Ethik

Zoos müssen sich verändern

Der Zoo in Kopenhagen ließ die anderthalbjährige Giraffe Marius töten und vor Publikum obduzieren. Anschließend wurde sie an die Löwen verfüttert.
Der Zoo in Kopenhagen ließ die anderthalbjährige Giraffe Marius töten und vor Publikum obduzieren. Anschließend wurde sie an die Löwen verfüttert. © dpa picture-alliance/ Kasper Palsnov
Von Nikolaus German · 28.02.2014
Vor Kurzem wurde die Giraffe Marius im Kopenhagener Zoo getötet und verfüttert. Ein Skandal? Nein, meint der Journalist Nikolaus German. Skandalös ist die alltägliche Tierquälerei, das traurige Dasein von Eisbären, Elefanten oder Affen hinter Gittern.
Wenn vom Elend der Tiere die Rede ist, denken wir zumeist an Versuchslabore und Stallanlagen, nicht aber an den Zoo.
Früher besuchte ich gern Zoologische Gärten. In Hamburg beeindruckte mich einmal ein riesiger Schwertwal, ein Orca. Schade fand ich nur, dass sich unser damaliger Zoodirektor in München weigerte, Wale oder Delfine zu halten. Heute weiß ich, wie Recht er hatte.
Delfine schwimmen im Meer bis zu 100 Kilometer am Tag, tauchen bis 300 Meter tief. In den Becken an Land können sie sich gerade mal ein paar Meter hin und her bewegen, pure Tierquälerei. Gott sei Dank hat sich da einiges geändert: Delfinarien gibt es nur noch in Nürnberg und Duisburg. Sie stehen unter heftigster Kritik von Tierschützern.
Ich gehe nicht mehr gern in Zoos, denn auch Eisbären und Tiger, Elefanten, Nashörner und Gorillas fristen ein trauriges Dasein hinter Gittern, Gräben und Panzerglas. Niemand braucht sich zu wundern, dass kürzlich ein Tiger in Münster seinen Wärter getötet hat, ähnliches ist in Köln passiert.
Qualvolle Gefangenschaft
Die großen Raubkatzen leben in qualvoller Gefangenschaft, suchen jede Gelegenheit, um in die Freiheit zu entkommen und ihrem Jagdtrieb zu folgen. In Käfigen vegetieren sie dumpf vor sich hin oder verfallen in stereotype, zwanghafte Bewegungsmuster. Jeder Zoobesucher kennt das.
Es hilft kein Drum-Herum-Reden: Wildtiere wie Löwen, Elefanten, Eisbären können im Zoo schon aus Platzgründen nicht artgerecht gehalten werden. Aber sie ziehen das Publikum an und sorgen fürs Geschäft. Deshalb wollen sich die Zoologischen Gärten von diesen Attraktionen nicht trennen.
Radikale Tierschützer fordern jedoch immer lauter: Macht es wie Mailand, Turin oder Costa Rica: Schließt die Zoos! Diese Tiergefängnisse passen nicht mehr in unsere Zeit!
Falsch!, sagen die Zoo-Betreiber. Unsere modernen, wissenschaftlich geführten Anlagen sind Refugien für Tierarten wie Tiger und Wildpferde, die vom Aussterben bedroht sind. Und natürlich verändern sich die Zoologischen Gärten, wandeln sich zu Bildungsstätten, die über Ökologie und Artenschutz informieren. Speziell ausgebildete Pädagogen ergänzen auch den Biologieunterricht der Schulen.
Lobenswerte Ansätze, gewiss. Aber sie werden die Zoos nicht grundsätzlich und dauerhaft aus der Kritik bringen, solange sie nicht auf die Haltung bestimmter Tierarten verzichten.
Schimpanse im Zoo von Southwick, Massachusetts USA
Schimpanse im Zoo von Southwick, Massachusetts USA© AP Archiv
Ausstellungen statt Gehege
Dass man etwa große Menschenaffen, unsere biologisch nächsten Verwandten, ihrer Freiheit und Lebensmöglichkeiten beraubt, empfinden inzwischen viele als Unrecht, ich auch. So intelligente und sensible Geschöpfe wie Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas dürfen nicht lebenslang eingesperrt werden, nur damit wir Menschen sie angaffen können. Und für viele andere Tiere gilt das auch.
Müssen Tierparks also komplett verschwinden? Ich denke nein. Wenn sie sich neue Inhalte und Ziele setzten, würden sie sogar an Attraktivität und Bedeutung gewinnen. In ausgedienten Affen- und Raubtierhäusern entstünden vielleicht naturkundliche Ausstellungen - in Zusammenarbeit mit Museen.
IMAX-Kinos böten die besten Tierfilme der Welt als faszinierendes Erlebnis. Und Einrichtungen, die schon jetzt den direkten Kontakt von Mensch und Tier ermöglichen, etwa Streichelgehege mit Eseln und Ziegen, Schafen, Kühen und Kamelen sollten weiter ausgebaut werden.
Sinnvoll wären auch Auffang- und Pflegestationen für in Not geratene Tiere. Hier könnten sich Besucher eventuell auch an der Pflege beteiligen, was Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein fördern würde. Das halte ich für ganz wichtig, wenn wir zu einem ethischen Verhalten kommen wollen, das alle Lebewesen umfasst, nicht nur die Spezies Mensch.
Nikolaus German, geboren 1950, Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, lebt als Autor und freier Journalist in München, schreibt für die "Süddeutsche Zeitung" und "Das Parlament" sowie fürRundfunk und Fernsehen, beispielsweise die Dokumentarfilme "Botschafter der Hoffnung - Sergiu Celibidache in Rumänien", "München unterm Hakenkreuz - Hitlers Hauptstadt der Bewegung", "Max Mannheimer - ein Überlebender aus Dachau".
Nikolaus German
Nikolaus German© Privat
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