihre Partnerschaft zu riskieren. Wenn schwächere Partner mal kein Geld haben, kann man ihnen aushelfen. Wenn schwächere Partner oder auch stärkere Partner kein Space Shuttle mehr haben, dann können die Russen einspringen. Also nur so wird in Zukunft zum Mond und zum Mars geflogen werden, das ist völlig sicher.
von Billerbeck: Sage noch jemand, dass ein Ingenieur kein Philosoph ist. Das war der Raumfahrtexperte Jesco von Puttkamer. Vor fast 40 Jahren fand die erste Mondlandung statt, am 21. Juli 1969 – unser Thema im Gespräch heute. Danke ganz herzlich an Sie!
von Puttkamer: Gerne!