Essen wie Gott in Frankreich
Es gibt zwei Arten von Kochbüchern: auf der einen Seite die edlen Folianten mit den kunstvollen Fotos, auf denen sorgsam arrangierte kulinarische Preziosen abgebildet werden – wie noble Kunstwerke, die man um nichts in der Welt zerstören möchte. Und auf der anderen Seite die Kochbücher, die man am liebsten gleich in die Küche schleppen möchte, weil die Rezepte und die Präsentation der Gerichte eine unbändige Lust wecken, alles sofort nachzukochen. Solche Kochbücher hat man fast ständig in der Nähe des Herdes. Fettflecken und Soßenspritzer können sie nur adeln.
Stéphane Reynauds Kochbuch "Vive la France" gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Seine 299 Rezepte wurzeln tief in der ländlichen französischen Regionalküche, sie erzählen von den kulinarischen Traditionen und Vorlieben der Menschen, die als Erzeuger und Bauern noch einen sehr präzisen Bezug zu den Lebensmitteln haben. Die Gerichte sind ein großes Fest – nichts für Kalorienzähler, dafür aber Pflichtlektüre für Menschen, die Sinnlichkeit, Traditionsbewusstsein und Respekt vor dem Produkt zu den unverzichtbaren Grundzutaten ihrer Küchen-Schlachten zählen.
"Muuhh! Oink Oink! Määhh!" ist etwa das Kapitel mit den Fleischrezepten überschrieben. Das klingt verspielt bis albern, verweist aber sehr deutlich darauf, dass gutes Essen eine Herkunft (das Tier) und eine Heimat (die Region) hat. Die Gerichte sind ebenso simpel wie aromenintensiv: die "Sabodets in Rotwein" sind Kochwürste aus Schweinefleisch, die durch langes Garziehen in Rotwein und Gewürzen eine bemerkenswerte Rafinesse bekommen. Wild und Wildgeflügel werden von Reynaud tendenziell kräftig, aber ohne jegliche Schwere zubereitet. Auch die Rezepte für Pariser Bistro-Klassiker wie Rindertartar oder Zwiebelsuppe sind simpel, aber effektvoll. Seine wirkliche Stärke zeigt das Buch aber bei den zahlreichen Eintopf- und Schmorgerichten.
Ganz bemerkenswert ist die Haltung des Autors: Stéphane Reynaud bleibt vollständig im Hintergrund, lässt die Produkte, die Erzeuger, die Hochachtung vor gutem Essen ganz für sich sprechen – das ist viel in einer Zeit, in der Knallchargen mit Kochlöffel wie etwa Horst Lichter kulinarisch das große Wort führen. "Vive la France" bietet neben fast 300 richtig guten Rezepten auch einen Einblick in die französische Küchenphilosophie der Regionen, stellt Erzeuger vor, porträtiert einen Koch mit einem "Ich bin verrückt nach Tauben"-Syndrom und bietet eine augenzwinkernde Bastelanleitung, wie man aus alten Strümpfen eine Kuttelwurst-Attrappe für den Hund Berti bastelt.
"Vive la France" ist nun vom Institut für Koch- und Lebensmittelkunst zum "Kochbuch des Monats Dezember" gewählt worden. Zu Recht: Es ist ein tolles Buch!
Über den Autor:
Stéphane Reynaud ist Koch, betreibt in Montreuil - im Speckgürtel östlich von Paris - zusammen mit Nicolas Bessière das Restaurant "Villa9trois". Er hat bereits zwei Kochbücher veröffentlicht: "Terrinen und Pasteten" sowie "Schwein und Sohn".
Besprochen von Holger Hettinger
Stéphane Reynaud:
"Vive la France!" Das Kochbuch: 299 Rezepte aus dem Schlemmerparadies
aus dem Französischen von Helmut Ertl
Illustrationen von José Reis de Matos
480 Seiten, 39,90 Euro
"Muuhh! Oink Oink! Määhh!" ist etwa das Kapitel mit den Fleischrezepten überschrieben. Das klingt verspielt bis albern, verweist aber sehr deutlich darauf, dass gutes Essen eine Herkunft (das Tier) und eine Heimat (die Region) hat. Die Gerichte sind ebenso simpel wie aromenintensiv: die "Sabodets in Rotwein" sind Kochwürste aus Schweinefleisch, die durch langes Garziehen in Rotwein und Gewürzen eine bemerkenswerte Rafinesse bekommen. Wild und Wildgeflügel werden von Reynaud tendenziell kräftig, aber ohne jegliche Schwere zubereitet. Auch die Rezepte für Pariser Bistro-Klassiker wie Rindertartar oder Zwiebelsuppe sind simpel, aber effektvoll. Seine wirkliche Stärke zeigt das Buch aber bei den zahlreichen Eintopf- und Schmorgerichten.
Ganz bemerkenswert ist die Haltung des Autors: Stéphane Reynaud bleibt vollständig im Hintergrund, lässt die Produkte, die Erzeuger, die Hochachtung vor gutem Essen ganz für sich sprechen – das ist viel in einer Zeit, in der Knallchargen mit Kochlöffel wie etwa Horst Lichter kulinarisch das große Wort führen. "Vive la France" bietet neben fast 300 richtig guten Rezepten auch einen Einblick in die französische Küchenphilosophie der Regionen, stellt Erzeuger vor, porträtiert einen Koch mit einem "Ich bin verrückt nach Tauben"-Syndrom und bietet eine augenzwinkernde Bastelanleitung, wie man aus alten Strümpfen eine Kuttelwurst-Attrappe für den Hund Berti bastelt.
"Vive la France" ist nun vom Institut für Koch- und Lebensmittelkunst zum "Kochbuch des Monats Dezember" gewählt worden. Zu Recht: Es ist ein tolles Buch!
Über den Autor:
Stéphane Reynaud ist Koch, betreibt in Montreuil - im Speckgürtel östlich von Paris - zusammen mit Nicolas Bessière das Restaurant "Villa9trois". Er hat bereits zwei Kochbücher veröffentlicht: "Terrinen und Pasteten" sowie "Schwein und Sohn".
Besprochen von Holger Hettinger
Stéphane Reynaud:
"Vive la France!" Das Kochbuch: 299 Rezepte aus dem Schlemmerparadies
aus dem Französischen von Helmut Ertl
Illustrationen von José Reis de Matos
480 Seiten, 39,90 Euro