Eine Auschwitz-Überlebende rappt gegen Neonazis
Das KZ Auschwitz überstand Esther Bejarano nur, weil sie ein Instrument spielen konnte. Heute macht die 93-Jährige wieder Musik – gegen Neonazis und das Vergessen. Diesmal aber als Rapperin.
"Ich finde, dass es eine ganz schlimme Zeit ist für uns. Ich sehe viele Parallelen zur damaligen Zeit. Ich habe das damals alles miterlebt und ich weiß, wie sich das entwickelt hat. Das war damals genauso. Viele Nazigruppen waren da, die sich dann zusammengefunden haben in der NSDAP. Und dann sind die groß geworden. Man hat geschwiegen. Man hat nichts gemacht. Und was ist daraus geworden? Ich hab meine Familie, ich hab meine Eltern verloren, die sind alle ermordet worden von den Nazis. Also wie kann ich die heutige Zeit sehen? Nur mit einem wirklichen Schrecken."
Bejarano singt auf Jiddisch oder Kölsch
Seit 2009 ist Esther Bejarano mit der Rap-Gruppe Microphone Mafia unterwegs. Gemeinsam haben sie hunderte Konzerte gespielt. Der Rapper Rossi Pennino wurde als Sohn von Italienern, Kutlu Yurtseven als Sohn türkischer Einwanderer in Köln geboren. Zusammen mit Esthers Sohn Joram Bejarano stehen nicht nur drei Generationen, sondern auch drei Weltreligionen auf der Bühne.
Die Songtexte sind auf Jiddisch, Deutsch, Türkisch und Italienisch geschrieben – oder Kölsch. Aber nicht nur die gemeinsame Liebe zu Gassenhauern wie "Wann jeiht d'r Himmel widder op" oder Klassikern des politischen Lieds wie "Bella Ciao" verbindet die ungleiche Truppe. Die Auftritte werden begleitet von Lesungen und Erzählrunden. Esther Bejarano berichtet von ihrer Jugend als verfolgte Jüdin im KZ, Mitglieder von Microphone Mafia von den Erfahrungen, die sie als Kinder von Einwanderern in Deutschland machten.
"Das verbindet uns, weil sie nämlich auch ganz viel zu leiden hatten. Der Kutlu und der Rossi zum Beispiel, die sind beide in Köln geboren. Und die fühlten sich natürlich auch als Deutsche. Aber die Leute haben immer zu ihnen gesagt: Du bist doch kein Deutscher, wo kommst du denn her? Oder wann gehst du denn wieder zurück? Man hat sie nicht anerkannt. Die haben wirklich sehr gelitten darunter. Das passt sehr gut zusammen. Wir haben gelitten und sie haben gelitten – und damit es besser wird, haben wir uns zusammengetan."
Esther Bejarano folgt entschlossen einem Auftrag, den sie aufgrund ihrer Biographie empfindet: Sie ist eine der letzten lebenden Zeitzeugen von Auschwitz. Wenn sie nicht auf der Bühne steht, besucht sie Schulen und beantwortet die Fragen von jungen Menschen zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Und sie warnt davor, dem aktuellen Erstarken der politischen Rechten nichts entgegen zu setzen.
Ihr Terminkalender ist voll
"Ich behaupte ja immer, die Leute müssen alle dastehen und sich äußern. Sie müssen rauskommen aus diesem Gedanken: Ich hab damit nichts zu tun. Genau das Gegenteil muss der Fall sein – und genau das ist es, was ich immer den Schülern sage."
Am Ende des Gesprächs holt Esther Bejarano ihren Terminkalender raus, der mit Konzerten, Schulbesuchen und Preisverleihungen vollgepackt ist. Ein bisschen mehr Ruhe hätte sie schon gern – aber es gibt noch viel zu tun. "Ich habe keine Pläne, ich will nur einfach weitermachen. Ich will auf keinen Fall schon aufhören."