Es zählt nur die Spekulation

Von Hannelore Heider |
Ein skrupelloses Börsengenie steht im Fokus dieses Films, Eric Parker. Viel Geld steht auf dem Spiel, aber das interessiert ihn nicht, er will zum Friseur. Regisseur Cronenberg zeigt eine Welt, in der nur das Gewinnenwollen zählt.
So ungewöhnlich die Wahl des Hauptdarstellers für die Verfilmung eines anspruchsvollen Romans auch scheinen mag, sie ist nicht ohne Logik. Don DeLillos "Cosmopolis" erzählt 24 Stunden aus dem Leben eines Untoten und Horrormeister David Cronenberg hat sich mit Robert Pattinson den derzeit Bekanntesten ausgesucht.

Der attraktive Vampir aus der Twilight-Saga muss nicht erst zum Monster mutieren, er ist längst eines. Eric Packer ist die pervertierte Kreatur eines von DeLillo so präzise voraus genommenen Finanzsystems, das hier in einem klaustrophobischen Ambiente dem Untergang entgegen rollt. Eric Packer gleitet wie in einem Raumschiff in seiner Stretchlimousine, scheinbar unabhängig von Zeit und Raum durch die Straßenschluchten von New York.

Jede auch der langsamsten Bewegungen des Automobils wir bewacht von Sicherheitsleuten, jeder zu steigende Besucher geröntgt. Der 28-Jährige ist einer der ganz Mächtigen an der Wall Street, ein Finanzgenie, das an den Börsen der Welt mit seinen und den Milliarden seiner Klienten spekuliert, die er an diesem Tag auch mal zu verlieren droht. Aber das ficht ihn nicht an, er will zum Friseur, er braucht einen Haarschnitt und diese Banalität ist um so lächerlicher und unmöglicher, als ein Präsidentenbesuch den Verkehr in der Stadt zum Erliegen gebracht hat und aufgebrachte Protestanten durch die Straßen toben. Dazu Gerüchte über ein Attentat, das wem gilt, dem Finanzhai oder dem Präsidenten?

Unterlegt mit immer dem gleichen, treibend-stampfenden Soundtrack, eingefangen von einer eleganten Kamera sehen wir den ungerührt bleichen Mann seinen Geschäften nachgehen, dazu empfängt er wie ein König Berater, den Arzt, die Geliebte, die eigene Ehefrau. Die Dialoge sind fast wörtlich dem Roman entnommen, in rasendem Tempo spulen hochkarätige Charakterdarsteller DeLillos zynisch-kluge Phrasen ab. Für den Zuschauer kaum zu verfolgen, verstärken sie einfach den Eindruck des seelenlosen, von aller Realität entkoppelten Daseins, in dem alles Sinnliche und selbst Geld und Macht keinen Wert außerhalb der Spekulation, des Gewinnenwollens, mehr haben.

Diese von Szene zu Szene ausgestellte eisige Ungerührtheit aber überträgt sich bei aller Bewunderung für die elegante Inszenierung auf den Zuschauer, wir sehen Monströses und bleiben unbeteiligt. Der Untergang dieser Welt, der ja am Ende stattfindet, ist längst in den Schlagzeilen unserer Tageszeitungen und so wirkt die delikate Illustration von David Cronenberg und seinem Hauptdarsteller nicht mehr als Provokation, wie es der 2003 erschienene Roman noch tat.

Kanada, Frankreich, Italien, Portugal 2012. Regie: David Cronenberg. Darsteller: Robert Pattinson, Juliette Binoche, Paul Giamatti, Sarah Gadon. 113 Minuten, ab 12 Jahren.

Filmhomepage "Cosmopolis"

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