Wie Dosenravioli die Frauen befreiten
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Ravioli aus der Büchse - was heutige Feinschmecker milde belächeln, steht noch immer für einen einst großen Trend in der Esskultur. Die Nahrung aus der Dose hat sogar der Emanzipation geholfen, weiß die Ernährungswissenschaftlerin Eva-Maria Endres.
Immer im Sommer veranstaltet das Museum Europäischer Kulturen in Berlin seine Europäischen Kulturtage. Zum 20. Jubiläum lautet das Motto "Europa à la carte. Essen verbindet": Dabei geht es neben aktuellen Trends auch um den langfristigen Wandel der Esskultur.
Esskultur spiegelt Bedürfnisse
Grundsätzlich spiegelten sich in der Esskultur Wünsche und Bedürfnisse wieder, sagt Eva-Maria Endres vom Büro für Agrarpolitik und Ernährungskultur im Deutschlandfunk Kultur.
Die 60er- und 70er-Jahre etwa seien von einer Generation geprägt gewesen, die noch den Mangel der Kriegsjahre erlebt habe, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. "Da war man einfach froh Dosenravioli zu haben, das war großartig." Ebenso attraktiv sei Toast Hawaii für die Menschen gewesen, da exotische Früchte vorher nicht im großen Stil verfügbar gewesen seien.
Mehr Zeit für Berufstätigkeit
Vor allem die Büchsennahrung sei in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen, meint die Ernährungswissenschaftlerin. "Ich hüte mich immer davor, Convenience-Produkte zu verunglimpfen, weil sie letzten Endes auch einen großen Beitrag zur Emanzipation der Frau geleistet haben." Unter anderem durch Dosenravioli sei es möglich gewesen, dass Frauen mehr Zeit hatten, um einer Berufstätigkeit nachzugehen.
Veränderungen in der Esskultur dauern lange
Heute dagegen gebe es eine Fülle an Lebensmitteln. Das sei "wirklich einmalig in der Menschheitsgeschichte". Deshalb würden jetzt andere Bedürfnisse stärker, so Eva-Maria Endres - etwa die Sehnsucht nach mehr Natürlichkeit und Regionalität. Auch beim Essen gebe es Moden, die schnell wieder verschwinden. Grundsätzlich aber sei die Esskultur von langlebigen Trends geprägt: "Es dauert schon einige Jahrzehnte."