Essay "Allein" von Daniel Schreiber

Ein Buch über innere Praktiken der Selbstreparatur

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Illustration einer Person, die Gitarre spielt.
Alleine glücklich sein? Wie das geht, erklärt Daniel Schreiber in seinem neuen Buch. Es sind die Dinge, die man für sich selbst macht, die einem in der Einsamkeit helfen. © imago / Ikon Images / Andrea Ebert
Daniel Schreiber im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Allein und glücklich? Das scheint für viele noch ein Widerspruch zu sein, dabei leben bereits 40 Prozent der Menschen in Deutschland allein. Daniel Schreiber hat sich mit Einsamkeit beschäftigt und der Frage, warum sie noch heute als Scheitern gilt.
"Es ist ein Buch übers Gärtnern, Wandern und Stricken geworden", sagt Daniel Schreiber. "Es sind solche Dinge, die eigentlich keinen Zweck und kein bestimmtes Ziel haben, die uns ein Gefühl dafür geben, Zeit zu schaffen und Zeit zu finden in unserem Leben, bestimmte Dinge durchzuarbeiten, die wir sonst vielleicht nicht durcharbeiten können."
Der Schriftsteller ist einer von 17,5 Millionen Menschen in Deutschland, die allein leben. Das ist die aktuelle Zahl des Bundesamts für Statistik, oder anders formuliert: Er gehört zu den 40 Prozent der Bevölkerung, die die letzten eineinhalb Jahre der Pandemie anders einsam erlebt haben, wie er in seinem neuen Buch "Allein" beschreibt.

Grausamer Optimismus

Darin geht es nicht nur um seine eigenen Erfahrungen, sondern auch um soziologische und philosophische Konzepte, wie zum Beispiel Lauren Berlants Konzept des grausamen Optimismus: "Sie schreibt, dass wir an bestimmten Fantasiekonstrukten des 'guten Lebens' festhalten, obwohl wir wissen, dass sie gesellschaftlich gar nicht mehr so einfach erfüllbar sind für viele von uns, und obwohl wir wissen, dass der Alltag für viele von uns eine Art Überlebenstraining ist."
Für Schreiber gehört die große Erzählung der Zweisamkeit, der romantischen Liebe zu diesen überkommenen Fantasiekonstrukten. Was man seiner Ansicht nach stattdessen heute braucht, sind "innere Praktiken der Selbstreparatur", Yoga zum Beispiel.

Selbstfürsorge ist lebensnotwendig

Für Schreiber ist diese Frage der Selbstfürsorge ganz grundsätzlich keine Frage der Wahl. Selbstfürsorge ist lebensnotwendig. Denn für viele Alleinstehende "waren die sozialen Lockdown-Maßnahmen mit einer ganz extremen Form von Einsamkeit verbunden". Schreiber meint damit eine "akute Form psychologischer Einsamkeit, die mit bestimmten psychischen Problemen verbunden ist, die ein Katalysator für Dilemmata sein kann, die vielleicht immer wiederkehren im Leben, wie Depressionen".
Zwar gebe es auch in Paarbeziehungen Einsamkeit, aber diese sei fundamental anders, weswegen es ein Verständnisproblem auf beiden Seiten für die jeweilige Form der erlebten Einsamkeit gebe. Hinzu kommt: "Wir alle können nicht richtig darüber sprechen, weil das psychologisch in der akuten Form etwas so Dramatisches ist, in der wir uns so verändern, dass es nicht wirklich kommunizierbar ist – und auch nicht wirklich verstehbar für andere Menschen."
Sein Buch "Allein" ist für Daniel Schreiber der Versuch, "Abwehrmechanismen, die uns daran hindern, über Einsamkeit nachzudenken und sie wahrzunehmen", zu durchbrechen.
(ckr)
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