James Baldwin: "Von einem Sohn dieses Landes"
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Miriam Mandelkow, mit einem Vorwort von Mithu Sanyal und einem Nachwort der Übersetzerin
dtv, 2022, 240 Seiten, 22 Euro
James Baldwins Essays "Von einem Sohn dieses Landes"
Schon früh verließ James Baldwin die USA, um in Frankreich zu leben. Zeitlebens war er auf der Suche nach der eigenen Identität. In seinen Essays in "Von einem Sohn dieses Landes" schreibt er darüber. © picture alliance / AP
"Ein warmer Blick auf die Menschen"
11:04 Minuten
James Baldwin war ein Leben lang auf der Suche nach der eigenen Identität, haderte mit seiner Heimat USA. Davon zeugt der Essayband "Von einem Sohn dieses Landes". Die Autorin Mithu Sanyal, die das Vorwort schrieb, fühlt eine große Nähe zu Baldwin.
James Baldwins (1924 - 1987) Erzählungen sind berühmt für ihren persönlichen Stil. Zeit seines Lebens und Schaffens durchzieht das Thema der Identität von Schwarzen und Homosexuellen und des damit verbundenen sozialen und psychologischen Drucks wie ein roter Faden sein Werk.
Nach seinem Tod geriet Baldwin, zumindest in der westlichen Bundesrepublik, eine Zeit lang ins Vergessen. Seit ein paar Jahren - nicht zuletzt seit Raoul Pecks Dokumentarfilm über den Autor, "I am not your Negro", und Verfilmungen von dessen Werken – hat sich das geändert.
Direkte Sprache
"Von einem Sohn dieses Landes" ist der Titel eines Essaybands, den die dtv Verlagsgesellschaft jetzt im Rahmen einer großen Neuauflage von Baldwins Werken veröffentlicht hat.
In zehn Essays verbindet Baldwin Analyse und Argument mit intimen Einblicken in die Suche nach der eigenen Identität und in sein Hadern mit der Heimat USA, die er gegen Frankreich eintauschte.
Die Autorin und Journalistin Mithu Sanyal, die selbst 2021 mit ihrem Roman „Identitti“ Furore machte, hat das Vorwort verfasst. „Ich liebe James Baldwin!“, schwärmt die Autorin. Baldwins direkte Sprache sei „ein körperliches Erlebnis… Man liest diese Texte und sie sprechen direkt zu einem“.
Vorgriff auf Black Lives Matter
Seine Suche nach Identität treffe bei ihr einen Nerv. Sanyal wuchs in Düsseldorf als Tochter einer Polin und eines Inders auf, Identität ist ein wichtiges Motiv auch ihrer Arbeit. „Schwarzsein in Amerika ist natürlich nicht ganz dasselbe wie Braunsein in Deutschland – und dennoch fühle ich diese ganz große Nähe zu ihm.“
Mit den Büchern aus seiner Anfangszeit, Mitte der 50er-Jahre, sei Baldwin seiner Zeit weit voraus gewesen – sie läsen sich bereits wie Bücher der Black-Lives-Matter-Bewegung. Dabei versuche Baldwin in seinen Texten immer „fair zu sein: Er versucht, mit einem warmen, liebenden Blick auf etwas zu schauen, das unglaublich brutal war“. Grobe Vereinfachungen finde man bei ihm nicht.
Und: Baldwins warmer Blick auf die Menschen werde kontrastiert durch seinen stets harten Blick auf Texte – fremde wie eigene.
Sanyal hat im Vorfeld des Textes, den sie als Vorwort schrieb, eng mit der Neuübersetzerin der Baldwin-Reihe, Miriam Mandelkow, zusammengearbeitet: Mit ihr habe sie viel darüber diskutiert, wie der typische Baldwin-Tonfall – „der Atem des Autors" – am besten nachempfunden werden könne.
(mkn)