"Es wird eine Attraktion werden in der Kölner Innenstadt"

Moderation: Kathrin Heise |
Die Debatte um die Errichtung eines jüdischen Museums in Köln erntet bei Salomon Korn nur Kopfschütteln. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden und Architekt wundert sich darüber, dass die Vorgaben an die Architekten - wie der Bau an dem historischen Ort - jetzt wieder in Frage gestellt würden. Die Bevölkerung solle sich dafür stark machen, "dass Köln dieses architektonische Juwel bekommt".
Kathrin Heise: Wie zeigt man römische und jüdische Stadtreste in der Kölner Innenstadt? Ab heute können sich die Kölner selber entsprechende Museumsentwürfe ansehen. Dies ist insofern ein bisschen bemerkenswert, als dass der Architekturwettbewerb schon gelaufen und der Sieger auch schon ausgerufen ist. Einem Architekturbüro im Saarland ist der Spagat offenbar gut gelungen. Alle waren begeistert. Doch plötzlich vollzieht der Oberbürgermeister Fritz Schramma eine Kehrtwende, flankiert vom Kölner Stadtanzeiger. Der sieht die Gefahr, der Rathausplatz könnte verschandelt werden. Ich begrüße jetzt Salomon Korn, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Korn.

Salomon Korn: Guten Morgen.

Heise: Sie saßen im Beirat zur Neugestaltung des Rathausplatzes, Sie haben wie wir alle erlebt, dass Einigkeit herrscht und Begeisterung für den Siegerentwurf, auch von politischer Seite. Wie erklären Sie sich jetzt die spätere gegensätzliche Reaktion von Oberbürgermeister Fritz Schramma?

Korn: Ich denke, sein Eiertanz kommt zustande, weil sachfremde Interessen in die Angelegenheit reingekommen sind. Möglicherweise, es wird ja auch gemunkelt, dass das Wallraf-Richartz-Museums nicht zufrieden sei mit dem Entwurf, weil es verstellt würde. Aber nun wird gerade die unattraktivste Seite dieses an sich sehr schönen Museums, aber eben die Seite, die am wenigsten attraktiv ist, verstellt. Und im Übrigen stand das Museum auch nie in einer historischen Sichtachse. Das sind alles Ergebnisse der Nachkriegszeit. Also hier wird auch mit Argumenten hantiert, die eigentlich weder Hand noch Fuß haben. Insofern denke ich mir, sind das sachfremde Argumente, die hier mit der Sache nichts zu tun haben. Der Oberbürgermeister argumentiert nach dem Motto: "Wasch mich, aber mach mich nicht nass!"

Heise: Welche sachfremden Argumente könnten das sein?

Korn: Nun, es sind eben Argumente von Anliegern oder von Museumsvertretern, die eben hier eine Gefahr sehen. Aber das sind alles Argumente, die nicht zählen, weil letztlich in der Jury klar herausgestellt wurde, dass es sich hier um einen überragenden Entwurf handelt, und das tut es auch. Er ist übrigens keineswegs massiv, Laien stellen sich das vollkommen falsch vor, denn durch seine Faltung, durch seine Fenster, durch seine Öffnung, durch die differenzierte Dachlandschaft passt es sich sehr wohl der Stadt an in ihrem ehemaligen mittelalterlichen Grundriss und auch in der Kleinteiligkeit. Es ist aber für Laien immer schwierig, so etwas zu beurteilen, weil das von gewohnten Sehschemata abweicht und da tritt Unsicherheit ein. Dann möchte man natürlich zurück zum Gewohnten.

Heise: Vielleicht hilft dann ja doch die Ausstellung von Entwürfen, dass die Leute sich dann tatsächlich ein Bild machen. Also wenn ich Sie, als Architekten gefragt, richtig verstehe, die römischen und die jüdischen Stadtüberreste sollen geschützt und zugänglich gemacht werden, das ist Ihrer Meinung nach dem Siegerentwurf gelungen.

Korn: Ja, der Siegerentwurf verfuhr nach dem Konzept der Stratifikation, also das heißt der Schichtung, der Schichtung historischer Schichten, die übereinander lagern. Und das hat er nahezu genial in diesem Entwurf verwirklicht. Das jüdische Museum ist, wenn man so will, das Schutzdach für diese historischen Schichten, so dass man so von oben auch hindurchschauen kann nach unten, und man kann auch zum ersten Mal die archäologische Zone begehen. Das hat es bisher nicht gegeben. Insofern stellt dieser Entwurf tatsächlich eine Neuerung dar, die wirklich kongenial gelöst ist.

Heise: Jetzt gibt es einen Vorschlag. Sollte der Entwurf Ihrer Meinung nach an einem anderen Ort verwirklicht werden? Das ist ja da so kursiert, die Idee, das ganze neben dem Rathausplatz, auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhauses Kutz zu verwirklichen.

Korn: Die Frage ist natürlich, was spricht für das Kaufhaus Kutz? Denn ich meine, die Frage ist, warum nicht gleich an eine andere Stelle? Nein, es gibt nur einen authentischen Ort. Und Geschichte, das muss man sich immer vergegenwärtigen, ist ja nicht nur ein Ereignis, das an abstrakte Jahreszahlen gebunden ist, sondern ganz konkrete historische Orte. Und wenn es gelingt, an diesen historischen Orten in Erinnerung zu rufen, was dort gewesen ist, dann ist das überhaupt erst der Kristallisationskern für Erinnerung, für die Auseinandersetzung, für Wissen, sozusagen auch für die Aura des authentischen Ortes, die ja woanders nicht erzeugt werden kann. Insofern ist das ein sachfremdes Argument und hat mit der Angelegenheit wenig zu tun.

Heise: Denn genau am Rathhaus, beziehungsweise unter dem Rathausplatz liegen eben die verschiedenen Schichten der Geschichte, wie Sie es auch schon gesagt haben. Wie kommt es eigentlich, dass Köln bisher noch kein jüdisches Museum hat, obwohl ja dort ein einzigartiger Quellenschatz vorhanden ist und Überreste des mittelalterlich-jüdischen Viertels da sind - laut Beleg jawohl die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen.

Korn: Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich kenne also dazu die Kölner Verhältnisse zu wenig. Es ist aber in der Tat schon erstaunenswert, dass gerade die Stadt, die nun wirklich die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen beherbergt, bisher dieses Museum nicht erstellt hat. Es hatte wohl mehrere Anläufe gegeben, warum die alle gescheitert sind, weiß ich nicht. Aber nun stehen wir hier wirklich vor einem Ergebnis, dass sich mehr als nur sehen lassen kann, es wird, da bin ich ganz sicher, international Aufsehen erregen und es wird eine Attraktion werden in der Kölner Innenstadt.

Dass es hinterher immer Debatten gibt, ist selbstverständlich und normal, in einer Demokratie sowieso. Was mich aber an der ganzen Sache stört, ist dass hier über Voraussetzungen jetzt plötzlich diskutiert werden soll, die eigentlich Gegenstand der Ausschreibung waren. Das heißt, die Architekten oder die Planer mussten sich auf bestimmte Dinge verlassen, die vorgegeben waren, und diese Vorgaben werden jetzt in Frage gestellt. Das ist etwas, da kann man nur den Kopf schütteln, nicht über die Debatte, die jetzt über den Entwurf selbst folgt, aber dass jetzt Grundlagen in Frage gestellt werden.

Heise: Jetzt will der Oberbürgermeister Schramma ja die Bevölkerung in die Entscheidung einbeziehen. Wundern Sie sich darüber, dass ausgerechnet bei einem Projekt zur jüdischen Geschichte die Bevölkerung im Nachhinein noch mal gefragt werden soll?

Korn: Das ist ein höchst populistisches Argument. Das wäre ja so, als würde man über Kunst abstimmen. Und über Kunst kann man nicht abstimmen, das sollte man denen überlassen, die sich damit beschäftigen, die die Erfahrung haben und die sich des Öfteren damit auseinandersetzen. Was der Bürgermeister jetzt macht, ist eigentlich nicht sonderlich redlich und ist also der ganzen Geschichte auch nicht angemessen.

Wenn man jetzt sieht, dass der "Kölner Stadtanzeiger", der jawohl ähnlich wie der Oberbürgermeister argumentiert, einen Artikel bringt "Ein Museum am falschen Platz" und dann noch argumentiert, man müsse ja irgendwo auch die Möglichkeit haben, falls der 1. FC Köln Deutscher Fußballmeister wird, zu feiern, wissen Sie, da kann ich doch nur den Kopf schütteln und sagen, was sind das für Argumente an einem Platz, der doch rein durch Zufall, durch diesen Krieg ein solcher geworden ist und letztlich doch eigentlich seine mittelalterliche Maßstäblichkeit zurückgewinnen müsste.

Heise: Haben Sie manchmal den Verdacht, man will in Köln vielleicht gar kein jüdisches Museum?

Korn: So weit würde ich nicht gehen. Es gibt da doch eine Menge Leute, die das wollen, die das betreiben und die ja nun Zeit und Geld aufwenden, um das zu realisieren. Ob die Mehrheit der Bevölkerung dahinter steht, weiß ich nicht. Ich habe das Gefühl, die Politik steht dahinter. Also das sind Dinge, die ich jetzt letztlich nicht beantworten kann. Aber wenn es jetzt nicht zustande käme, dann wäre das kein Ruhmesblatt für Köln.

Heise: Lange Debatten bei jüdischen Museen ist man ja durchaus gewohnt. Das war in München beispielsweise auch nicht anders. Mit welchem Ausgang rechnen Sie denn jetzt im Falle Kölns?

Korn: Also ich bin Architekt und kein Prophet und ich sage immer, Voraussagen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber ich glaube, Köln kann sich hier gar nicht leisten, sich dermaßen zu blamieren und dieses Projekt nicht zu realisieren. Natürlich kann man Veränderungen vornehmen, man kann gewisse Abstriche machen an Volumina, man kann sicherlich das eine oder andere verändern. Die Architekten sind ja, soweit ich weiß, durchaus in der Lage, dieses Projekt in zwei Phasen, so wie gewünscht, durchzuziehen. Alles was jetzt an Argumenten vorgebracht wird, scheinen mir mehr Abwehrargumente zu sein. Ich glaube, die Bevölkerung sollte das nicht mitspielen und sollte sehen, dass Köln dieses architektonische Juwel bekommt.

Heise: Abwehr wogegen eigentlich, nur gegen die Architektur? Sie haben von populistischen Stimmen gesprochen. Sehen Sie auch manchmal antisemitische Züge in der ganzen Diskussion?

Korn: Also ich habe bis jetzt keine antisemitischen Stimmen vernommen. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass hinter sachfremden Argumenten sich also auch solche Dinge verbergen, aber das wäre im Augenblick etwas weit hergeholt, dafür gibt es keine Belege.

Heise: Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Architekt zum Streit um ein jüdisches Museum in Köln. Vielen Dank, Herr Korn.
Das Historische Rathaus von Köln mit der "Mikwe" auf dem Vorplatz
Das Historische Rathaus von Köln mit der "Mikwe" auf dem Vorplatz© Stadt Köln
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