Ethiker Dabrock fordert allgemeine Impfpflicht
Impfpass nach der dritten Impfung gegen Corona: Eine Impfpflicht ist in Deutschland schwer umstritten. © imago images/Michael Weber
Verhältnismäßig ist, die vierte Welle zu brechen
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Angesicht dramatisch steigender Infektionszahlen fordert der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, eine allgemeine Impfpflicht. Die Minderheit der Impfunwilligen nehme die Mehrheit der Gesellschaft in Geiselhaft, kritisiert er.
Eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona, und zwar so schnell wie möglich: Das fordert der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock. „Jeder Tag, den wir verlieren, ist ein Tag, an dem grundlos Menschen sterben“, sagt der Theologe, der an Universität Nürnberg-Erlangen lehrt.
Mit seiner Forderung widerspricht Dabrock Äußerungen von Politikern wie etwa Außenminister Heiko Maas (SPD), die eine allgemeine Impfpflicht bisher abgelehnt haben.
Das in der Diskussion immer wieder vorgebrachte Argument, eine Impfpflicht sei unverhältnismäßig, greife „überhaupt nicht“, findet Dabrock. „Wir müssen jetzt wirklich alles tun und alle Mittel ergreifen – und genau das ist Verhältnismäßigkeit –, um die Pandemie zu bekämpfen." Die vierte Welle, die noch längst nicht ihren Höhepunkt erreicht habe, müsse gebrochen werden.
"Kollektives Politikversagen"
Zum Einwand, dass es bei einer Entscheidung gegen das Impfen um das Recht auf körperliche Unversehrtheit geht, sagt der Ethiker, hier nehme eine Minderheit die Mehrheit der Gesellschaft in Geiselhaft. "Das gefährdet die Freiheit von 80 Prozent der Bevölkerung. Das ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von 80 Prozent der Bevölkerung", so Dabrock.
Hier müsse der Staat nun eine Güterabwägung zugunsten derjenigen Position vornehmen, “die rational ist, die effektiv ist, die solidarisch ist und die schnell wirkt“. Dass man sich immer noch an den zehn oder zwanzig Prozent ausrichte, die offenbar nicht zu erreichen seien, dafür habe er kein Verständnis.
Dabrock sieht vielmehr die Gefahr, „dass die 80 Prozent verloren gehen. Das ist die Mehrheit der Gesellschaft, das ist die Trägerschicht des gesellschaftlichen Zusammenhalts." Es herrsche "gerade kollektives Politikversagen".
Impfpflicht auch für Kinder?
Ob diese Impfpflicht auch für Kinder gelten soll, muss nach Ansicht Dabrocks mit der Wissenschaft, mit Kinder- und Jugendärzten und mit Pädagoginnen und Pädagogen geklärt werden. „Eltern, die in dem Sinne Verantwortung tragen, werden vermutlich auch mit allerbestem Gewissen sagen, dass sie ihre Kinder impfen lassen werden. Ich werde das tun.“